05.08.2014

Leugnen und Verharmlosen IX – Jürgen Länger

Erneut wurde heute der Zeuge Länger vernommen. Heute erschien er, wie einige Zeugen vor ihm, in Begleitung von Rechts-Anwalt Jauch. Laut Anklage soll Länger die Ceska-Pistole, mit der die rassistischen Morde des NSU begangen wurden, von dem zuletzt vernommenen Zeugen Theile übernommen und an den Inhaber des rechten Szeneladens „Madley“, den Zeugen Schultz, verkauft haben. Länger wollte zunächst gar keine Fragen beantworten, weil immer noch gegen ihn ermittelt werde. Die Verteidigungen Zschäpe und Wohlleben sprangen ihm bei: nach der Anklageschrift habe Länger den objektiven Tatbestand der Beihilfe zum Mord erfüllt, und der Vorsatz sei ja „ein weites Feld“, so Wohlleben-Verteidiger Klemke. Dies gilt natürlich erst recht für seinen Mandanten, der ja nach der bisherigen Beweisaufnahme (vgl. Bericht vom 03.07.2014) die Waffe durch Schultze an Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt liefern ließ und der ideologisch noch viel näher am Trio war als Länger.

Das Gericht sah das anders und forderte den Zeugen auf, zu der Waffenlieferung an Schultz auszusagen. Er stritt – wie schon in seiner Vernehmung beim BKA – eine solche Lieferung vehement ab. Er kenne auch Schultze nur flüchtig. Theile kenne er schon länger, bis vor 2 Jahren eher flüchtig, „jetzt verbindet uns der NSU”.

Insgesamt versuchte Länger, sich als Opfer von Presse und BKA darzustellen, als „politisch neutralen“ Menschen, der nur des Abenteuers wegen Naziaufmärsche, aber auch linke Demos besucht habe. Weder er noch Theile hätten jemals etwas mit Waffen zu tun gehabt. Der Vorsitzende hielt ihm Passagen aus seinen polizeilichen Vernehmungen, von der Auswertung seiner Festplatte usw. vor, in denen sich das Ganze deutlich anders darstellte – danach war Länger Teil der „alten rechten Szene“ Jenas, hatte entsprechende Dateien auf seinem Rechner, hatte in seiner Vernehmung angegeben, von Theile und Waffen habe er mal gehört usw. Länger redete sich heraus: die anderen Zeugen würden lügen, die Polizei habe einfach irgendwelche Aussagen in das Vernehmungsprotokoll reingeschrieben. Als er mit Chatprotokollen konfrontiert wurde, in denen er noch 2011 mit der Grußformel „Sieg H…“ Gespräche beendet hatte, versuchte Länger, sich herauszureden, der Gesprächspartner sei Österreicher gewesen, da sei das halt so üblich.

Durch beharrliche Nachfragen der Nebenklage konnten aber – trotz Versuchen des Wohlleben-Verteidigers Klemke, mit sinnlosen Beanstandungen die Befragung zu torpedieren – dennoch einige Details aufgeklärt werden:

Hatte Länger anfangs noch bestritten, Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos überhaupt gekannt zu haben oder auch nur Teil der Jenaer Naziszene gewesen, und hatte er behauptet, nie etwas mit Waffen zu tun gehabt zu haben, so war am Schluss klar, dass er seit den frühen 90er Jahren eng mit Mitgliedern des Thüringer Heimatschutzes verbunden war und er jedenfalls bei einer Demonstration eine Schusswaffe mit sich geführt hatte. Auf einem in seiner Wohnung gefundenen Computer befand sich ein Video von einem Nazifußballturnier, auf dem André Kapke, Uwe Böhnhardt sowie der Angeklagte Holger Gerlach zu sehen sind. Es liegt damit nahe, dass der Zeuge auch die bekannten Mitglieder des NSU persönlich kannte. Die Indizien, die dafür sprechen, dass die Ceska aus der Schweiz über Theile, Länger und Schulz an Schultze und Wohlleben gelangte, wurden durch die an den Haaren herbeigezogenen Ausflüchte des Zeugen Länger eher bestätigt als widerlegt. Ob der Zeuge persönlich mit seinen Ausflüchten durchkommen wird oder ob auch er mit einem Verfahren wegen Falschaussage wird rechnen müssen, bleibt abzuwarten.

Die Verteidigung Wohlleben beantragte die Vereidigung des Zeugen Länger im Hinblick auf die „ausschlaggebende Bedeutung“ seiner Aussage – kein Wunder, ist doch Länger der einzige, der der Aussage von Schultz und dem Angeklagten Carsten Schultze widerspricht, wonach Wohlleben die Waffe für die Drei federführend besorgte. Allerdings ist auf die mehr als unglaubhafte Aussage Längers ohnehin nicht viel zu geben, wie auch die Generalbundesanwaltschaft in ihrer Stellungnahme feststellte. Das Gericht entschied sich gegen eine Vereidigung, da Zeugen, die der Beteiligung an der angeklagten Tat verdächtig sind, nicht vereidigt werden dürfen.

Einen weiteren Hinweis darauf, dass er nicht so harmlos und unpolitisch ist, wie er sich darzustellen versuchte, gab Länger nach der Verhandlung vor dem Gerichtsgebäude: Er bepöbelte einen Journalisten, der seine Adresse herausbekommen hatte, und drohte ihm, er solle ja nicht noch einmal nach Jena kommen. Auch Länger’s Begleiter teilte mit drohendem Unterton mit, „man sieht sich immer zweimal“ – und stellte sich im Gehen mit dem Namen Rosemann vor. Demnach handelte es sich wohl um Sven Rosemann, einen alten Freund Längers der bereits zur Gründung des THS in der Thüringer Naziszene sehr aktiv war und auch wegen seiner Begeisterung für Waffen als besonders gefährlich galt.