Plädoyer der Bundesanwaltschaft, Tag 4: Zu Wohlleben und Schultze und zur Mordwaffe Ceska
Für heute war eigentlich das Ende des Plädoyers von Oberstaatsanwältin Greger erwartet worden – diese muss noch zu den fünfzehn brutalen Raubüberfällen des NSU vortragen. Dies wurde aber zunächst verschoben, stattdessen begann Gregers Kollege Weingarten heute sein Plädoyer zu den anderen vier Angeklagten Wohlleben, Schultze, Gerlach und Eminger. Er werde aber vor der Sommerpause nur noch Wohlleben und Schultze und die Beschaffung der Mordwaffe Ceska behandeln können, erst nach der Sommerpause dann Gerlach und Eminger. Er kündigte auch an, alle Angeklagten, unabhängig vom Grad ihrer Aktivität oder der ihrer Verteidiger im Verfahren oder der öffentlichen Aufmerksamkeit, die ihnen gelte, könnten sich derselben Aufmerksamkeit der Bundesanwaltschaft sicher sein – ein Signal an die Angeklagten Gerlach und Eminger.
Weingarten machte sich dann daran, die Beweisaufnahme zur Beschaffung der Ceska – Wohlleben und Schultze sind hierfür wegen Beihilfe zum neunfachen Mord angeklagt – darzustellen. Wo das Plädoyer von Greger letzte Woche bei der Beweiswürdigung doch sehr kursorisch war, setzte sich Weingarten heute bis ins kleinste Detail mit wesentlichen Zeugen und Beschuldigten und mit der Würdigung ihrer Aussagen auseinander. Er kam zu dem überzeugenden Ergebnis, dass lückenlos nachgewiesen ist, wie die Mordwaffe Ceska 83 von einem Schweizer Waffengeschäft über verschiedene Personen zum Szeneladen Medley und von dort über Wohlleben und Schultze zum NSU-Kerntrio gelangte, das mit ihr die neun rassistischen Morde der sog. Ceska-Serie beging.
Interessant war auch die Einschätzung Weingartens zum Angeklagten Schultze: dieser sei sichtlich bemüht, alle objektiven Ereignisse umfassend und so genau zu schildern, wie es ihm möglich sei. Bei der Beschreibung seiner subjektiven Motive, Einstellung usw. sei Schultze aber nicht in der Lage oder wahrscheinlicher nicht gewillt, nähere Angaben zu machen. Weingarten verwies auf das Beispiel des Angriffs auf eine Dönerbude, wo Schultze, nach dem Motiv gefragt, nicht etwa die auf der Hand liegenden rassistischen Motive benannte, sondern nur nach langem Zögern äußerte, bei einer Bratwurstbude hätte man das sicher nicht gemacht. Dies deckt sich in weitem Umfang mit unserer eigenen Einschätzung von Schultze, der zwar seine damaligen Einstellungen abgelegt hat, sich aber eben auch vollständig weigert, sie als seine vergangenen Einstellungen anzuerkennen.
Der zweite Punkt, an dem Weingarten Schultze nicht glaubt, ist dessen Behauptung, der Schalldämpfer sei nicht mitbestellt gewesen. Vielmehr, so wies er auch so in sehr ausführlicher Beweiswürdigung nach, war dieser von Anfang an mitbestellt und wurde genau wie bestellt auch geliefert. Dies belegt den Gehilfenvorsatz von Wohlleben und Schultze, die die neonazistischen Einstellungen des Kerntrios und ihre Gewaltbereitschaft kannten und teilten, da sich bei einer Schalldämpferwaffe das Ziel des Ermordens von Menschen als Ziel von selbst erschließt.
Beim Aspekt „Schalldämpferwaffe“ unternahm Weingarten dann den untauglichen Versuch, die Ermittlungsbehörden der damals noch sog. „Döner-Morde“ in Schutz zu nehmen: eine Pistole mit Schalldämpfer sei ja ein geradezu klischeehaftes Anzeichen für organisierte Allgemeinkriminalität, deswegen seien die Ermittlungen eben in diese Richtung gelaufen. Das reicht aber als Erklärung für die Ausrichtung der Ermittlungen gegen die Geschädigten bei weitem nicht aus: sonst hätte die Polizei auch andere Möglichkeiten in Erwägung gezogen, vor allem, als die jahrelangen Ermittlungen keinerlei Anzeichen für kriminelle Verbindungen der Ermordeten ergeben hatten, zudem ergeben hatten, dass sie nichts miteinander verband als die Eigenschaft als „Ausländer“, die den Hass von Neonazis auf sie lenken könnte. Sonst hätten die Behörden auch nicht jahrelang nach Motiven in Familie und Bekanntenkreis der Geschädigten gesucht – auch noch, nachdem bereits klar war, dass es sich um Serienmorde handelte. Dieser Versuch, den institutionellen Rassismus in den deutschen Polizeibehörden wegzuerklären, muss also scheitern.