14.12.2017

Plädoyers der Nebenklage, v.a. zur Einlassung Zschäpes und zu André und Susan Eminger.

Heute setzte Rechtsanwalt Eberhard Reinecke das gestern von seinem Kollegen Schön begonnene Plädoyer zum Nagelbombenanschlag in der Keupstraße fort. Leider konnte sein Plädoyer heute nicht beendet werden, da der Angeklagte Wohlleben angab, an Kopfschmerzen zu leiden.

Reinecke wandte sich zunächst den Verfahren gegen die Unterstützer des NSU zu und äußerte die Befürchtung, dass aus diesen nichts folgen wird. Insbesondere wandte er sich den zahlreichen lügenden Szene-Zeugen zu und zeigte an mehreren Beispielen, warum es leicht wäre, diesen konkrete Falschaussagen nachzuweisen. Mit Blick auf die zahlreichen offenen Fragen appellierte Eberhard Reinecke, wie zuvor Edith Lunnebach, an den Senat, „unbequem“ zu sein und insbesondere im Urteil auch auszusprechen, was alles nicht aufgeklärt wurde. 

Eberhard Reinecke wandte sich dann unter der Überschrift „Teilschweigen und mangelnde Authentizität“ sehr ausführlich dem Aussageverhalten der Angeklagten Zschäpe zu. Er zeigte zum einen auf, warum diese Aussage, bei der Fragen nur schriftlich beantwortet wurden und die Fragen der Nebenklage gar nicht, schon aus rechtlichen Gründen sehr wenig wert ist. Zum anderen stellte er, wiederum sehr genau an Beispielen orientiert, dar, warum die von den Zschäpe-Verteidigern Borchert und Grasel verlesene Einlassung auch inhaltlich unauthentisch, unglaubhaft, in sich widersprüchlich und, soweit anhand von Fakten überprüfbar, mehrfach widerlegt ist.

Bezeichnenderweise war es erneut nicht die feingliedrige Widerlegung der Einlassung Zschäpes, sondern eine Kritik an der Generalbundesanwaltschaft, die Zschäpe-Verteidiger Heer und Stahl auf den Plan brachte: Reinecke hatte in der Asservatenauswertung zum Zeitungsarchiv des NSU mehrere Hinweise auf einen Vermerk zu Ansätzen für die Ermittlung weiterer Unterstützer gefunden. Der Vermerk selbst fand sich aber nirgendwo in der Akte, ebenso wenig Hinweise darauf, dass dem nachgegangen worden wäre. Dabei dürften etwa zu den Münchener Mordfällen Artikel sowohl aus der Münchener Lokal- als auch aus der bundesweiten Ausgabe derselben Zeitung vorliegen, was erneut für einen Unterstützer in München spricht, der die Zeitung kaufte. In einem anderen Fall fand sich ein Artikel, von dem der Autor, nicht aber das Datum bekannt ist – die Ermittlungen das BKA endeten mit der Feststellung, das Datum sei nicht zu ermitteln. Dem widersprach Reinecke: man müsse doch nur den Autor anrufen, so wie er das getan habe, dann bekomme man schnell eine Antwort. Hier folgte der übliche Protest von Heer und Stahl, das sei doch gar nicht eingeführt worden – dabei hatte der Senat schon mehrfach deutlich gemacht, dass dies zulässig ist, wenn es um eine Kritik am Umfang der Ermittlungen geht. Auch Reinecke beantwortete die Beanstandung mit klaren Worten:

„Das ist hart an der Grenze zum Parteiverrat, was Sie hier machen. Denn wenn es mir gelingen würde, dass das Gericht etwas im Urteil verwerten würde, was nicht eingeführt ist, dann hätten Sie doch für Ihre Revision mehr gewonnen als mit den ganzen beknackten Befangenheitsanträgen, die Sie in den letzten Jahren gestellt haben.“ 

Wegen des Worts „beknackt“ rief ihn der Vorsitzende zur Ordnung, eine amüsierte Reaktion konnte auch er sich nicht ganz verkneifen. Und so stellte das Gericht in seinem ausführlich begründeten Beschluss erneut dar, warum die Ausführungen Reineckes natürlich zulässig waren.

Eberhard Reinecke stellte dann im Einzelnen dar, dass Zschäpes Einlassung vor allem dann unglaubhaft ist, wenn sie versucht, ihre engsten Vertrauten André und Susan Eminger in Schutz zu nehmen.

Eberhard Reinecke wird sein Plädoyer nächste Woche fortsetzen. Zum Ende des heutigen Tages wurde noch kurz das Plädoyer von Rechtsanwalt Kaplan „dazwischengeschoben“. Kaplan vertritt einen Geschädigten aus der Keupstraße. Er stellte fest, dass die Angeklagten der angeklagten Taten schuldig seien, beschränkte sich ansonsten auf Ausführungen dazu, warum seiner Meinung nach Fragen nach institutionellem Rassismus und der Rolle des Verfassungsschutzes beantwortet werden müssten, aber nicht in ein Strafverfahren gehörten. Eine Auseinandersetzung mit den von uns und anderen vorgebrachten Argumenten, warum diese Fragen gerade auch in das Münchener Verfahren gehören, fand dabei aber nicht statt.

Mit Blick auf die Plädoyers der Verteidigung, die voraussichtlich Mitte Januar beginnen werden, teilten Rechtsanwälte Heer und Stahl mit, sie müssten auf jeden Fall nach Zschäpes Neuverteidigerin Borchert und Grasel plädieren und bräuchten nach deren Plädoyer eine „längere Unterbrechung“. Man darf gespannt sein, wie die beiden Hälften der Verteidigung sich im Plädoyer zueinander verhalten werden.