21.06.2018 vormittags

Rechtsanwältin Sturm zum Terrorismus-Begriff: juristisch blödsinnig, politisch perfide.

Heute Vormittag plädierte Rechtsanwältin Sturm zur Strafbarkeit Beate Zschäpes wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung. Sturm behauptete, der NSU könne keine terroristische Vereinigung im Sinne des § 129a StGB gewesen sein, und begründete dies zum einen rechtlich mit einem europarechtlichen Argument, das sich als schlichter Blödsinn darstellt, und politisch in einer Art und Weise, die im Ergebnis rassistische Terrorangriffe per Definition als nicht-terroristisch einstuft. Im Einzelnen:

Der NSU könne keine terroristische Vereinigung im Sinne des § 129a StGB gewesen sein. Dies ergebe sich daraus, dass seine Taten keine spezifische terroristische Zielsetzung – etwa der Einschüchterung der (Gesamt-)Bevölkerung – dienten. Nun ist nach § 129a Abs. 1 StGB eine Vereinigung schon dann terroristisch, wenn sie auf Mord und Totschlag gerichtet ist, eine darüber hinaus gehende Zielsetzung setzt die Norm nicht voraus. Sturm griff daher auf europäische Rahmenbeschlüsse und Richtlinie zur Terrorismusbekämpfung zurück, die der deutsche Gesetzgeber nicht ausreichend umgesetzt habe und deren Tatbestandsmerkmale deswegen in den § 129a StGB hineingelesen werden müssten.

Was dieses Argument ihrer Mandantin – die ja Sturm zu Folge gar nicht Mitglied irgendeiner Vereinigung war – nützen soll, erschloss sich schon nicht, insofern stellte sich auch dieser Teil des Plädoyers wieder vor allem als Selbstdarstellung der „Altverteidiger_innen“ Zschäpes dar.

Im Übrigen ist die europarechtliche Argumentation Sturms schon im Ansatz grottenfalsch: der europäische Gesetzgeber hat mit den genannten Rahmenbeschlüssen und Richtlinien den Staaten aufgegeben,jedenfallsbestimmte Straftaten, darunter etwa auch schwere Sachbeschädigungen an öffentlicher Infrastruktur, unter Strafe zu stellen, wenn diese bestimmten terroristischen Zielsetzungen dienen. Die Richtlinie dient also der Verschärfung der Strafgesetzbücher der Staaten, nicht deren Einschränkung – der europäische Gesetzgeber kann und will die Staaten nicht verpflichten, nurbestimmte Handlungen zu bestrafen oder nur bestimmte Handlungen als „terroristisch“ zu bestrafen. Wenn also, wie Sturm heute zitierte, die Europäische Kommission die Umsetzung der Rahmenbeschlüsse und Richtlinien in deutsches Recht als unzureichend kritisiert, dann deswegen, weil in Deutschland etwa ein Angriff auf Internetknotenpunkte, der terroristischen Zielsetzungen dient, weiter nicht schwer genug, nicht als „terroristisch“ bestraft wird, sprich: weil das deutsche Strafrecht nicht streng genug ist. Sturm will aber nun das Gegenteil herauslesen: die europäischen Normen, die eine Verschärfung des deutschen Strafrechts fordern, sollen zu einer einschränkenden Auslegung des § 129a StGB führen. Insofern sind also ihre Ausführungen nicht nur als Plädoyer, sondern auch als Seminarvortrag vollständig unbrauchbar.

Weiter führte Sturm aus, das in § 129a StGB hineinzulesende Merkmale der terroristischen Zielsetzung sei im Falle des NSU nicht erfüllt, weil durch dessen Taten keine Einschüchterung der Bevölkerung bewirkt worden sei, die den Staat als solchen hätten beeinträchtigen können. Es sei eben nicht zu einer Staatskrise gekommen, weder durch Überreaktionen des Staates wie bei den Anschlägen der RAF, noch durch eine zu einer Staatskrise eskalierende Gegenwehr der „Opfer“. Der betroffene Bevölkerungsteil habe sich hier im Gegenteil ruhig verhalten und habe sich mit wachsender Fassungslosigkeit dem Ermittlungsversagen des Staates ausgesetzt gesehen. Insoweit seien es gerade nicht die Taten des NSU gewesen, die das friedliche Zusammenleben der deutschen Gesellschaft gefährdet hätten, sondern die Unfähigkeit der staatlichen Stellen, die Täter zu ermitteln.

Diese Argumentation ist im doppelten Sinne perfide: sie definiert einmal mehr die „Opfer“ rassistischer Angriffe als Minderheit aus dem Schutzbereich der Norm heraus und greift deren Ohnmacht angesichts des institutionellen Rassismus‘ auf, um hieraus ein Argument gegen das Vorliegen einer terroristischen Vereinigung zu ziehen.

Sturms Ausführungen zielen ja gerade nicht darauf, den § 129a StGB insgesamt abzulehnen, wie dies immer wieder von fortschrittlichen und liberalen Strafverteidiger*innen unternommen wird. Im Gegenteil beschreibt sie gerade die Taten der RAF aufgrund der anschließenden „Staatskrise“ als prototypisch für die Anwendbarkeit des § 129a StGB. Nur der Umstand, dass die Norm auf Grund ihrer europarechtlichen Argumente angeblich eine Bestimmung der Taten verlange, „die Bevölkerung auf erhebliche Weise einzuschüchtern“, und die Tatsache, dass der institutionelle Rassismus die Motive der Taten vor der Öffentlichkeit verschleierte, würden vorliegend die Anwendung der Norm unmöglich machen.

Sturms Ausführungen machen daher nur Sinn, wenn die Verteidigung tatsächlich bezogen auf die Frage des Terrorismus die Grundrechte und den Anspruch auf ein friedliches Zusammenleben ausschließlich für die deutsche Bevölkerungsmehrheit und nicht für migrantische Bevölkerungsminderheiten gelten lassen will. In der Konsequenz verharmlost eine solche Auffassung Pogrome, weil diese sich ja naturgemäß nicht gegen die Bevölkerungsmehrheit richten und von dieser ignoriert und unter Umständen sogar gutgeheißen werden. Kurz: Nach Sturms Definition kann Terrorist nur sein, wer die deutsche Bevölkerungsmehrheit direkt angreift, der immer mehr um sich greifende Naziterror jedoch kann von vornherein nicht terroristisch sein. Dass Sturm dann auch noch so tut, als habe sie dieses Ergebnis schlicht einer juristischen Auslegung des § 129a StGB entnommen, obwohl sie es in Wirklichkeit gerade mit juristisch irrwitzigen Argumenten in diesen hineinzulesen versucht hat, setzt dem Ganzen die Krone auf.

Eine ähnlich perfide Argumentation hatte zuletzt die Verteidigung mehrerer Angeklagter im Verfahren gegen die „Gruppe Freital“ versucht – das Oberlandesgericht Dresden hatte ganz richtig und vollständig auf dem Boden des geltenden Rechtes festgestellt, dass ein Angriff auf eine Minderheit immer auch einen Angriff auf das friedliche Zusammenleben und damit auf die Gesamtbevölkerung darstellt. Auch Sturms irrwitzige Ausführungen werden also keinen Erfolg haben.

Nachmittags will Sturm noch zur Frage der Sicherungsverwahrung plädieren – dass sie diese für nicht angezeigt hält, folgt ja schon aus ihrer Darstellung Zschäpes als ahnungslose und kinderliebe Mitbewohnerin. Wir werden uns daher eine nähere Auseinandersetzung hiermit ersparen und nur ein kurzes Updates dazu, wie es im Verfahren weitergeht, folgen lassen.