Schlagwort-Archive: Süleyman Taşköprü

24.10.2013

U.a. zu den NSU-Videos

Heute wurden wieder mehrere unterschiedliche Tatkomplexe behandelt:

Zunächst wurden zwei Sachverständige zum Mord an Ismail Yasar gehört. Auch dieser Mord lief ganz ähnlich ab wie die davor: zuerst schossen die Mörder dem Opfer in den Kopf, nachdem er dann zu Boden ging, gaben sie drei weitere Schüsse auf ihn ab. Die Spurenlage spricht dafür, dass wieder ein Schalldämpfer verwendet wurde und eine Tüte über die Waffe gestülpt war.

Die nächste Zeugin, eine Polizeibeamtin aus Zwickau, hatte die Notrufe nach der Brandlegung in der Frühlingsstraße ausgewertet. Einen Notruf von Zschäpe konnte sie nicht feststellen. Deren Verteidigung hatte behauptet, Zschäpe habe versucht, Hilfe zu rufen, und bezog sich nun auf einen Datenbankeintrag zu einer nicht zustande gekommenen Verbindung. Hierzu werden wohl noch weitere ZeugInnen zu hören sein.

Dann ging es um die NSU-Bekennervideos: Ein Hamburger BKA-Beamter sagte aus, dass auch die Fotos vom Mord an Süleyman Taşköprü, die in dem Video benutzt werden, vor dem Eintreffen anderer Personen am Tatort, also von den Mördern, gemacht worden sein müssen.

Ein weiterer BKA-Beamter hatte die Zeitungsartikel, die in dem Video verwendet wurden, ausgewertet. Exemplare dieser Artikel wurden auch in der Frühlingsstraße gefunden. Zwar finden sich die Fingerabdrücke Zschäpes nur auf Artikeln, die nicht im Video verwendet wurden – da die Artikel aber zusammen aufbewahrt wurden, ist davon auszugehen, dass Zschäpe auch von diesen Artikeln wusste. Ebenfalls gefunden wurden zwei Vorgängerversionen des Videos, unterlegt mit Musik der Rechtsrock-Band „Noie Werte“ – deren Leadsänger Rechtsanwalt Steffen Hammer ist Rechtsanwalt und ehemaliger Kanzleikollege von Wohlleben-Verteidigerin Rechtsanwältin Schneiders. Diese Vorversionen wurden mit Datum von 2001 gespeichert und stellten jeweils die bis dahin begangenen Taten dar. Schon zu diesem Zeitpunkt wurde das NSU-Logo verwendet, die Organisation bestand also schon 2001. Mit dem Änderungsdatum 2007 war der sog. NSU-Brief abgespeichert, mit dem der NSU „Kameraden“ um Unterstützung im Kampf bat.

Die Vernehmung eines Sachverständigen zu den verwendeten Waffen, v.a. der Ceska-Pistole, wurde unterbrochen, damit Fotos, die der Sachverständigen gemacht hat, den Parteien zur Verfügung gestellt werden können.

Am Vorabend hatten mehrere Nebenklage-VertreterInnen eine Presseerklärung zum Thema institutioneller Rassismus abgegeben, nachdem der Münchener Chefermittler Wildling, inzwischen pensioniert, mit zwei beleidigenden Mails an ein Mitglied des bayerischen Untersuchungsausschusses einmal mehr die Geisteshaltung bewiesen hatte, die dazu geführt hat, dass die Polizei jahrelang auf dem rechten Auge blind ermittelt hat.

02.10.2013

Ayse Yozgats Appell

Der heutige Verhandlungstag begann mit einer tief berührenden Erklärung der Mutter des ermordeten Halit Yozgat, Ayse Yozgat:

„Mein Appell richtet sich an Frau Zschäpe. Sie sind auch eine Dame. Ich spreche als Mutter von Halit Yozgat. Ich bitte Sie, dass Sie all diese Vorfälle aufklären. Weil Sie eine Frau sind, denke ich, dass sich Frauen untereinander verstehen. Seit sieben Jahren schlafe ich nur noch zwei Stunden. …

Ich bitte um Aufklärung. Befreien Sie mich bitte von diesen Gefühlen. Ich fühle mich sehr stark beeinträchtigt. Nicht dass Sie die Sünden von anderen auf sich nehmen. Denken sie bitte immer an mich, wenn sie sich ins Bett legen. Denken sie daran, dass ich nicht schlafen kann. Danke.“

Der weitere Verhandlungstag brachte vor allem Berichte der Ermittlungen durch Mitarbeiter des Bundeskriminalamtes, die die Angeklagte Zschäpe schwer belasten.

Demnach wurden in dem NSU-Bekennervideo Fotos verwendet, die unmittelbar nach den Morden an Enver Şimşek, Süleyman Taşköprü und Abdurrahim Özüdoğru gemacht wurden, und zwar bevor Polizei, SanitäterInnen oder andere Personen an den Tatorten eintrafen. Es ist also davon auszugehen, dass die Bilder von den Mördern gemacht und dann in das Video eingebaut wurden, das Zschäpe an verschiedene Adressen als Tatbekennung abschickte.

Zudem wurde im Brandschutt der Wohnung Frühlingstraße ein Kartenausschnitt von Nürnberg gefunden, in dem der Tatort Scharrerstraße eingezeichnet war. Auf einem aufgefundenen Zettel stand die Adresse des Tatorts in Kassel sowie wichtige Funkfrequenzen der Nordhessischen Polizei. Die NSU-Mörder waren also in der Lage, per Funkscanner den Polizeifunk abzuhören.

Besonders belastend für Zschäpe dürfte der Fund eines Mobiltelefons mit SIM-Karte im Brandschutt in der Frühlingsstraße sein. Mit diesem wurde wenige Stunden vor dem Mord an Theodoros Boulgarides in direkter Umgebung des Tatortes in München ein Telefonat mit einer Telefonzelle in Zwickau geführt. Das Telefon wurde nicht für Alltagsgespräche benutzt. Wenn Zschäpe einen Anruf zu einem ansonsten nicht benutzten Telefon gezielt von einer Telefonzelle aus durchführte, dann deswegen, um keine Spuren zu hinterlassen. Auch ein solches Verhalten spricht eindeutig für eine direkte Einbindung Zschäpes in die Morde. Schließlich wurden ihre Fingerabdrücke in der Frühlingsstraße an Zeitungsartikeln des „Kölner Express“ vom 11.06.2004 zum Sprengstoffanschlag in der Keupstraße sowie der Tageszeitung München vom 30.08.2001 zum Mord an Habil Kılıç gefunden.

Der Ehemann der Dortmunder Zeugin, die angegeben hat, im April 2006 Zschäpe gemeinsam mit Mundlos und Böhnhardt gegenüber ihres Hauses gesehen zu haben, konnte nicht erklären, warum seine Frau dieses Wissen erst in diesem Jahr einem Nebenklägervertreter offenbarte. Er erinnere sich daran, dass sie sich sicher gewesen sei, die drei erkannt zu haben. Letztlich hätten Beobachtungen und Vermutungen seiner Frau für ihn nicht ausgereicht, um an die Polizei oder die Öffentlichkeit zu gehen. „Es gab keine Indizien und keinen Nachweis. Ich hatte auch Angst, mich lächerlich zu machen.“ Diese Einschätzung mag heute sonderbar scheinen, die Aussage machte aber insgesamt einen authentischen Eindruck. Auf die Glaubhaftigkeit der Aussage seiner Frau hat sie indes keine Auswirkung.