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02.10.2013

Ayse Yozgats Appell

Der heutige Verhandlungstag begann mit einer tief berührenden Erklärung der Mutter des ermordeten Halit Yozgat, Ayse Yozgat:

„Mein Appell richtet sich an Frau Zschäpe. Sie sind auch eine Dame. Ich spreche als Mutter von Halit Yozgat. Ich bitte Sie, dass Sie all diese Vorfälle aufklären. Weil Sie eine Frau sind, denke ich, dass sich Frauen untereinander verstehen. Seit sieben Jahren schlafe ich nur noch zwei Stunden. …

Ich bitte um Aufklärung. Befreien Sie mich bitte von diesen Gefühlen. Ich fühle mich sehr stark beeinträchtigt. Nicht dass Sie die Sünden von anderen auf sich nehmen. Denken sie bitte immer an mich, wenn sie sich ins Bett legen. Denken sie daran, dass ich nicht schlafen kann. Danke.“

Der weitere Verhandlungstag brachte vor allem Berichte der Ermittlungen durch Mitarbeiter des Bundeskriminalamtes, die die Angeklagte Zschäpe schwer belasten.

Demnach wurden in dem NSU-Bekennervideo Fotos verwendet, die unmittelbar nach den Morden an Enver Şimşek, Süleyman Taşköprü und Abdurrahim Özüdoğru gemacht wurden, und zwar bevor Polizei, SanitäterInnen oder andere Personen an den Tatorten eintrafen. Es ist also davon auszugehen, dass die Bilder von den Mördern gemacht und dann in das Video eingebaut wurden, das Zschäpe an verschiedene Adressen als Tatbekennung abschickte.

Zudem wurde im Brandschutt der Wohnung Frühlingstraße ein Kartenausschnitt von Nürnberg gefunden, in dem der Tatort Scharrerstraße eingezeichnet war. Auf einem aufgefundenen Zettel stand die Adresse des Tatorts in Kassel sowie wichtige Funkfrequenzen der Nordhessischen Polizei. Die NSU-Mörder waren also in der Lage, per Funkscanner den Polizeifunk abzuhören.

Besonders belastend für Zschäpe dürfte der Fund eines Mobiltelefons mit SIM-Karte im Brandschutt in der Frühlingsstraße sein. Mit diesem wurde wenige Stunden vor dem Mord an Theodoros Boulgarides in direkter Umgebung des Tatortes in München ein Telefonat mit einer Telefonzelle in Zwickau geführt. Das Telefon wurde nicht für Alltagsgespräche benutzt. Wenn Zschäpe einen Anruf zu einem ansonsten nicht benutzten Telefon gezielt von einer Telefonzelle aus durchführte, dann deswegen, um keine Spuren zu hinterlassen. Auch ein solches Verhalten spricht eindeutig für eine direkte Einbindung Zschäpes in die Morde. Schließlich wurden ihre Fingerabdrücke in der Frühlingsstraße an Zeitungsartikeln des „Kölner Express“ vom 11.06.2004 zum Sprengstoffanschlag in der Keupstraße sowie der Tageszeitung München vom 30.08.2001 zum Mord an Habil Kılıç gefunden.

Der Ehemann der Dortmunder Zeugin, die angegeben hat, im April 2006 Zschäpe gemeinsam mit Mundlos und Böhnhardt gegenüber ihres Hauses gesehen zu haben, konnte nicht erklären, warum seine Frau dieses Wissen erst in diesem Jahr einem Nebenklägervertreter offenbarte. Er erinnere sich daran, dass sie sich sicher gewesen sei, die drei erkannt zu haben. Letztlich hätten Beobachtungen und Vermutungen seiner Frau für ihn nicht ausgereicht, um an die Polizei oder die Öffentlichkeit zu gehen. „Es gab keine Indizien und keinen Nachweis. Ich hatte auch Angst, mich lächerlich zu machen.“ Diese Einschätzung mag heute sonderbar scheinen, die Aussage machte aber insgesamt einen authentischen Eindruck. Auf die Glaubhaftigkeit der Aussage seiner Frau hat sie indes keine Auswirkung.