17.09.2013

Ablehnungsgesuche von Zschäpe und Wohlleben

Eigentlich sollte es heute um den Mord an Mehmet Turgut gehen, der am 25. Februar 2004 in einer Dönerbude in Rostock erschossen worden war. Stattdessen beschäftigten sich die Prozessbeteiligten mit Ablehnungsgesuchen von Beate Zschäpe, denen sich auch der Angeklagte Wohlleben anschloss, gegen sämtliche Mitglieder des Senats. Im Einzelnen ging es um Folgendes:

Zum einen hatte Verteidiger Rechtsanwalt Stahl einen Vorschuss von € 77.000 auf die Pauschvergütung für das Ermittlungsverfahren beantragt. Der für Kostenfragen zuständige Richter Kuchenbauer hatte €  5.000 bewilligt. (Die beiden weiteren VerteidigerInnen von Zschäpe, Sturm und Heer, hatten bislang noch gar keine Vorschussanträge gestellt). Damit, so die Verteidigung Zschäpes, solle die Verteidigung „kurz gehalten“ werden. Rechtsanwalt Stahl selbst war zu der Verhandlung heute erst gar nicht erschienen.

Richter Kuchenbauer hatte allerdings in dem Beschluss mit dem er 5.000 Euro Vorschuss festgesetzt hatte festgestellt, dass „Probleme des Tatnachweises“ die Verteidigung besonders aufwendig machen. Aus dieser Formulierung will die Zschäpe-Verteidigung nun eine Vorverurteilung ihrer Mandantin herauslesen. Tatsächlich dürfte es sich um eine sehr unglückliche Formulierung für „Schwierigkeiten bei der Tatsachenfeststellung“ handeln – ein Patzer, der einem OLG-Richter allerdings nicht unterlaufen sollte.

Zunächst blieb unklar, warum die Ablehnung alle Richter des Senates traf: Der Beschluss war von Richter Kuchenbauer als Einzelrichter erfolgt, dementsprechend gaben die übrigen RichterInnen in ihren dienstlichen Äußerungen auch an, daran gar nicht mitgewirkt zu haben. Die Verteidigung behauptete allerdings, Kuchenbauer habe in einem Telefonat mit Verteidiger Stahl angekündigt, den Beschluss noch mit dem restlichen Senat zu besprechen. Deswegen lehnte auch die Verteidigung Zschäpe für ihre Mandantin erneut alle Richter ab mit der Begründung, diese hätten in ihren dienstlichen Äußerungen die Unwahrheit gesagt.

Bundesanwaltschaft und Nebenklage hatten beantragt, dass das Gericht bis zur Entscheidung über die Gesuche die Hauptverhandlung weiterführt. Diese Option sieht die Strafprozessordnung ausdrücklich vor, um Verzögerungen zu vermeiden – immerhin warteten fünf Zeugen zum Mordfall Turgut vor dem Saal, dessen Angehörige im Saal, weitere ZeugInnen, darunter zwei Nebenklägerinnen, sollten in den nächsten Tagen gehört werden. Der Vorsitzende Richter Götzl unterbrach stattdessen die Hauptverhandlung und sagte den Prozesstermin am Mittwoch ab, der Prozess wird nun am Donnerstag fortgesetzt. Sollte bis dahin der für die Ablehnungsgesuche zuständige Senat des Oberlandesgerichts noch nicht entscheiden haben, wird sich Götzl entscheiden müssen, ob er dann eine Fortsetzung der Hauptverhandlung anordnet – ansonsten werden die Beteiligten und ZeugInnen erneut unverrichteter Dinge nach Hause geschickt werden müssen.

Insgesamt ist der Verlauf des Sitzungstages aus Sicht der Nebenklage äußerst unbefriedigend. Dies gilt umso mehr, als die Befangenheitsgesuche inhaltlich schwach sind. Sicherlich ist eine Pauschvergütung von € 5.000 für das Ermittlungsverfahren in einem Verfahren dieser Größenordnung ungenügend. Gegen einen solchen fehlerhaften Beschluss muss aber anders vorgegangen werden – zumal es sich hier nur um die Frage des Vorschusses handelte und zumal die viel wichtigere Frage der Vergütung in der Hauptverhandlung derzeit noch verhandelt wird. Die Behauptung, ein solcher Beschluss würde darauf zielen, die Verteidigung unzulässig einzuschränken, ist offensichtlich überzogen.

Auch aus den Formulierungen in dem Beschluss Kuchenbauers wird sich eine Befangenheit nicht herleiten lassen, mag auch die Formulierung isoliert betrachtet unglücklich sein: aus dem Zusammenhang ergibt sich, dass hier eben die Schwierigkeit des Verfahrens in tatsächlicher Hinsicht gemeint war.

Es stellt sich die Frage, was die Verteidigung mit ihrem Vorgehen bezweckt. Die Verteidigung Zschäpe konstruiert sich hier eine Opferrolle, die kaschieren soll, dass ihre Verteidigungsstrategie nicht aufgeht. Eine inhaltliche und prozessuale Konfrontation mit dem Gericht hat die Verteidigung Zschäpe bislang vermieden, dies scheint nicht ihrem Selbstbild und ihrem Erfahrungsschatz zu entsprechen. Konfrontationen wurden bislang nur anhand von relativ nebensächlichen Streitpunkten entwickelt. Mit den jetzigen Befangenheitsgesuchen such die Verteidigung Zschäpe die Konfrontation nur um eigene Interessen, hier das Honorar, und damit erneut nicht um Kernfragen der Verteidigung.

Insoweit muss sich die Verteidigung Zschäpe auch die Frage gefallen lassen, wie es zusammenpasst, dass sie einerseits die Beiordnung von drei VerteidigerInnen für unbedingt notwendig hält, aber andererseits RA Stahl mit Verweis auf die Bezahlung diese Woche einfach nicht am Prozess teilnimmt.

Noch wichtiger ist aber aus Sicht der Nebenklage, wie der Senat auf solche Gesuche reagiert – erneut hat er der Verteidigung gestattet, durch unbegründete Ablehnungsgesuche eine ganze Sitzungswoche zu zerschießen, erneut sind, so ist zu befürchten, NebenklägerInnen umsonst nach München gereist. Dabei hätte der Senat ohne weiteres bis jedenfalls Mittwochabend verhandeln können.