V-Mann Brandt: den Verfassungsschutz haben Straftaten der Naziszene nicht interessiert
Zunächst wurden heute ein Polizeibeamter und ein Richter aus Zwickau befragt, die die alte Frau vernommen hatten, die nur durch Zufall unverletzt aus dem brennenden Haus in der Frühlingsstraße geholt wurde.
Die Verteidigung Zschäpe versuchte mit großem Aufwand, die richterliche Vernehmung als fehlerhaft darzustellen, obwohl sich aus dieser lediglich ergibt, dass die alte Dame nicht mehr aussagefähig war. Dem Vernehmungsbeamten, der die Frau kurz nach der Tat vernommen hatte, versuchten die Zschäpe-Verteidiger eine Bestätigung zu entlocken, dass Zschäpe beim Verlassen des Hauses noch kurz bei der alten Dame geklingelt hatte. Juristisch könnte eine solche Feststellung allerdings nur ergeben, dass Zschäpe davon ausging, dass die alte Frau zu Hause war – und damit in dem Bewusstsein handelte, dass die alte Frau sterben könnte. Ein strafbefreiender Rücktritt kann aus einem einfachen Klingeln an der Haustür jedenfalls nicht abgeleitet werden.
Die Vernehmung des Zeugen Tino Brandt wird planmäßig morgen fortgesetzt. Wir werden morgen zusammenfassend berichten. Berichtenswert sind allerdings bereits zwei Aussagen des langjährigen V-Mannes Brandt, die deutlich machen, wie der Verfassungsschutz in Deutschland arbeitet, wenn es um Nazis geht.
Zu seiner „Nachrichtenehrlichkeit“ gab Brandt an, er habe sich in den Gesprächen mit dem LfV nicht weiter zu Straftaten geäußert. Den Verfassungsschutz habe das auch nicht interessiert, für den sei die Aufklärung von „Diskoschlägereien“ nicht interessant gewesen und habe nie nach Straftaten der Naziszene gefragt.
Außerdem habe er bereits in den frühen 1990ern einen „Führungskameraden“ aus der militanten Neonazi-Szene gehabt, dem er beispielsweise das Anwerbegespräch mit dem Thüringer LfV melden musste. Sein Führungskamerad sei Kai Dalek gewesen, von dem heute bekannt ist, dass er selbst V-Mann des Landesamtes Bayern war. Dalek sei Teil des bundesweiten Netzwerkes „Gesinnungsgemeinschaft der neuen Front“ (GdnF) unter Führung des Hamburger Neonazis Christian Worch gewesen und innerhalb der GdnF für die „Führung“ der Thüringer Szene zuständig gewesen.
Die deutschen Verfassungsschutzämter haben mehr als ein Jahrzehnt lang behauptet, es gäbe keinerlei bundesweite Organisation der militanten Neonaziszene, die im Hintergrund der verschiedenen Parteien die Aktivitäten koordiniert habe. Antifaschistische Gruppen hatten immer wieder auf die Bedeutung der GdnF hingewiesen. Die Vernehmung heute bewies erneut, dass sie hiermit Recht hatten – selbst Gruppen wie Blood and Honour wurden aus diesem im Hintergrund wirkenden Netzwerk heraus beeinflusst und gesteuert.