13.10.2016

Die Verteidigung Wohlleben betreibt Nazi-Propaganda im Gericht

Auch heute war das Beweisprogramm überschaubar, dennoch dauerte die Hauptverhandlung bis nach 16 Uhr.

Ein Sachverständiger vom Bayerischen Landeskriminalamt benötigte eine knappe Viertelstunde, um sehr anschaulich zu begründen, dass die Unterschrift auf der Verpflichtungserklärung Marcel Degners als V-Mann des Thüringer Verfassungsschutzes „mit überwiegender Wahrscheinlichkeit“ von diesem selbst stammt, es insbesondere keinerlei Anzeichen für eine Fälschung gibt. Warum das Gericht den Sachverständigen überhaupt beauftragt hatte, wird wohl sein Geheimnis bleiben – denn Degner hat wenig bis nichts für den Prozess Relevantes ausgesagt, die heutige Beweisaufnahme dürfte letztlich nur für das Falschaussageverfahren gegen Degner relevant sein (vgl. zu seiner Leugnung, V-Mann gewesen zu sein, zuletzt den Beitrag vom 14.09.2016).

Das Gericht nahm dann erneut Stellungnahmen der Verteidigung Zschäpe zur Beschlagnahme des Briefs ihrer Mandantin (vgl. den Beitrag vom 14.09.2016) entgegen, anstatt endlich eine Entscheidung zu treffen und der Nebenklage zu gestatten, den Antrag zu stellen.
Die Verteidigung Wohlleben stellte mehrere Beweisanträge. Einer davon lässt sich nur als ein Versuch beschreiben, revisionistische Nazi-Propaganda im Gerichtssaal zu betreiben: vor einigen Wochen waren einige bei Wohlleben beschlagnahmte Aufkleber in Augenschein genommen worden, die seine neonationalsozialistische Ideologie belegten. Einer davon enthielt die Behauptung, Führer-Stellvertreter Rudolf Hess sei von den Alliierten ermordet worden. Die Verteidigung will nun unter Beweis stellen, dass Hess tatsächlich ermordet worden sei, und benennt als Zeugen Hess‘ damaligen Krankenpfleger im Alliierten Gefängnis in Berlin-Spandau. Dieser hat vor einigen Jahren ein Buch veröffentlicht (aus dem Französischen übersetzt von dem NPD-“Historiker“ Rose), in dem er die Mord-These aufstellt, und tingelt mit diesem Buch seit einigen Jahren von NPD-Veranstaltung zu NPD-Veranstaltung. Die Verteidigung zeigt mit dem Antrag endgültig, dass sie sich nicht mehr auf eine tatsächliche Verteidigung Wohllebens gegen die Tatvorwürfe konzentriert – zu erdrückend anscheinend die Beweislage –, und stattdessen nunmehr anscheinend Propaganda für die „Kameraden“ außerhalb des Gerichtssaals machen will.

Zu Ende des Vormittags verkündete das Gericht einen Beschluss, mit dem es den Antrag der Verteidigung Wohlleben ablehnte, Einsicht in die Akten der anderen Ermittlungsverfahren zum Thema NSU zu erhalten.

Am Nachmittag nahm die Hauptverhandlung fast Züge einer Komödie an. Die Verteidigung Wohlleben kündigte gegenüber dem Gericht an, wegen des ablehnenden Beschlusses einen Befangenheitsantrag stellen zu wollen. Das Gericht musste feststellen, dass von der Verteidigung des Angeklagten Eminger nur noch eine Vertreterin anwesend war, der zweite Verteidiger hatte sich bereits in Richtung Flughafen aufgemacht. Anstatt den Verhandlungstag nur zu beenden, ordnete der Vorsitzende Richter Götzl nun an, der Verteidiger müsse vom Flughafen zurückbeordert werden, die Verhandlung würde um 16 Uhr fortgesetzt. Mehr als zwei Stunden später waren alle wieder versammelt, die Verteidigung verlas ihren Befangenheitsantrag und alles war vorbei.

In der nächsten Woche findet keine Verhandlung statt, die Verhandlung geht weiter am Dienstag, 25.10.2016 – in der Zwischenzeit ist also Zeit genug für die anderen RichterInnen des OLG München, auch diesen unbegründeten Befangenheitsantrag abzulehnen.