Schlagwort-Archive: Probsteigasse

15.11.2017

Die Plädoyers der Nebenklage beginnen – und werden gleich durch ungerechtfertigte Beanstandungen der Verteidigung gestört.

Überwiegend war erwartet worden, dass die Verteidigung ihre Verzögerungstaktik mittels Befangenheits- und anderen Anträgen auch heute fortsetzen würde. Zunächst sah es auch genau danach aus, die Altverteidiger Zschäpe beanstandeten nochmals den Hinweis des Senats von letzter Woche als nicht ausreichend. Diese Gegenvorstellung wurde aber schnell abgelehnt. Für viele überraschend konnte daraufhin die Nebenklage mit dem ersten Plädoyer beginnen, das von der Nebenklage Probsteigasse, Rechtsanwältin Edith Lunnebach, gehalten wurde.

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04.06.2014

Die Bombe in der Probsteigasse – „Jetzt erst recht!“

Heute sagte die junge Frau aus, die als 19-Jährige durch die Bombe im Lebensmittelladen in der Kölner Probsteigasse schwer verletzt wurde. Ein Polizeibeamter, der sie nach dem Anschlag im Krankenhaus gesehen hatte, erzählte, sichtlich sehr berührt, er könne immer noch nicht in Worten beschreiben, wie sie ausgesehen habe. In seinem Leben als Kriminalbeamter habe er viel Leid und Elend gesehen, dieser Anblick habe alles überstiegen.

Die junge Frau wurde in ein künstliches Koma versetzt, wochenlang künstlich beatmet. Ihre Trommelfelle sind geschädigt. Zahlreiche weitere Operationen waren notwendig, um Holzsplitter, die durch die Explosion in den Kieferbereich eingedrungen waren, zu entfernen, die Narben im Gesicht sind bis heute sichtbar.

Die Zeugin selbst hinterließ einen bleibenden Eindruck. Eine aufrechte, klare Frau, sie hat nach ihrer Genesung die Schule und ein Studium und Ausbildung als Ärztin abgeschlossen. Mit klaren Worten schilderte sie präzise den Ablauf, ihre Verletzungen, aber auch ihre Wahrnehmungen von der Polizeiarbeit vor und nach der Selbstbekennung des NSU. Sie beschrieb, wie sie die Explosion selbst und alle Details ihrer Verletzung sowie des Transportes ins Krankenhaus mitbekommen hatte, die gesamte Zeit bei vollem Bewusstsein.

Erst deutlich später bekam sie etwas von der polizeilichen Ermittlung mit. Die Polizei schloss eine politische Motivation aus, die Familie hatte ja über Nazis nachgedacht, die Polizei ging dagegen von einer unmotivierten Tat eines Einzeltäters aus. Die Familie sei damals naiv gewesen und habe leider keine Anwälte eingeschaltet, deshalb auch keine Einsicht in die Ermittlungsakten erhalten. Sie sei geschockt darüber, wie sich aus heutiger Sicht die polizeiliche Arbeit darstellt.

Nach der Selbstbekennung des NSU wurde sie erneut polizeilich vernommen, äußerte Befürchtungen einer Bedrohung durch Nazis – die Antwort der Polizei beschränkte sich darauf, dafür gäbe es „keine Anhaltspunkte“. Daraufhin hatte sie kein Vertrauen mehr und beauftragte eine Rechtsanwältin.

Die Zeugin zeigte sich schockiert, durch diese Tat „zu wissen, es gibt Menschen, die dich wegen deiner Herkunft so angreifen, obwohl wir ja alle akademische Abschlüsse haben, und dann zu erleben, was denen der Erhalt der deutschen Nation wert ist“.

Auf die Frage, ob sie überlegt hätte, als Konsequenz des Bombenanschlages Deutschland zu verlassen, antwortete die Zeugin: „Als das Bekennervideo veröffentlicht wurde und klar wurde, dass ich wegen meiner Herkunft so angegriffen wurde, war natürlich die erste Frage, ‚was soll ich hier noch?‘ Ich bin ja ein Muster an Integration, und wenn man sogar Leute wie mich so bekämpft… Andererseits war das ja das, was die wollten, und ich dachte, ‚jetzt erst recht!‘“

03.06.2014

Beginn der Beweisaufnahme zum Bombenanschlag in der Kölner Probsteigasse

Am 19. Januar 2001 öffnete die Tochter des Inhabers eines iranischen Lebensmittelgeschäfts in der Kölner Probsteigasse eine Christstollendose, die in einem Einkaufskorb etwa einen Monat zuvor im Laden zurückgelassen worden war. Die Dose enthielt einen Sprengsatz, der so konstruiert war, dass er beim Öffnen detonierte. Die damals 19-jährige junge Frau wurde durch die nachfolgende Explosion schwer verletzt.

Am heutigen Verhandlungstag begann die Beweisaufnahme zu diesem Bombenanschlag. Ein Polizeibeamter beschrieb den völlig zerstörten Laden, anhand von Lichtbildern wurde deutlich, dass die Bombe in einem Umkreis von mindestens 7 Metern lebensgefährlich wirkte und darauf ausgerichtet sein musste, Menschen zu töten. Ein weiterer Polizeibeamter beschrieb die Konstruktion der Bombe als Sprengfalle, die zünden sollte, sobald die Dose geöffnet wurde. In der Christstollendose befand sich eine Gasdruckflasche, die mit Schwarzpulver gefüllt war. Der damalige Ermittlungsleiter beschrieb, dass (mal wieder) keinerlei Erkenntnisse zum Tatmotiv ermittelt wurden. Die absolute Planlosigkeit der damaligen Ermittler reproduzierte er mit der Formulierung: „Der Mann war Ausländer, das hätte von Rechts kommen können, das hätte auch von Links kommen können, der Mann war Iraner, das hätte auch von dieser Seite kommen können.“

In den nächsten Verhandlungstagen sollen die verletzte junge Frau und ihre Familie sowie weitere Ermittlungsbeamte befragt werden.