Plädoyer der Bundesanwaltschaft, Tag 3: Angriff auf die Nebenklage und die Interessen der Opfer
Am dritten Tag des Plädoyers der Bundesanwaltschaft begründete OStA‘in Greger zunächst weiter, dass die Angeklagte Zschäpe wegen mittäterschaftlicher Begehung aller Straftaten des NSU zu bestrafen ist. Dabei wurde sie den von ihr selbst gesteckten Ansprüchen allerdings nur in geringem Umfang gerecht. Zu den politischen Hintergründen der Taten führte sie etwa die Parolen des NSU-Briefes und der verschiedenen Versionen der Bekennervideos auf. „Wir, der NSU werden nicht durch viele Wort auf uns aufmerksam machen, sondern durch Taten. Solange es keine Änderungen in Presse, Politik und Meinungsfreiheit gibt, werden wir unsere Aktionen weiterführen.” hatte es da beispielsweise geheißen. Weil die Linie der GBA aber vorgibt, dass der NSU als isolierte Gruppe praktisch keinen Einflüssen von außen ausgesetzt war, konnte sie die Ideologie der Gruppe, ihre Entstehung und Veränderung nicht vernünftig einordnen.
Dabei wäre doch als das Mindeste ein kurzer Verweis auf die ideologischen Versatzstücke, die in der Neonazi-Szene um die Angeklagten verbreitet wurden, zu erwarten gewesen. Der einfache Hass gegen türkischstämmige Migranten, der sich in dem seit THS-Zeiten der Gruppe vertrauten „Ali“-Schmähgedicht widerspiegelt, kennzeichnet sicher eine Ideologie des Rassismus, lässt aber noch keinen Schluss auf eine Vernichtungsideologie zu, in deren Konsequenz zehn Menschen ermordet werden und mehrere Bomben, darunter eine Nagelbombe gezündet werden.
Die Ideologie des Rassenkampfes, die sich in der Übernahme der von militanten amerikanischen Vertretern des bewaffneten Kampfes propagierten Parole der „14 words“ symbolisch in den Bekennervideos wiederfindet, wurde aber Ende der 1990er-Jahre von Gruppen wie Blood and Honour verbreitet, die Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe von 1998 bis 2000 in Chemnitz Unterschlupf boten. Auch die “Weiße Bruderschaft Erzgebirge” des Mitangeklagten Eminger propagierte diese Parole (“We must secure the existence of our people and a future for White children”). Die subkulturell geprägten Aktivisten von Blood and Honour verbanden mit dieser Parole auch den sogenannten führerlosen Widerstand, also die Bildung bewaffneter, dezentral organisierter Gruppen, die unmittelbar mit bewaffneten Aktionen beginnen sollten.
Die NPD, auf die sich die Angeklagten Wohlleben und Schultze bezogen, hielt sich da in den Verlautbarungen etwas zurück, lud aber den Autor eines der berühmtesten Bücher, in dem genau dieser Rassenkampf programmiert wurde, in der Zeit vor dem Abtauchen der Drei zu Lesungen ein.
Wenig überraschend kam Greger am Ende zu dem Schluss, dass Zschäpe als vollwertiges Mitglied der Vereinigung NSU in die Planung der Taten des NSU eingebunden war, während der Durchführung die „Stallwache“ in der „Kommandozentrale“ in der Frühlingsstraße hielt und an der Erstellung der Bekennervideos, das sie schließlich auch verbreitete, beteiligt war.
Im Anschluss behandelte Greger die durch den NSU verübten Morde, die drei Bombenanschläge in Nürnberg Köln sowie die Inbrandsetzung des Hauses in der Frühlingsstrasse in Zwickau. Hier blieb sie sehr ungenau, nahm praktisch keine Bewertung von Beweismitteln vor und verwies wenn nötig darauf, dass die Angeklagte Zschäpe die Begehung dieser Taten durch Böhnhardt und Mundlos ja auch eingeräumt hat.
Eine angemessene Auseinandersetzung mit den immer wieder, vor allem durch die Nebenklage, vorgebrachten Zweifeln an der These, dass es sich beim NSU um eine isolierte Dreiergruppe handelte, fand nicht statt. Stattdessen erfolgte, nachdem zunächst alle Zweifel hinsichtlich der Rolle des Zeugen und VS-Mitarbeiters Temme beiseite gewischt worden waren, ein frontaler und dreister Angriff auf die Nebenklage:
„Eine Existenz von rechten Hintermännern an den Tatorten, die einige Rechtsanwälte ihren Mandanten offensichtlich versprochen hatten, hat sich bislang weder in den seit sechs Jahren laufenden Ermittlungen und der Hinweisbearbeitung, noch in der 360-tägigen Beweisaufnahme, wo wieder jedem Hinweise darauf nachgegangen wurde […], noch in den breit angelegten Beweiserhebungen der zahlreichen Untersuchungsausschüsse bewahrheitet.“
Damit versucht die GBA nunmehr, die fundiert vorgetragenen Zweifel der Nebenklage an der These der isolierten Gruppe sowie die Fragen nach der Verstrickung des Inlandsgeheimdienstes auf eine wilde Theorie von wichtigtuerischen Rechtsanwälten auf Mandantenfang herunterzubrechen. Dies, nachdem sie während der Hauptverhandlung bereits ihre hauptsächliche Energie darauf verwandt hat, die Ablehnung von Beweisanträgen der Nebenklage zu beantragen und lügenden Nazizeugen zur Seite zu springen. Am heutigen Tag ist das Plädoyer der GBA endgültig zu einem Plädoyer um die Deutungshoheit des Prozesses, gegen die Aufklärung und damit gegen die Interessen der Opfer des NSU geworden.