24.05.2017

Letzte Schritte vor dem Ende der Beweisaufnahme

Die Mutter von Beate Zschäpe verweigerte heute erneut die Aussage vor Gericht, erklärte aber ihr Einverständnis damit, dass ihre polizeiliche Vernehmung aus dem Jahr 2011 verwertet wird. Diese wurde dann durch einen der Polizeibeamten eingeführt, der sie damals vernommen hatte. Die Vernehmung enthielt vor allem Angaben zu Kindheit und Jugend von Beate Zschäpe und zum Zerwürfnis von Mutter und Tochter – die politische Einstellung ihrer Tochter, so die Zeugin, sei dafür ein bedeutender Grund gewesen.

Sodann lehnte die Nebenklage Yozgat den Sachverständigen Prof. Bauer als befangen ab – dieser hatte seinem peinlichen parteiischen Auftritt vor Gericht (vgl. unseren Bericht vom 18.05.2017) hinterher noch die Krone aufgesetzt: In Reaktion auf die kritische Berichterstattung hatte er der „Welt“ per email sein Gutachten geschickt und sich über eine „Hexenverbrennung“ Zschäpes beklagt. Eine Stellungnahme hierzu erübrigt sich, Bauers Entgleisung spricht für sich. Rechtsanwalt Heer reagierte schon bei der Ankündigung des Ablehnungsgesuchs sichtlich amüsiert.

Die Verteidigung Wohlleben dagegen versuchte mit einem weiteren Beweisantrag, an eine „nebenbei“ erfolgte Diagnose Bauers zu Böhnhardt und Mundlos anzuknüpfen: der hatte ausgeführt, es habe sich bei den beiden mit Sicherheit um hoch psychopathische Täter gehandelt. Diese Entpolitisierung der rassistischen Mordtaten des NSU griff nun die Verteidigung auf – ein psychiatrischer Sachverständiger solle feststellen, dass Böhnhardt und Mundlos an einer psychopathischen Persönlichkeitsstörung gelitten hätten und dass dies für Dritte nicht erkennbar gewesen sei, weil Psychopathen in der Lage seien, manipulativ ihre Störung zu verbergen. Aussicht auf Erfolg hat auch dieser Antrag erkennbar nicht.

Die Bundesanwaltschaft nahm Stellung zu den Beweisanträgen von letzter Woche . Die Antwort auf den Antrag der Nebenklage zu Stefan Lange (vgl. den Bericht vom 17.05.2017) hatte Bundesanwalt Dr. Diemer zur Chefsache erkoren und nutzte die Gelegenheit, den deutschen Geheimdiensten einen Persilschein auszustellen (Wir dokumentieren eine Mitschrift der Stellungnahme hier): es gäbe keinerlei Hinweise darauf, dass diese irgendwelche Informationen nicht weitergegeben hätten, im Gegenteil hätten ihre Mitteilungen die Beweisaufnahme in München entscheidend weitergebracht. Diese Stellungnahme entspricht natürlich dem Selbstverständnis der Bundesanwaltschaft als politischer Behörde, die vor allem den Staat und seine Behörden schützt. Inhaltlich ist sie für alle, die die Entwicklungen um den NSU-Komplex in den letzten Jahren miterlebt haben, unschwer als reine Propaganda zu erkennen – die Schredder-Skandale, die skandalösen Auftritte diverser V-Mann-Führer im Gericht, die V-Mann-Dichte in der Szene um das NSU-Kerntrio und vieles mehr sprechen insoweit eine deutliche Sprache.

Es ging dann noch um den weiteren Umgang mit dem methodenkritischen Gutachten des Prof. Faustmann und der angekündigten Reaktion des Prof. Saß. Das Gericht entschied – entgegen der Anträge der Verteidigung –, Faustmann nicht zur Stellungnahme Saß‘ zu laden. Saß wird diese nächsten Dienstag abgeben.

Dazu, was an den beiden weiteren Tagen geschehen soll, wollte sich der Vorsitzende nicht festlegen. Insgesamt ist fraglich, ob das Gericht es schaffen wird, nächste Woche die Beweisaufnahme zu schließen – zunächst sind noch einige Beweisanträge zu bescheiden, außerdem noch einmal die persönlichen Verhältnisse der Angeklagten zu ergründen. Dabei wird u.a. auch das (noch nicht rechtskräftige) Urteil des Amtsgerichts Zwickau zu berücksichtigen sein, das André Eminger letzte Woche wegen Körperverletzung und Nötigung verurteilte – er soll einen Jugendlichen massiv mit Schlägen und Tritten traktiert haben.