24.04.2018

Das Plädoyer der Verteidigung Zschäpe beginnt endlich – und ist noch absurder als befürchtet

Heute Morgen wurde zunächst ein Zeuge vernommen, den der Eminger-Verteidiger Sprafke selbst geladen hatte. Er sollte aussagen, dass er am Vormittag des 4.11.2011 mit Eminger in einem Lokal in Zwickau gefrühstückt habe. So sollte wohl die auf Funkzellenauswertung gestützte Beweiswürdigung der Bundesanwaltschaft widerlegt werden, wonach Eminger in dieser Zeit mit Zschäpe Nachforschungen über den Verbleib der beiden Uwes angestellt hatte. Anders als in der Presse zum Teil behauptet, wäre Eminger damit auch kein „Alibi“ gegeben worden, denn sein Handeln am 4.11.2011 wird ihm ja nicht als Tathandlung vorgeworfen, sondern ist nur eines unter vielen Indizien für seinen Vorsatz zu den von ihm unterstützten Taten. Darauf kommt es aber auch nicht an, denn nicht einmal dieses Indiz wurde widerlegt: Der Zeuge erinnerte sich überhaupt nicht an das behauptete Treffen – und das, obwohl der 4.11.2011, wie Sprafke in seinem Beweisantrag zu dem Zeugen richtig mitgeteilt hatte, für Menschen in Chemnitz ein durchaus eindrücklicher Tag gewesen sein dürfte.

Als Sprafke dann auch noch um eine längere Unterbrechung bat, um weitere Beweisanträge zu formulieren, widersprach Bundesanwalt Dr. Diemer vehement und forderte, das Verfahren gegen Eminger abzutrennen. Es sei doch offensichtlich, dass der neue Eminger-Verteidiger nur dazu da sei, das Verfahren zu verzögern. Das Gericht entschied über den Antrag derzeit nicht, sondern stellte dies zurück, man wolle erst einmal die weiteren Anträge abwarten. Ein Antrag Sprafke auf Unterbrechung bis morgen, um diese Nichtentscheidung des Senats mit seinem Mandanten zu besprechen, wurde abgelehnt.

So konnte dann gegen 13 Uhr endlich das Plädoyer des Zschäpe-Verteidigers Borchert beginnen. Dieser teilte mit, er werde sich mit der Beweiswürdigung auseinandersetzen, die rechtliche Würdigung werde sein Kollege übernehmen– eine überraschende Aufgabenverteilung angesichts der Tatsache, dass Borchert noch weniger von der Beweisaufnahme mitbekommen hatte als Grasel. Borchert teilte zu Beginn mit, die Einlassungen Zschäpes habe im Wesentlichen er formuliert. Und so verwundert es insgesamt nicht, dass sich seine „Auseinandersetzung“ mit der Beweiswürdigung der Bundesanwaltschaft in substanzlosen, dafür aber umso schärfer formulierten Angriffen erschöpfte, die den Großteil der seine Mandantin belastenden Beweismittel und Indizien schlicht ignorierte.

Wir wollen das hier nur an einem Beispiel deutlich machen: Zu Beginn des  Plädoyers „widerlegte“ Borchert die Angaben der Bundesanwaltschaft zum Plan des NSU, durch Morde und Sprengstoffanschläge ohne Tatbekennung Menschen mit türkischen Wurzeln zu verunsichern und letztlich dazu zu bringen, Deutschland zu verlassen, mit folgenden „Argumenten“: Die Bundesanwaltschaft habe nicht erklärt, wie dieser Plan habe funktionieren sollen. Zwischen 2000 und 2007 habe wegen der Morde kein einziger türkischer Gewerbetreibender Deutschland verlassen oder nicht betreten, jedenfalls habe das die Beweisaufnahme nicht ergeben. Und das Ziel einer Verunsicherung durch Anschläge mache doch gar keinen Sinn, wenn die Opfer gar nicht wüssten, wer die Morde begangen hat. Dass Anschläge ohne Bekenntnis damals eine vieldiskutierte Strategie in der neonazistischen Szene waren, dass entsprechende Dokumente auch bei den drei NSU-Kernmitgliedern gefunden worden waren, dass das von Zschäpe mit erstellte und verschickte NSU-Video genau diese Strategie widerspiegelt, dass die durch die Taten verursachte Verunsicherung der migrantischen Communities von zahlreichen Zeug_innen im Verfahren geschildert wurde – alles Schnickschnack: Rechtsanwalt Borchert kann sich das nicht vorstellen, es hat sich auch keiner der verunsicherten türkeistämmigen Menschen bei ihm abgemeldet, mehr ist aus Sicht des Zschäpe-Verteidigers nicht zu sagen.

Ähnlich sophistische und verbohrte Pseudo-Argumente brachte Borchert auch zur sonstigen Beweiswürdigung der Bundesanwaltschaft vor – die tatsächlichen Ergebnisse der Beweisaufnahme ließ er dabei praktisch durchgängig beiseite. Borchert verlas immer wieder Teile der von ihm verfassten Einlassung Zschäpes, ganz so, als sei damit alles Notwendige gesagt. Und wo ihm nicht einmal ein „Gegenargument“ der eben beschriebenen Art einfiel, verlegte er sich eben auf die Feststellung, die Ausführungen der Bundesanwaltschaft „bedürften keiner Widerlegung“.

Von dieser absoluten Minusleistung waren augenscheinlich auch die „Altverteidiger_innen“ Zschäpes wenig begeistert, wie deren Mienen und regelmäßigen Blickkontakten untereinander zeigten.

Die Hauptverhandlung endete um kurz nach Vier nachmittags, sie wird morgen fortgesetzt mit dem weiteren Plädoyer Borcherts.