08.12.2015

Aussage Zschäpe erneut verschoben, diesmal auf morgen

Nachdem sich alle Beteiligten ursprünglich darauf eingestellt hatten, dass heute die Erklärung von Beate Zschäpe verlesen würde, wurde dies erneut verschoben, diesmal auf morgen.
Ihr Wahlverteidiger Rechtsanwalt Borchert hatte gestern mitgeteilt, seiner Mandantin gehe es nicht gut, sie habe eine Zellendurchsuchung und einen Nervenzusammenbruch erlitten, die Aussage sollte auf Mittwoch verschoben werden, er werde am Dienstag nicht erscheinen. Heute teilte Zschäpe auf Anfrage des Vorsitzenden mit, ihr gehe es gut. Die Aussage, so Rechtsanwalt Grasel, solle aber dennoch erst morgen erfolgen. Fragen möge das Gericht bitte schriftlich einreichen, sie würden dann schriftlich beantwortet werden. Im Übrigen würde die Belastung von Zschäpe durch das Verlesen ihrer Erklärung so groß sein, dass er anrege, die Hauptverhandlung für Donnerstag abzusetzen.

Es scheint, als habe das Gericht die Leitung der Verhandlung an Zschäpe abgegeben. Es ist natürlich nachvollziehbar, dass es alles Mögliche unternimmt und hinnimmt, um das Schweigen von Zschäpe zu beenden. Allerdings kann es nicht sein, dass diese nun auch die Bedingungen einer möglichen Befragung diktiert. Eine sinnvolle Befragung wird mit schriftlich einzureichenden Fragen allerdings nicht möglich sein, vor allem, weil eine Befragung ja ein kommunikativer Prozess ist, bei dem sich aus Fragen und Antworten weitere Fragen ergeben. Ein Fragenkatalog kann keine Befragung ersetzen. Insoweit muss das Gericht der Angeklagten nach Verlesung ihrer Erklärung deutlich machen, dass sie sich entscheiden muss: entweder sie hat weiteres mitzuteilen, dann muss sie selbst antworten, sich einer Echtzeitbefragung stellen. Oder sie muss weiterhin schweigen. Die Glaubwürdigkeit einer schriftlichen Erklärung und von schriftlichen Antworten ist ohnehin sehr beschränkt. Klar ist andererseits auch, dass auch die neuen Verteidiger Zschäpes die Kontrolle über ihre Aussagen behalten wollen.

Der Nebenklagevertreter RA Reinecke hat in seinem Blog einige grundsätzliche Überlegungen zu der erwarteten Erklärung Zschäpes und der Aussage Wohllebens dargestellt.

Die Verteidigung Wohlleben teilte derweil mit, Wohlleben werde auch aussagen, aber jedenfalls nicht diese Woche. Seine drei VerteidigerInnen hatten dazu vor kurzem eine Pressemitteilung herausgegeben, die u.a. mit dem Hinweis endete, Wohlleben sei „seinen Idealen und politischen Überzeugungen treu geblieben und wird dies auch in Zukunft bleiben“. Die Überschrift der Pressemitteilung, „Der Wahrheit eine Gasse“, hat viele Vorbilder bei Texten von historischen und Neo-Nationalsozialisten, wie NSU Watch berichtet.

Das Gericht vernahm heute einen Zeugen zu den von Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe verwendeten Bahncards. Die Bahncard für Böhnhardt war auf den Namen André Eminger, die für Zschäpe auf den Namen Susan Eminger angemeldet, die Kosten hierfür wurden in den Jahren 2010/2011 von Konten der Emingers abgebucht.

Sodann verlas das Gericht noch zwei Artikel aus dem Szene-Fanzine „White Supremacy“ unter den Autorennamen „Uwe Unwohl“ und „Uwe UmerZOGen“ – nach Meldungen von V-Leuten Pseudonyme von Uwe Mundlos. Schließlich wurden noch einige Dokumente zum V-Mann Tarif verlesen – über den Antrag der Nebenklage, den Zeugen zu vernehmen, hat das Gericht immer noch nicht entschieden (vgl. die Berichte vom 18.03.2014 und 20.10.2015).
Am morgigen Verhandlungstag wird nun, vor allem von der Presse, die Erklärung Zschäpes erwartet.