Abwiegeln und Lavieren. Und: Verhandlungstag morgen fällt aus.
Heute war ein weiterer Verhandlungstag ohne besonders spannende Ereignisse, der aber erneut aufzeigte, dass der Fokus des Prozesses viel zu eng ist:
Auf der einen Seite blieb die Bundesanwaltschaft ihrer Linie treu, jede auch nur mögliche Aufklärung in Richtung Geheimdienste und Netzwerk um den NSU zu verhindern: Nach Presseberichten zu einem V-Mann des hessischen Verfassungsschutzes, der 1999 von einer Organisation „Nationalsozialistische Untergrundskämpfer“ berichtet habe, beantragten heute die Anwält_innen der Familie Yozgat, dies durch Vernehmung des (noch zu ermittelnden) V-Mann-Führers und Beiziehung der Akten weiter aufzuklären – dass es sich hier jedenfalls möglicherweise um den späteren „Nationalsozialistischen Untergrund“ handeln könnte, liegt auf der Hand, die Bedeutung der Aussage für den Prozess auch. Anders sah dies Oberstaatsanwalt Weingarten: für ihn schien es selbstverständlich, dass die weitgehende Namensgleichheit natürlich nur Zufall sein konnte und dass V-Mann-Berichte über den NSU aus 1999 ja sowieso keine Bedeutung für den Prozess haben könnten. Die mangelnde Überzeugungskraft seiner Stellungnahme versuchte er mit umso größerer Überheblichkeit gegenüber den Antragsteller_innen wettzumachen. Das Gericht hat über den Antrag noch nicht entschieden, angesichts seines in den letzten Monaten immer wieder gezeigten Unwillens zu weiterer Aufklärung steht indes zu befürchten, dass es auch diesen Antrag ablehnen wird.
Auf der anderen Seite beschäftigte sich das Gericht mit den immer abwegigeren Versuchen von Zschäpe-Verteidiger Grasel, die Lücken und Widersprüche in der windigen Einlassung Zschäpes zu stopfen: Dieses Mal ging es um eine Wohnung der drei Untergetauchten in Chemnitz, in der Böhnhardt die Bombe für den Anschlag auf die Probsteigasse gebaut hatte. Zschäpe hatte behauptet, davon habe sie nichts mitbekommen, da habe ja jeder ein eigenes Zimmer gehabt. Nebenklagevertreter Reinecke hatte darauf hingewiesen, dass eines der drei Zimmer in der Wohnung ein Durchgangszimmer war, also nur zwei Zimmer als persönliche Zimmer dienen konnten. Zschäpes – bzw. Grasels – Erklärung dazu: man habe eine Trennwand in eines der Zimmer eingebaut. Reinecke wies wiederum darauf hin, dass im Abnahmeprotokoll der Wohnung nichts von einer Trennwand oder Resten davon vermerkt war. Zschäpes – bzw. Grasels – Reaktion: erst Schweigen, dann heute die Behauptung, es habe sich um eine „leichte Trennwand“ gehandelt. Um dies zu überprüfen, war heute u.a. die Mitarbeiterin der Immobilienfirma geladen, die die Wohnung abgenommen hatte. Die konnte sich anderthalb Jahrzehnte später an nichts mehr erinnern, bestätigte aber die Angaben im Abnahmeprotokoll. Zudem überrreichte Grasel heute eine Skizze der Wohnung, in die – erkennbar per Computer, also wiederum nicht von Zschäpe selbst – die angebliche Trennwand eingezeichnet worden war. Diese hätte aus einem 9 qm-Zimmer zwei 4,5 qm-Zimmer gemacht, Zschäpes Zimmer hätte zudem weder Tageslicht noch eine Heizung gehabt. Das beharrliche Bohren der Nebenklage, die die wenigen überprüfbaren Angaben Zschäpes in der Einlassung immer wieder überprüft hat, war hier also erneut erfolgreich und konnte aufzeigen, dass auf Zschäpes Einlassung nichts zu geben ist.
Über den Befangenheitsantrag von letzter Woche war noch nicht entschieden, so dass das Gericht gar keine andere Möglichkeit hatte, als den Tag morgen abzusetzen. Weiter geht es am nächsten Dienstag, ein bestimmtes Programm für die nächste Woche gibt es nicht.