17.03.2016

Zschäpes Einlassung zerfällt, Verteidigung Wohlleben blockiert und der Senat geht in Ferien

Zunächst wurden heute zwei weitere Zeugen zu Raubüberfällen des NSU befragt. Das übliche Prozedere solcher Befragungen wurde durchbrochen, als der erste Zeuge am Ende erklärte, eine offizielle Entschuldigung für alle Pannen bei den Ermittlungen wäre auch gegenüber den überlebenden Opfern angebracht. Er als Geschädigter eines Banküberfalles habe bislang keinerlei Rückmeldung erhalten. Zschäpe-Verteidiger Heer und Stahl empörten sich und intervenierten beim Vorsitzenden, er möge den Zeugen unterbrechen.

Im Anschluss vernahm das Gericht eine Polizeibeamtin, deren Angaben die Einlassungen von Zschäpe erschüttert: Die junge BKAlerin, die bereits mehrfach von ihren Ermittlungen berichtet hatte, beschäftigte sich heute mit zwei technischen Fragen: zum einen ging es um die Frage, ob Zschäpe, wie sie behauptet hatte, aus dem Radio vom Tod Uwe Böhnhardts und Uwe Mundlos‘ erfahren hatte. Der aufwändige Abgleich mit den Radioprogrammen ergab, dass dies zwar nicht ausgeschlossen, aber jedenfalls unwahrscheinlich ist: auf Zschäpe’s Rechner lief an jenem Tag ein Online-Radio-Stream, über den die Nachricht von den Leichen im Wohnmobil in Eisenach erst lief, nachdem Zschäpe die Wohnung bereits in Brand gesetzt hatte. Ob auf analogen Radiosendern die Nachricht aus Eisenach evtl. früher gesendet wurde, ließ sich nicht mehr vollständig ermitteln – aber auch dann könnte Zschäpe nur davon erfahren haben, wenn sie gleichzeitig den Livestream und einen analogen Radiosender hörte. Auch dieser Teil ihrer Einlassung scheint also unwahr zu sein.

Die Zeugin hatte sich außerdem mit Videoaufnahmen zum Anschlag in der Keupstraße beschäftigt, die in der Frühlingsstraße gefunden wurden: diese wurden am Tag des Anschlags mit einem Videorekorder aufgenommen, und zwar per Hand und schon zwei Stunden nach dem Anschlag, also zu einem Zeitpunkt, an dem Mundlos und Böhnhardt noch nicht wieder aus Köln zurückgekehrt sein konnten. Geht man davon aus, dass die Aufnahmen in der Frühlingsstraße gefertigt wurden, dann können sie also nur von Zschäpe stammen. Die aber hatte in ihrer Einlassung behauptet, sie habe von dem Anschlag in Köln erst nach der Rückkehr der beiden Männer erfahren.

Wie verzweifelt die Erklärungsversuche der Verteidigung Zschäpe inzwischen sind, zeigt die Reaktion von Zschäpe-Verteidiger Grasel, der von der Presse bereits vor einigen Tagen auf die Videos angesprochen worden war: gegenüber der taz gab er an, die Aufnahmen könnten ja z.B. auch von André Eminger gemacht worden sein – gestern, weniger als eine Woche später, verlas nun sein Mitverteidiger Borchert im Namen von Zschäpe die Erklärung, Eminger habe von den Morden und Anschlägen überhaupt nichts gewusst. Damit werden die heute dargestellten Ermittlungen– zusammen mit den zahlreichen bereits vorliegenden Beweismitteln – dazu führen, dass Beate Zschäpe wie angeklagt verurteilt wird – zu erdrückend die Beweislage, zu unglaubhaft und widersprüchlich ihre bestreitenden Angaben.

Es stellt sich aber auch die Frage, warum manche der Beweisthemen, um die es in den letzten Wochen ging, nicht schon viel früher ausermittelt und ins Verfahren eingeführt wurden: die Frage, welcher Radiosender wann über die Leichen in Eisenach berichtete, hätte sich Anfang 2012 sicher leichter klären lassen als jetzt, über vier Jahre später, und auch die Videos zum Anschlag in Köln liegen den Behörden bereits seit 2011 vor.

Eine weitere Polizeibeamtin sollte im Anschluss von einem Fund im Rahmen einer Hausdurchsuchung bei Wohlleben berichten, der erneut dessen Selbstdarstellung als gemäßigter „Nationalpazifist“ erschüttert und ihn als überzeugten Nationalsozialisten entlarvt: Bei der Durchsuchung wurde ein T-Shirt mit dem Aufdruck „Eisenbahnromantik“ gefunden, darunter ein Bild eines Bahngleises, das in das Konzentrationslager Auschwitz führt. Die Beamten hatten das Shirt damals nicht sichergestellt aber ein Foto davon gemacht.
Bevor die Zeugin befragt werden konnte, widersprach die Verteidigung Wohlleben und beantragte, das Verfahren gegen ihren Mandanten abzutrennen und auszusetzen, weil das Foto bisher nicht in der Gerichtsakte war. Tatsächlich hat auch die Nebenklage in der Vergangenheit mehrfach kritisiert, dass die Bundesanwaltschaft nach eigenem Gutdünken Ermittlungsbestandteile zurückhält und/oder in anderen Verfahrensakten „parkt“. Es ist allerdings nicht zu erwarten, dass der Antrag der Verteidigung erfolgreich sein wird – letztlich geht es hier nur um ein Foto, auch fand sich in der Akte schon vorher ein Hinweis, dass dieses existierte. Die Generalbundesanwaltschaft gab an, sie habe dieses Foto vor allem in Antwort auf Wohllebens Selbstdarstellung „aktiviert.“ Das Gericht hatte allerdings heute keine Ambitionen, aufwendige Beschlüsse zu schreiben, und verabschiedete sich umgehend in die Osterferien.

Damit blieb das Gericht auch in den letzten Wochen vor den Osterferien seiner Tendenz treu, im Schnitt nur halbtags zu verhandeln – kein Wunder also, dass es letzte Woche offiziell weitere Verhandlungstermine bis Januar 2017 festsetzte.