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16.10.2014

Thomas Gerlach: frontale Aussageverweigerung erfolgreich – „Brüder Schweigen“

Dreimal musste der Zeuge Thomas Gerlach anreisen, um schließlich mit seiner Strategie der frontalen Aussageverweigerung über den Vorsitzenden Götzl zu obsiegen. Bereits in seinen Vernehmungen am 01.07.2014 und 10.07.2014 hatte Gerlach die klare Ansage gemacht, keine Angaben zur Organisation Hammerskins zu sagen – das sei mit seinem „Wertegefühl“ nicht vereinbar.

Der Vorsitzende Götzl hatte Gerlach in jedem Termin Ordnungsgelder und Ordnungshaft in Aussicht gestellt. Dabei wurde von der Verteidigung Wohlleben zwischenzeitlich ein vor zehn Jahren geführtes Strafverfahren gegen die Hammerskins angeführt, auf Grund dessen Gerlach ein Schweigerecht haben könnte.

Götzl hatte die Akten dieses Verfahrens beigezogen, sich aber offensichtlich nicht weiter damit auseinandergesetzt. Vom ersten Moment der Vernehmung an steuerte er nun auf die Verhängung von Beugehaft zu. Nach zeitraubenden Unterbrechungen verkündete er allerdings am frühen Nachmittag plötzlich, Gerlach habe ein umfassendes Schweigerecht zu allem, was die Hammerskins betreffen könnte.

Zu dieser Rechtsauffassung hätte der Vorsitzende bei rechtzeitiger Prüfung bereits im Juli kommen können. Nun bot er der Verteidigung Wohlleben Gelegenheit, sich ausführlich darzustellen, und Gerlach einen Triumph über den Senat. Zudem konnte Gerlach in der weiteren Befragung alle ihm unliebsamen Fragen der Nebenklage unter Verweis auf die Hammerskins unbeantwortet lassen.

Klar ist allerdings, dass Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe nach dem Verbot von „Blood & Honour“ weiterhin in engem Kontakt zur Naziszene gestanden haben müssen. Sowohl der Angeklagte André Eminger, der sie seit ihrer Flucht nach Chemnitz unterstützte, als auch der Angeklagte Ralf Wohlleben hatten enge Kontakte zu den Hammerskins, die in dieser Zeit das von „Blood & Honour“ hinterlassene Vakuum füllten. Es liegt nahe, dass hier nach weiteren Unterstützern des NSU zu suchen ist.

Gekrönt war der Verhandlungstag davon, dass der Angeklagte Eminger seinen Gesinnungsgenossen mit einem T-Shirt grüßte, auf dem „Brüder schweigen – bis in den Tod“ prangte. „Brüder schweigen ist ein Zitat aus dem Treuelied der Waffen-SS und die Selbstbezeichnung der mörderischen Nazi-Terrororganisation „The Order“ aus den USA, die zahlreiche Überfälle und Morde begangen hatte und von „Blood & Honour“ wie von den Hammerskins verehrt wird. In einem solchen Shirt war am 29.07.2014 bereits der Bruder des Angeklagten, Maik Eminger, zum Prozess erschienen. Auf solche Art zeigt die Naziszene einerseits ihre Verbundenheit und macht sich andererseits über das Verfahren lustig. Umso notwendiger ist es, mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln zu versuchen, das Unterstützernetzwerk und die Strukturen des NSU aufzudecken.

29.07.2014

Befangenheitsantrag der Angeklagten Zschäpe – viel Lärm um Nix

Der heutige Hauptverhandlungstag war weitgehend unergiebig:

Die Vernehmung des Zeugen Thomas Rothe, eines der ersten Unterstützer der Drei aus Blood and Honour-Kreisen in Chemnitz, musste erneut unterbrochen werden und wird an einem anderen Termin fortgesetzt. Rothe wurde nicht müde zu betonen, dass das doch jetzt alles 14 Jahre her sei und er damals eh nicht viel mitbekommen habe – er gab aber immerhin auch zu, dass er durchaus „zwei, drei Konzerte“ von Blood and Honour mitorganisiert hatte. Der Vorsitzende Richter kommentierte einen Ausschnitt aus einer früheren Vernehmung Rothes durch die Polizei mit den Worten: „Da haben sie ja glatt gelogen!“ Man kann gespannt sein auf die Fortsetzung dieser Vernehmung.

Es wurde dann ein Ermittlungsrichter am Bundesgerichtshof vernommen, der 2011 den Mieter der Zwickauer NSU-Wohnungen und vermutlichen NSU Unterstützer Matthias Dienelt vernommen hatte. Diese Vernehmung gab der Verteidigung Zschäpe Gelegenheit, zu zeigen, dass sie ihre Mandantin „mit allen Mitteln verteidigen“ (so die Wertung in der Süddeutschen Zeitung) – auch mit Befangenheitsgesuchen, von denen sie wissen müssen, dass sie nicht den Hauch einer Chance auf Erfolg haben können. Der Vorsitzende hatte dem Zeugen längere Abschnitte aus dem damaligen Protokoll vorgehalten und von diesem bestätigen lassen, andere Abschnitte, darunter zwei, die nach Ansicht der Verteidigung für Beate Zschäpe entlastend sein sollten, dagegen nicht. Damit habe er seine Voreingenommenheit gezeigt, und da die anderen Mitglieder des Gerichts ebenfalls keine Fragen hierzu gestellt hätten, gelte das gleich auch für die. Nun mag man von der Tendenz des Vorsitzenden, vielen Zeugen größere Teile ihrer Vernehmungsprotokolle vorzulesen und sich „abnicken“ zu lassen, halten, was man will – eine Befangenheit daraus abzuleiten, dass er die Protokolle nicht vollständig vorliest, ist hanebüchen, kann doch die Verteidigung in ihrer Befragung etwaige Lücken jederzeit schließen. Außer zur „Klimapflege“ innerhalb der Verteidigung Zschäpe war dieser Antrag also zu nichts gut.

Über das Ablehnungsgesuch wird ein anderer Senat des Gerichts zu entscheiden haben. Die Hauptverhandlung und auch die Vernehmung des Ermittlungsrichters wurden einstweilen fortgesetzt. Wer nun erwartet hatte, dass die Verteidigung die angeblich entlastenden Aspekte der Aussage Dienelts herausarbeiten würde, wurde enttäuscht – statt dessen verloren sie sich in vagen Ausführungen zum Unterschied zwischen „rechtsradikalem“ und „rechtsextremem“ Gedankengut und Spekulationen zu den damaligen Entscheidungen des Haftrichters.
Einen deutlich kürzeren Auftritt hatte der Zeuge Maik Eminger, der Zwillingsbruder André Emingers und wie dieser seit Jahrzehnten in der Naziszene verankert: als Bruder des Angeklagten darf er die Aussage verweigern, was er auch tat. Eine politische Stellungnahme gab Maik Eminger aber vor dem Gerichtsgebäude ab, wo er mit einem Shirt mit der Aufschrift „Brüder schweigen“ auftrat – eine Anspielung auf sein Schweigerecht, aber vor allem auch ein Zitat aus dem Treuelied der Waffen-SS und Selbstbezeichnung der mörderischen Nazi-Terrororganisation „The Order“ aus den USA. Stellungnahmen der Nebenklage zu diesem Hinweis auf die Ideologie der Emingers versuchte die Verteidigung durch sofortige Beanstandung zu unterdrücken, es gelang aber, die Saalöffentlichkeit auf diesen Sachverhalt hinzuweisen.