18.05.2017

Sachverständiger Prof. Bauer: „Ein Leumundszeuge, dem man ein professorales Mäntelchen umgehängt hat“

Heute stellten die Prozessbeteiligten Fragen an den Gutachter Prof. Bauer (zu seinem Gutachten vgl. den Beitrag vom 03.05.2017. War schon nach der Erstattung seines Gutachtens klar, dass dieses nicht das Papier wert ist, auf dem es geschrieben steht, so vertiefte sich dieser Eindruck heute:

Bauer teilte mit, er habe Zschäpe zunächst als Arzt besucht, erst nachdem diese ihm von der angeblichen Gewalt Böhnhardts ihr gegenüber berichtet hatte und er dies wiederum den Verteidigern mitgeteilt hatte, hätten diese ihn gebeten, ein Gutachten zu erstellen. Er wähnte sich trotzdem in der Lage, ein neutrales Gutachten zu erstatten – und ließ sich auch von dem Hinweis, dass üblicherweise ein Arzt-Patienten-Verhältnis, das ja auf Vertrauen beruht, als Hinderungsgrund für die Erstattung eines objektiv-neutralen Sachverständigengutachtens gesehen wird, nicht abbringen. 

Dabei triefte die Parteilichkeit für Zschäpe nur so aus jeder seinen Äußerungen, egal, wie häufig der Gutachter selbst beteuerte, es handele sich um ein hochwissenschaftliches und sehr gutes Gutachten.

Dass Bauer eine einseitige Sachverhaltsdarstellung zu Grunde legen würde, war dabei methodisch von Anfang an angelegt: Welche Aktenbestandteile er erhielt, entschied die Verteidigung, selbst als Bauer die Verteidiger bat, ihm die Aussagen aller Zeug_innen zu übermitteln, die etwas über den Charakter Zschäpes ausgesagt hatten, sandten die ihm nur eine Auswahl, ließen etwa die zahlreichen Urlaubsbekanntschaften weg. Ein forensisches Gutachten hat Bauer noch nie zuvor erstellt, nur als Assistenzarzt in den 1980ern seinem Oberarzt bei einigen Gutachten zugearbeitet. Die Mindestanforderungen an forensische Prognosegutachten kennt er ebenso wenig wie die an Glaubhaftigkeitsgutachten – und das, obwohl sein Gutachten ganz maßgeblich auf der Annahme beruht, Zschäpes Angaben ihm gegenüber, die durch keine anderen Beweise gestützt werden, seien glaubwürdig. Bauer muss zugeben, Zschäpe diverse Fragen nicht gestellt zu haben, die zu stellen „wünschenswert“ gewesen wäre – ist aber dennoch vollständig überzeugt, dass eine ausführlichere Exploration an seinem Gutachten bestimmt nichts ändern würde.

Es entstand der Eindruck, dass Bauer sich selbst die Rolle des männlichen Beschützers der armen missverstandenen Frau zuwies – und dabei erneut das Bild von Nazi-Frauen als bloße, hier im Wortsinne willenlose „Anhängsel“ der Männer reproduzierte. Besonders schwer zu ertragen war, wie er seine Gutachtenerstattung für Zschäpe in eine Reihe stellen wollte mit der Behandlung schwer traumatisierter Frauen, die während des bosnischen Bürgerkriegs nach Freiburg geflohen waren.

Kurzum: Bauer sprach im Gerichtssaal, wie Nebenklägervertreter Eberhard Reinecke in einer kurzen Erklärung zusammenfasste, als „Leumundszeuge, dem man ein professorales Mäntelchen umgehängt hat“ – als ein Zeuge, auf den das Gericht insoweit nichts, aber auch gar nichts stützen wird.

Dennoch erbrachte auch seine Befragung noch relevante Erkenntnisse: Er teilte auf Befragen hin mit, Zschäpe habe bestätigt, jedenfalls von den Raubtaten vorher konkret gewusst zu haben. Insofern stellt sich die Strategie der Zschäpe-Verteidiger Borchert und Grasel erneut als Eigentor dar.

Der Hauptverhandlungstag am nächsten Dienstag fällt aus, es geht weiter am Mittwoch, 24.05., dann u.a. mit dem wahrscheinlich kurzen Auftritt der Mutter von Beate Zschäpe.