Archiv für den Monat: November 2014

06.11.2014

Blood and Honor und Combat 18 in Dortmund

Die Nebenklage stellte heute wichtige Beweisanträge zur möglichen Tatbeteiligung der Dortmunder Naziszene unter anderem am Mord an Mehmet Kubaşik. Zum Zeitpunkt der NSU-Morde existierte in Dortmund eine gut organisierte, militante Naziszene. Um die Band Oidoxie trat unter dem Namen „Streetfighting Crew“ eine fest organisierte Gruppe auf. Um diese Gruppe wurde auch eine „Combat 18“-Gruppe aufgebaut, die aus der Ideologie von Blood and Honour den bewaffneten Kampf als Ziel anstrebte. Die Gruppen waren fest eingebunden in das bundesweite und internationale Blood and Honour-Netzwerk und hätten über diese Verbindung, beispielsweise aus Belgien, Waffen beziehen können.

Als Zeuge gehört werden soll unter anderen der Neonazi und V-Mann des Verfassungsschutzes Sebastian Seemann. Dieser wurde bereits am 13. Dezember 2011 vernommen und machte Angaben über den Aufbau einer Combat-18-Zelle in Dortmund durch den Sänger der Band Oidoxie. Zu einer Zeit, als in der Öffentlichkeit noch nicht über die „Turner Tagebücher“ diskutiert wurde, wies der Zeuge Seemann darauf hin, dass die „Mordserie an den türkischen und dem griechischen Einzelhändlern“ der Beschreibung von Anschlägen aus den Turner Tagebüchern entspricht. Außerdem machte der Zeuge Seemann konkrete Angaben über die mögliche Herkunft der beiden Mordwaffen, nämlich der umgebauten Bruni, die in 9 der NSU-Morde zum Einsatz kam und der TT33 (Mordfall Heilbronn),und bat darum, Bilder dieser Waffen vorgelegt zu bekommen, um seine Angaben konkretisieren zu können.

Seemann nahm zusammen mit seinem guten Freund Michael Berger, der am 16. Juni 2000 drei Polizisten in Dortmund erschoss, an Schießübungen teil .Der Zeuge Robin Schmiemann, der zwischenzeitlich Briefkontakt zu Beate Zschäpe hatte, gab an, dass ihn der Zeuge Seemann zu einem Raubüberfall am 2. Februar 2007 angestiftet und ihm dafür die Waffe besorgt habe. Mit dieser Waffe schoss Schmiemann auf einen tunesischen Kunden im Laden.

Über die gestellten Beweisanträge soll auch überprüft werden, inwieweit Seemann bereits 1997 Kontakt zu einzelnen Angeklagten bzw. zum NSU hatte. Der Aufbau einer „Combat 18“ Zelle in Dortmund mit Zugang zu Waffen im Jahr 2006 ist ein Indiz dafür, dass es Verbindungen zwischen dem NSU und militanten Neonazizellen in Dortmund gegeben hat, über die Informationen über Dortmund als möglichen Tatort des NSU geflossen sind. Bis heute ist nicht nachvollziehbar, wie die NSU-Mörder den Tatort in Dortmund ausspioniert haben. Unterlagen, aus denen sich eine sorgfältige Ausspähung des Tatortes ergäben, wurden nicht gefunden.

Als weiterer Zeuge soll der Sänger und Anführer der 1995 gegründeten Dortmunder Neonaziband „Oidoxie“ gehört werden.Die Band „Oidoxie“ gehörte zum „Blood and Honour“-sowie zum “Combat 18“-Netzwerk, also der Organisation, die nach dem bisherigen Ergebnis der Beweisaufnahme das Trio unmittelbar nach deren Untertauchen in Sachsen unterstützt hat. Es ist daher davon auszugehen, dass dasselbe Netzwerk zumindest Teil eines Unterstützerumfeldes gewesen ist, welches die Täter bei den Morden vor Ort –in diesem Fall in Dortmund -unterstützt hat.

Es ist unklar, ob der Senat diesen Anträgen, sowie den weiteren Anträgen, die insbesondere auf Beiziehungen von Akten zu den genannten Personengruppen gerichtet sind, nachkommen wird – eine solche Beweisaufnahme wäre eine endgültige Absage an die in der Anklage vertretene These, der NSU sei eine isolierte Gruppe gewesen und habe nur aus drei Personen und wenigen Unterstützern bestanden. Der Senat würde sich damit noch klarer ,als bislang ohnehin schon geschehen, gegen die Bundesanwaltschaft positionieren. Allerdings drängt sich diese Beweisaufnahme durchaus auf und der Senat hat inzwischen mehrfach ein tiefergehendes Interesse an den Verbindungen zwischen dem NSU und militanten Naziorganisationen wie Blood and Honour entwickelt.

Ein Dortmunder Polizeibeamter, der in der Nacht nach der Tat in Dortmund einen telefonischen Hinweis notiert hatte, konnte sich zwar an nichts erinnern, war aber sicher, dass alles was er damals notiert hat richtig war.

Die Fortsetzung der Vernehmung des ehemaligen Mitglieds des THS und Gewährsperson des Thüringer Verfassungsschutzes Andreas Rachhausen (vgl. blog vom 23.07.2014) brachte in der Sache keinen Fortschritt. Rachhausen war laut des damaligen Leiters des polizeilichen Staatsschutzes in Saalfeld-Rudolstadt „einer der gefährlichsten Rechtsextremisten zu der damaligen Zeit“. In seinen Vernehmungen spielte Rachhausen seine Aktivitäten herunter. Er hatte sich selbst über einen längeren Zeitraum einem Haftbefehl entzogen und war in Belgien, USA und Dänemark untergetaucht. Festgenommen wurde er schließlich 1994 bei dem auf der Flucht vor der deutschen Justiz nach Dänemark verzogenen Holocaustleugner Thies Christophersen, dem er, so seine Aussage, beim Versandt von Zeitungen half. Die Thüringer Naziszene war bereits zu diesem Zeitpunkt bundesweit und international vernetzt und verfügte über einige Erfahrung im „Untertauchen“ auf der Flucht vor der Polizei. Das Trio konnte sich im Thüringer Heimatschutz diese Erfahrung aneignen.

05.11.2014

Und noch mal zum Lieferweg der Ceska

Der Schweizer Hans-Ulrich Müller, der nach dem bisherigen Stand der Beweisaufnahme die Mordceska gekauft und nach Deutschland weiterverkauft hat, hatte am Rande seiner Vernehmung in der Schweiz gegenüber einem Nebenklägervertreter behauptet, seine Exfreundin S.I. und ein entfernter Bekannter aus Apolda, Dieter S., wären die wirklichen Ceska-Verkäufer (vgl. Blog vom 22.10.2014).

Sollte diese Behauptung Müllers nur von ihm selbst und seinem Freund Theile ablenken, so ist ihm das teilweise gelungen. Immerhin wurde heute ein inzwischen pensionierter schweizer Ermittlungsrichter und der angebliche Partner seiner Exfreundin vernommen. Müller wurde erneut vom OLG zur Vernehmung nach München geladen. Für diese Vernehmung ist ihm “freies Geleit” zugesichert worden, er muss also in Deutschland keine Strafverfolgung wegen des Ceska-Verkaufes befürchten. Es ist allerdings davon auszugehen, dass Müller sich der Vernehmung in Deutschland nicht stellen wird. Der Zeuge KHK K. vom BKA hatte in den letzten Wochen mehrfach mit Müller telefonisch wegen seiner Aussagen vor Gericht in München Kontakt und berichtete, Müller hätte anfänglich zugesagt in München auszusagen, später er aber knapp mitgeteilt, doch nicht kommen zu wollen. Möglicherweise war ihm bewusst dass eine Falschaussage vor Gericht ist von dieser Zusicherung nicht umfasst ist.

Der ebenfalls heute gehörte ehemalige schweizerische Richter J. S. konnte sich trotz zahlreicher Vorhalte an seine Vernehmung des Schweizer Beschuldigten, der Müller seine Waffenerwerbsscheine zur Verfügung gestellt hatte, nicht erinnern.

Dieter S., der angebliche Partner von Müllers Exfreundin, ein inzwischen 70 jähriger Mann, der in den 90er Jahren neben einem Eiscafé auch dubiose Geschäfte betrieben haben muss, – immerhin gab er an “russische Männer” zur Bewachung einer Villa angestellt zu haben -, erzählte zwar viel, aber leider kaum etwas, was man verwerten kann. Immerhin wurde deutlich, dass er in den 90er Jahren gut verdient haben muss, das meiste wieder verloren hat und irgendwann dazwischen mit Müllers Exfreundin eine Liaison hatte. Mit Waffen will er nie etwas zu tun gehabt haben, Vorhalte aus gegen ihn geführten Strafverfahren wegen des Verstoßes gegen das Waffengesetz, die allerdings nicht zu Verurteilungen geführt haben, konterte er mit Empörung und Beschimpfungen der ihn belastenden Zeugen. Obwohl der Zeuge nicht besonders glaubwürdig war, hat seine Vernehmung nicht dazu geführt, das Ablenkungsmanöver Müllers zu stärken.