Plädoyer von RA Heer: Warum Beate Zschäpe kein verwertbares Geständnis ablegen kann
Das Gericht verlas zu Beginn des heutigen Verhandlungstages noch zwei Dokumente und nahm ein Propaganda-Video von der Festplatte des Ralf Wohlleben in Augenschein; Anträge der Verteidigung Wohlleben auf Ladung von Zeug_innen lehnte es erneut ab. Überraschenderweise reagierten die nicht wie üblich mit Unterbrechungs- und dann Befangenheitsanträgen, sondern gar nicht.
So konnte am späten Vormittag das Plädoyer der „Altverteidiger_innen“ Zschäpes beginnen. Rechtsanwalt Heer begann und kündigte an, man werde insgesamt mindestens die gesamte Prozesswoche für das Plädoyer brauchen. Bereits zu Beginn stellte Heer die Anträge der „Altverteidiger_innen“: Verurteilung nur für die Brandlegung in der Frühlingsstraße wegen einfacher Brandstiftung, ansonsten Freispruch, eine Freiheitsstrafe, die nicht über der Dauer der schon verbüßten Untersuchungshaft liegt, und sofortige Aufhebung des Haftbefehls.
Im Weiteren begann Heer zunächst, langatmig all die behaupteten Verstöße gegen Verfahrensvorschriften vorzutragen, die bereits während der Verhandlung durch Verwertungswidersprüche und Einstellungsanträge geltend gemacht wurden: die Vorverurteilung durch die Medien, die Öffentlichkeit und Politiker, die trickreiche Vernehmung Zschäpes auf der Fahrt zu Ihrer Oma durch einen hochrangigen BKA-Beamten und einiges mehr.
Dieses Vorbringen ist an sich durchaus berechtigt und zeigt den alltäglichen Umgang von Polizei und Justiz, die den in der Strafprozessordnung verankerten Beschuldigtenrechten in der Regel keine besondere Bedeutung zumessen. Nach dem eindeutigen Verlauf der Beweisaufnahme werden diese Mängel allerdings Zschäpe nicht viel bringen, der Vortrag beeindruckte weder das Gericht noch Zschäpe selbst, die versteinert vor sich hinschaute, noch die übrigen Zuhörer_innen.
Das Hauptproblem der Altverteidiger_innen Zschäpes, wie sie es vor sich und der Welt rechtfertigen, ein Plädoyer gegen den erkennbaren Willen ihrer Mandantin und gegen deren eigene Aussagen zu halten, löste Heer auf etwas abstruse Weise: weder die frühen Aussagen Zschäpes nach ihrer Selbststellung und auf der Ausfahrt zu ihrer Oma noch die durch ihre Wahlanwälte vorgetragenen Erklärungen in der Hauptverhandlung könnten zu ihrer Verurteilung verwertet werden, weil die Wahlverteidiger Borchert und Grasl die Beweisaufnahme nicht ausreichend erlebt hatten, weil Zschäpe selbst nicht in der Lage gewesen sei, diese zu analysieren, und weil Zschäpes Einlassungen selbst auf Grund von Täuschung zustande gekommen seien. Die Öffentlichkeit und das Gericht hätten Zschäpe vorgegaukelt, dass sie aussagen müsse, dass ihre ursprünglichen Verteidiger die falsche Strategie hätten, dass sie nunmehr mit den Rechtsanwälten Borchert und Grasl eine neue Strategie fahren müsste. Das Gericht habe planvoll einen Keil zwischen Zschäpe und ihre Altverteidiger getrieben.
Im Laufe des Plädoyers Heers wurde deutlich, dass er hier viel stärker sein eigenes Verteidigerverhalten als die Rechtsposition seiner Mandantin verteidigte. Heer selbst fühlt sich angegriffen, weil das BKA seine Mandantin in Gespräche verstrickt hat, obwohl er dies in einem Schreiben „untersagt“ hatte, dass das Gericht seinen Anträgen nicht nachgekommen ist, dass Zschäpe glaubte, von den neuen Rechtsanwälten mit einer irrwitzigen Einlassung besser verteidigt zu werden als vorher durch Heers besserwisserische StPO-Exegesen.
Heer schien nicht klar zu sein, dass er seine Mandantin mit seiner Argumentation vollständig entmündigt, ihr abspricht, die Entscheidung fällen zu können, eine in Teilen geständnisgleiche Einlassung abzugeben. Er verkennt offensichtlich, dass die Autonomie und Freiheit einer Angeklagten auch ihr Recht auf unvernünftiges Verhalten umfasst. Selbstzweifel, beispielsweise dahingehend, dass er und seine Kolleg_innen einfach nicht in der Lage waren, Zschäpe zu erklären, warum Schweigen für sie die beste Option ist, sind in seinem Plädoyer bislang nicht zu spüren.