RA Heer beendet Plädoyer zur Brandstiftung in der Frühlingsstraße
Rechtsanwalt Heer setzte heute seine langatmigen Ausführungen zur Frage der Strafbarkeit Zschäpes wegen Brandstiftung und versuchten Mordes an der älteren Dame in der Nachbarwohnung und den beiden Handwerker, die Bauarbeiten im Haus ausführten, fort. Vormittags setzte er sich weiter mit den einzelnen Beweismitteln auseinander, kam dann am Nachmittag zur juristischen Bewertung.
War es schon bei den pseudo-genauen und langatmigen Ausführungen zur Beweiswürdigung äußerst ermüdend, Heer zuzuhören, so steigerte sich dies bei den Ausführungen zur rechtlichen Bewertung noch: selbstverliebt und in Manier eines Jurastudenten, der in einer Prüfung zeigen will, dass er ganz viele juristische Detailfragen kennt, auch wenn sie für die Lösung des Falles keine Relevanz haben, unternahm Heer einen mehrstündigen Ausflug durch die verschiedenen Tatbestände des Brandstiftungsrechts, um am Ende zum Ergebnis zu kommen, Zschäpe sei nur wegen einfacher Brandstiftung und fahrlässiger Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion zu bestrafen.
Heers Methode, die eine sehr ausführliche Darstellung des Verlaufs der Beweisaufnahme mit zahlreichen Hinweisen auf höchstrichterliche Urteile vermischte, mag auf juristische Laien durchaus beeindruckend wirken – so wirkte auch Beate Zschäpe so offen gegenüber den „Altverteidiger_innen“ wie seit Jahren nicht. Tatsächlich waren seine Ausführungen aber nicht nur an den entscheidenden Stellen juristisch schwach, sondern stellten sich im Kern sogar als Eigentor dar.
So führte Heer aus, es liege keine schwere Brandstiftung hinsichtlich der anderen Hälfte des Doppelhauses – der Hälfte, in der auch die alte Dame wohnte – vor, es handele sich bei den beiden Haushälften aus Sicht der Brandstiftungsparagraphen um getrennte Gebäude. Er zitierte hierzu mehrere Urteile des Bundesgerichtshofs, die das bestätigen sollten. Was er dabei ausließ: der BGH hatte in der Tat entschieden, baulich getrennte Gebäudehälften seien für die Zwecke des Brandstiftungsparagraphen kein einheitliches Wohnhaus – hatte aber hinzugefügt, etwas anderes gelte dann, wenn der Täter durch sein Verhalten gezeigt habe, dass er mit einem Übergreifen des Brandes auf das andere Gebäudeteil rechne.
Und genau das hatte Heer vorher langatmig unter Beweis gestellt: Zschäpe, so das Fazit seiner Ausführungen, habe vor der Brandlegung bei der Nachbarin geklingelt, um sicherzustellen, dass diese nicht im Haus ist; als die Nachbarin nicht geantwortet habe, habe sie dann angenommen, diese sei nicht im Haus. Das hatte so auch Zschäpe selbst in ihrer Einlassung ausgeführt. Und tatsächlich spricht die Beweisaufnahme durchaus dafür, dass das so gewesen sein könnte.
Aber das bedeutet natürlich gerade, dass Zschäpe mit einem Übergreifen des Brandes auf die andere Haushälfte gerechnet hat – ansonsten hätte sie ja die Nachbarin von dort nicht warnen müssen. Damit ist Heers Argument zur schweren Brandstiftung durch sein eigenes Plädoyer widerlegt.
Und gleiches gilt auch für den versuchten Mord: durch das Klingeln hat Zschäpe gezeigt, dass sie es für möglich hielt, dass ihre Nachbarin durch das Feuer zu Tode kommt, und obwohl das Klingeln kein eindeutiges Ergebnis brachte, zündete sie dennoch das Haus an. Zu diesem Argument fiel dem sonst so schrecklich wortgewaltigen Heer dann auch nur der Hinweis ein, Zschäpe habe doch in ihrer Einlassung nicht von dem drohenden Tode der Nachbarin, sondern von einer dieser drohenden Gefahr gesprochen – hier also auf einmal soll die von ihm sonst so verpönte Einlassung Zschäpes alleine als Gegenargumente ausreichen, mehr hatte er an dieser entscheidenden Stelle nicht entgegenzusetzen. Heers These, nach zweimaligem Klingeln bei der fast neunzigjährigen, schwerhörig und mobilitätseingeschränkten Dame hätte Zschäpe sicher davon ausgehen können, dass sich diese nicht in der Wohnung aufhält, ist offensichtlich weltfremd.
Das Plädoyer Heers mag das Selbstbild des Verteidigers als juristisch versierter, engagierter und objektiver Verteidigers stützen und so auch plangemäß von Teilen der Presse wahrgenommen werden. Seiner Mandantin indes hat er gestern und heute einen gewaltigen Bärendienst erwiesen. Dieser wird sich indes am Ende nicht entscheidend auswirken, denn neben der Verurteilung wegen der Mittäterschaft an zehn Morden und zwei Sprengstoffanschlägen, der Heer wenig Substantielles entgegenzusetzen hatte und zu der wohl nächste Woche RA Stahl und RAin Sturm sprechen sollen, wird der Komplex Frühlingsstraße auf die Strafe am Ende keinen Einfluss haben.
Nächste Woche werden zunächst RA Stahl und RAin Sturm ihre Plädoyers halten, was mindestens zwei Tage in Anspruch nehmen wird. Zudem hat die Verteidigung in den Plädoyers noch weitere – sinnlose – Beweisanträge zu baulichen Einzelheiten des Hauses usw. gestellt, die abgearbeitet werden müssen. Es spricht daher einiges dafür, dass das Gericht erst in der übernächsten Prozesswoche (19.-21.06.) zum letzten Wort der Angeklagten und dann in der Woche darauf (26.-28.06.) zur Verkündung des Urteils kommen wird.