01.09.2017 – Protokoll

Plädoyer der Bundesanwaltschaft 7. Tag: vollständige Mitschrift

OStA Weingarten: Herr Vorsitzender, hoher Senat, sehr geehrte Damen und Herren Verfahrensbeteiligte, ich setze jetzt fort mit dem Schlussvortrag zum Angeklagten Holger Gerlach im Tatsächlichen. Herr Vorsitzender, ich gehe davon aus, dass ich die Zeit des ersten Blocks nicht mehr voll ausschöpfen werde. Nach unserer Vorstellung würde die Kollegin Greger sofort im Anschluss fortsetzen.

Ich war stehen geblieben gestern, wegen Schwächlichkeiten in der Stimme, bei der Zusammenfassung von vier Gesichtspunkten, aus denen ich dann für die Bundesanwaltschaft den Schluss gezogen habe, dass jedenfalls in der Kumulation der vorliegenden Erkenntnisse beim Angeklagten Gerlach kein Weg an der konkreten Einsicht vorbei geführt hat, dass sich seine Freunde zusammengeschlossen haben, um zur Durchsetzung ihrer politischen Vorstellungen auch Tötungsdelikte gegen missliebige Mitglieder der Gesellschaft – darunter auch in Deutschland lebende Menschen nicht-deutscher Herkunft – unter Verwendung von Schusswaffen zu begehen werden. Die entgegenstehende Einlassung des Angeklagten Gerlach, der dieses Risiko nicht [gesehen haben will, stellt] nichts als eine reine Schutzbehauptung dar.

Lassen Sie mich auf die einzelnen Äußerungen zu diesem Punkt des Angeklagten Gerlach in der Einlassungschronologie eingehen. Dabei wird sich zeigen; der Angeklagte Gerlach hat sich im Übrigen genau wie der Angeklagte Schultze der Erkenntnis in die tödliche Gefährlichkeit der Angeklagten Zschäpe und der verstorbenen Mundlos und Böhnhardt absichtlich und damit durch einen bewusst vollzogenen Willensakt entziehen wollen, und das – wie er im innersten seines Herzens stets wusste – ohne Erfolg. Das bewusste Bemühen, die Erkenntnis der konkreten Gefahr, dass diese Drei ideologisch motivierte Morde begehen könnten, aus seinem Bewusstsein auszublenden, war nämlich der untaugliche Versuch eines Selbstbetruges. Ich erinnere an meine Bemerkungen zu den Zeugen St. und H., die sich bei [ähnlicher] Erkenntnislage der Einsicht in die Gefährlichkeit der Angeklagten Zschäpe und von Böhnhardt und Mundlos nicht verweigert haben. In Wahrheit hat auch der Angeklagte Gerlach – ebenso wie die Angeklagten Eminger und Schultze – die ihm unangenehme Möglichkeit, dass die Drei sich auf Dauer im Untergrund verbunden hatten, gerade um neonazistische Morde zu begehen, immer gesehen. Er hat aber aus dieser Risikoeinsicht keine Konsequenz für sein Handeln gesehen.

Bereits in seiner Vernehmung vom 13.11.2011 schilderte der Angeklagte Gerlach – ausweislich der Auskunft des Zeugen Hoffmann – eindrucksvoll ein Gespräch mit der Angeklagten Zschäpe. Dieses Gespräch hat er wahrheitswidrig auf das Jahr 2006 terminiert. Damals hätten die drei über Leben im Untergrund andeutungsvoll geäußert, „wir könnten Dir Sachen erzählen“. Daraufhin habe er, Gerlach, geäußert, dass er über Aktionen während der Zeit im Untergrund nicht wissen wolle. Auch wenn dieses Gespräch angesichts der später zu Tage getretenen Erkenntnisse zur Intensität des Kontaktes von Holger Gerlach zu den Untergetauchten zu diesem Zeitpunkt so nicht stattgefunden haben kann, hat der Angeklagte bereits zu diesem frühen Zeitpunkt deutlich gemacht, dass er bestimmte Dinge über das Leben der Drei im Untergrund einfach nicht wissen wollte. Dieses Nichtwissenwollen ist ohne gewissen Argwohn nicht denkbar, denn es inkludiert die Erkenntnis, ein bestimmtes Wissen sei für einen selbst schädlich. Es spricht alles dafür, dass der Angeklagte Gerlach eine sehr konkrete Vorstellung dazu hatte, dass die Angeklagte Zschäpe, Böhnhardt und Mundlos nicht einfach nur so untergründelnd vor sich hin leben, sondern das Leben in der Illegalität als Plattform für die Begehung von Taten gegen den Staat und die gehassten Teile der Gesellschaft nutzen.

Soweit der Angeklagte Gerlach noch in derselben Vernehmung wissen ließ, dass die Nutzung des von ihm überlassenen Führerscheins weder mit seinem Wissen noch mit [seiner Zustimmung] erfolgt sei, vermag dies daran überhaupt nichts zu ändern. Es vermag insbesondere nichts daran zu ändern, dass er die Begehung von [Straftaten] durch die Drei prinzipiell gleichwohl für möglich und sogar für wahrscheinlich hielt. In seiner Vernehmung vom 14.11.2011 wird der bewusste Akt der Verdrängung, bei der es sich ganz offensichtlich um Scheinverdrängung gehandelt hat, offensichtlich. Dort erklärte der Angeklagte Gerlach gegenüber dem Ermittlungsrichter, wie der Kollege Moldenhauer sagte, er habe den beiden – wörtlich – „gerne“ geglaubt, dass [… und] mit seinen Ausweispapieren „nichts Schlimmes“ passiere. Und dann weiter wörtlich „Man konnte schon davon ausgehen, dass das nicht mit rechten Dingen zugeht, ich habe es außen vor gelassen, was sie wohl tun würden.“

Danach ist das, was der Angeklagte Gerlach allerspätestens nach der Übergabe einer Waffe für möglich hielt […] auch deshalb, weil er gerade Böhnhardt und Mundlos alles zutraute – Zitat: „die beiden Uwes habe ich bewundert, die waren Macher, die hatten Charakterstärke, Tatendrang und waren durchsetzungsfähig“ – die Erkenntnis, was diese Macher wohl tun würden, verdrängte er absichtlich und unterstützte sie dennoch, vornehmlich aus persönlicher Verbundenheit und weil er nicht Nein sagen konnte und weil ihm jedenfalls die Freundschaft zu den Dreien wichtiger war als das Leben von Ausländern.

Mehrfach hat er auch drauf hingewiesen, die Drei hätten ihm gesagt, man könne ihnen vertrauen, dass sie mit den Papieren keinen Scheiß machen. Dass er daran nicht wirklich glaubte, dass er der Angeklagten Zschäpe, Böhnhardt und Mundlos in Wahrheit nicht vertraute – dieser Selbstbetrug mag dazu geführt haben, dass er vielleicht hoffte, dass die drei das nicht tun würden. Das mag sein, dass er das hoffte. Aber er wusste selbst angesichts der drückenden Erkenntnislage, dass er darauf nicht hoffen konnte und durfte. Wie ungeeignet, wie stümperhaft die Versuche des Selbstbetrugs des Angeklagten Gerlach, waren, hat er selbst bei seiner zweiten ermittlungsrichterlichen Vernehmung am 24.022012 aus Anlass der Erweiterung des Haftbefehls auf Beihilfe zum Mord wegen der Übergabe einer Schusswaffe eindrucksvoll zum Ausdruck gebracht. Dort erklärte er, „als Herr Wohlleben mir den Beutel in meine Tasche packte, wusste ich nicht, was in dem Beutel ist. Im Zug habe ich dann interessehalber gefühlt, was in dem Beutel ist, es fühlte sich metallisch an und von der Form her wie eine Schusswaffe. Ich ging aber nicht davon aus, dass mich Wohlleben mit einer Schusswaffe im Zug fahren lässt; ich ging vielmehr von einer „Unschuldsvermutung“ zugunsten meiner Freunde aus. Erst in der Wohnung sah ich dann, dass es sich um eine Schusswaffe handelte.“

Der Angeklagte Gerlach differenziert hier äußerst feinsinnig zwischen dem Fühlen und dem Sehen einer Waffe. Es mag sein, dass der Seh-Sinn dem Tast-Sinn hinsichtlich der Identifizierung eines Gegenstands überlegen ist. Aber wer einen metallischen Gegenstand ertastet, der die Form einer Schusswaffe hat, und dann noch von einer „Unschuldsvermutung“ fabuliert, der kann nicht für sich in Anspruch nehmen, nicht je mit der Möglichkeit gerechnet zu haben – Herr Gerlach – eine Schusswaffe zu transportieren. Herr Gerlach, wenn Sie ihr eigener Richter wären, würde man das ergangene freisprechende Urteil mit der Begründung [aufheben], dass Sie die Anforderungen an die für eine Verurteilung Ihrer selbst geltenden [Maßstäbe] im Urteil gehörig überspannt haben.

[…] und die Reichweite seiner Bereitschaft, den Beteuerungen der Untergetauchten zu glauben, erhellt schlagartig die gedanklichen Prozesse, denen der Angeklagte Gerlach erlegen ist. Obwohl er ohne positives Wissen über das Handeln der Angeklagten Zschäpe, Böhnhardt und Mundlos war – positives Wissen ist bei ihm nicht erwiesen und wird auch nicht unterstellt –, hatte er genau wie damals im Zug, als er im Beutel einen metallischen Gegenstand in Form einer Pistole ertastete, über den gesamten ihn betreffenden Anklagezeitraum zwar – um im Bild zu bleiben – nicht erblickt, aber intensiv ertastet und erfühlt, was die drei im Untergrund [taten].

Und die Annahme, er habe trotz seines Wissens und naheliegenden Vertrauens nicht erkannt, dass die Drei eine terroristische Vereinigung gebildet hatten und mordend durch die Gegend zogen, nimmt dem Angeklagten Gerlach die Bundesanwaltschaft ebenso wenig ab wie die Behauptung, er habe eine Schusswaffe ertastest, wegen einer „Unschuldsvermutung“ aber gleichwohl nicht für eine Schusswaffe gehalten. Im Übrigen, Herr Gerlach – das außerhalb des Protokolls –, missdeuten Sie die Reichweite der Unschuldsvermutung: Unschuldsvermutung heißt nicht, dass der Richter nicht doch bedingten Vorsatz annehmen kann.

An dieser Stelle – und das ist nicht alltäglich – muss man ansprechen, dass der 3. Senat des BGH mit drei Bundesrichtern einen dringenden Tatverdacht gegen den Angeklagten Gerlach wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung im Rahmen der Sechs-Monats-Haftprüfung noch mangels Vorsatzes verneint hatte – möglicherweise eine Entwicklung, die dazu geführt hat, dass der Angeklagte Gerlach ganz guten Mutes sich hier nicht voll eingelassen hat [und auch] den Verfahrensbeteiligten nicht mehr zur Verfügung stand, weil er vielleicht gedacht hat, der Käs ist gegessen.

Die damalige Beweiswürdigung ist eine Augenblicksaufnahme, die den nun abschließend erkennenden Senat in keiner Weise bindet und im Übrigen die Entscheidung des erkennenden Senats in keiner Weise zu präjudizieren vermag, denn die Beweiswürdigung ist die Sache des Tatrichters und die bleibt es auch in der Revisionsinstanz. Dort kann sie nicht etwa durch eine Beweiswürdigung des Bundesgerichtshofs ersetzt werden. Dieser prüft allein, ob die Beweiswürdigung der 1. Instanz Rechtsfehler aufweist. Ist dies nicht der Fall, hat er eine rechtsfehlerfreie Beweiswürdigung, die intersubjektiv vermittelbar ist, also gedanklich nachvollziehbar und frei von Verstößen gegen die Gesetze der Logik, selbst dann hinzunehmen, wenn er eine andere Beweiswürdigung für sinnvoll gehalten hätte.

Die damals entscheidenden BGH-Richter waren folgender Auffassung: die Einlassung des Angeklagten Gerlachs sei anhand der vorliegenden Beweislage nicht zu widerlegen. Sie haben seinerzeit ausgeführt, die erheblichen, von mir soeben und gestern dargestellten Indizien verlören durch folgenden Umstand entscheidend an Gewicht. Diese Indizien würden nur aus Umständen vor dem Untertauchen [herrühren], die sich noch vor dem Untertauchen von Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe oder im Zusammenhang mit der Übergabe der Pistole im Jahr 2011 zugetragen hätten. Das trifft zu mit Ausnahme des Umstandes, dass später noch das Gespräch stattgefunden hat, in dem ihm gegenüber mit der Pumpgun geprahlt worden ist. Aber ansonsten trifft das zu.

Die Richter setzten fort, zu den Zeitpunkten der Unterstützungshandlungen hätten diese Ereignisse jeweils mehrere Jahre zurückgelegen. Für Holger Gerlach habe nichts darauf hingedeutet, dass Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe den von ihnen vor ihrem Untertauchen befürworteten bewaffneten Kampf tatsächlich aufgenommen und Anschläge mittels Sprengstoff oder Schusswaffen begangen hätten. In dieser aus der Sicht Gerlachs über Jahre anhaltenden Passivität – ausgenommen der von ihm offensichtlich für möglich gehaltenen Banküberfälle zur Beschaffung finanzieller Mittel – finde seine Einlassung, er habe mit Straftaten von Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe gegen das Leben anderer nicht gerechnet, eine wesentliche Stütze. Die Richter führten weiter aus, dass auch die ihm vorgeworfenen Tathandlungen nichts zum Gegenstand hatten, was aus Sicht des Angeklagten Gerlach damals über eine Hilfe an Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe hinausgegangen wäre und darauf hingedeutet hätte, dass die Genannten sich mit der Begehung von Morden und Sprengstoffanschlägen befassen würden. Das ist – redlich zusammengefasst – die Begründung der zuständigen Spruchgruppe.

Was bei dieser Überlegung nach Auffassung der Bundesanwaltschaft nicht gesehen und berücksichtigt worden ist, ist der Umstand, dass damals wie heute dem Angeklagten Gerlach nicht positives Wissen um die Taten des NSU zur Last gelegt wird, sondern lediglich die Erkenntnis der nicht fernliegenden Möglichkeit der Begehung der angeklagten Morde, und diese Erkenntnis ist mit der scheinbaren Passivität des NSU ohne weiteres vereinbar. Denn das aufkumulierte Wissen des Angeklagten Gerlach – über die Ideologie, die Tatbereitschaft, das dauerhaft konspirative Leben im Untergrund – und vor allem das Wissen um die massive Bewaffnung der Drei, von der er wusste und bei der er selbst geholfen hat – ist doch dadurch, dass er von den bis 2004 begangenen Morden nicht unterrichtet worden ist – anders als der Angeklagte Eminger, da ist doch dieses aufkumulierte Wissen nicht in Wegfall geraten und auch nicht in seiner Bedeutung relativiert worden. Im Gegenteil. Er wusste im Zeitpunkt seiner ersten Unterstützungshandlung ganz genau – zuletzt aufgefrischt durch einen Bericht von Uwe Mundlos –, dass sich der NSU ein ganzes Waffenarsenal einschließlich einer Pumpgun beschafft hatte. Diese Erkenntnis kumulierte das seit Jahren bestehende Wissen über das Risiko der Drei. Dass eine Reduzierung oder Minimierung des Risikowissens nicht deswegen angenommen werden kann, weil die Drei nicht von den Morden berichtet haben, [folgt aus Folgendem]:

Wie der Angeklagte Gerlach wusste, hatte sich an der ideologischen, strategischen und operativen Ausgangslage der drei Untergetauchten im Vergleich zu den Jahren vor dem Untertauchen nichts geändert. Im Gegenteil; sie hatten sich nicht nur vollends von einer bürgerlichen Existenz verabschiedet, sondern zusätzlich auch noch mit Pistolen und Pumpguns aufgerüstet und ausgerüstet. Warum also hätte sich das Risikobewusstsein des Angeklagten Gerlach hinsichtlich der Gefährlichkeit der Drei reduzieren sollen? Im Gegenteil, es hatte sich von 1996 bis ins Jahr 2003 durch das Hinzutreten immer neuer risikoerhöhender Umstände stetig gesteigert. Und aus der scheinbaren Passivität der Drei konnte der Angeklagte Gerlach – wie er auch wusste – berechtigterweise rein gar nichts folgern. Denn nachdem der Angeklagte Gerlach bereits bei den Richtungsdiskussionen sich gegen den bewaffneten Kampf ausgesprochen hatte und sich nach der Waffenübergabe 2001 oder 2002 geweigert hatte, weitere Waffen zu liefern, und erklärt hatte, man könne doch zu fünft die Welt nicht retten, konnte er doch wahrlich nicht mehr erwarten, dass die drei ihm – dem unsicheren Kantonisten, dem „Zweifler“ –, ausgerechnet ihm über die seit 2000 begangenen Morde berichten würden. Für den Angeklagten Gerlach war, nachdem er durch die Drei in Unwissenheit über den Transport und den Einsatz gelassen worden war, doch klar, dass man ihm keinen reinen Wein einschenken würde. Es ist nicht überzeugend, anzunehmen, dass der Angeklagte Gerlach – weil er nicht ausdrücklich über die Morde und Mordpläne unterrichtet wurde – noch nicht einmal das Risiko erkannte, dass die drei sich zur Tötung von Ausländern verschworen haben. Und wäre das zu beweisen gewesen, dass der Angeklagte Gerlach von den Morden gewusst habe, würden wir hier nicht von bedingtem Vorsatz, sondern von Wissentlichkeit oder Absicht reden. Die Abwesenheit des dolus directus 1. oder 2. Grades indiziert aber nicht die Abwesenheit des dolus eventualis.

Und ein weiterer Umstand tritt hinzu, den die Richter nicht beachtet haben, weil sie ihn damals nicht kannten. Den bagatellisierenden Behauptungen des Angeklagten Gerlach zu seinem Vorstellungsbild, denen schon nicht gefolgt werden kann, weil sie unglaubhaft sind, kann erst recht nicht mehr geglaubt werden, nachdem die Hauptverhandlung erwiesen hat, dass er Wissen zurückgehalten hat. Wie bereits die Kollegin Greger erläutert hat, hat der Angeklagte Gerlach im Ermittlungsverfahren wie in der Hauptverhandlung zum Schutze der Angeklagten Zschäpe bewusst verschwiegen, dass es die Angeklagte Zschäpe war, die den Reisepass am 16.06.2011 persönlich abgeholt hat. Wer aber wie der Angeklagte Gerlach andere schützen will, bei dem liegt es erst recht nahe, dass er sich auch selbst durch Verniedlichungen, Bagatellisierungen und Einsichtsverweigerungen selber schützen will. Den Behauptungen des Angeklagten Gerlach, mit Ausnahme der Raubüberfälle – deren Wissen nicht zu leugnen war – nichts, aber auch gar nichts von den Taten des NSU gewusst zu haben, fehlt es schlicht an Strahlkraft. […]

[Wenn es darum geht], welche Beweggründe den Angeklagten Gerlach bewogen haben, den Dreien über Jahre hinweg zu [helfen], über den gesamten Zeitraum im Untergrund hilfreich zur Seite zu stehen, [so stand im Vordergrund] das Gefühl, das der Angeklagte Gerlach gegenüber Böhnhardt, Mundlos und der Angeklagten Zschäpe empfand. Aber genauso wie beim Angeklagten Wohlleben steht diese freundschaftliche Beziehung in sehr besonderen persönlichen Kontext. Das Entstehen und Fortbestehen persönlicher Beziehungen fand, eben wie bei Wohlleben, seinen Kern in einer übereinstimmenden ideologischen Grundhaltung, die neonazistisch grundiert war; das steht in meinem Konzept, das ist ein unangemessener Begriff, jetzt wird es besser, also auf einer Begeisterung des historischen Nationalsozialismus basierte.

Ich hatte dazu beim Angeklagten Wohlleben noch ausführlicher ausgeführt, ich nehme darauf Bezug. Ohne diese ideologische Grundlage wäre eine derart enge persönliche und bis weit über die Grenzen der Legalität hinausgehende Verbundenheit nicht möglich gewesen. Das Gefühl des Angeklagten Gerlach, Böhnhardt, Mundlos und der Angeklagten Zschäpe zur Hilfeleistung nachgerade verpflichtet zu sein, gründet sich demnach auch auf die vom Angeklagten Gerlach empfundene kameradschaftliche Beistandspflicht im Kampf gegen Staat und Gesellschaft, wie es der Angeklagte Schultze auch vorgebracht hat in Hinblick auf seine Motivation. Ohne Belang ist ersichtlich, dass der Angeklagte Gerlach einerseits – so wie die Angeklagte Zschäpe, Böhnhardt und Mundlos andererseits – uneins waren hinsichtlich der Frage eines bewaffneten Kampfes zur Durchsetzung der Ziele. Denn diese Frage stellte für alle Beteiligten keinen grundlegenden Dissens dar, sondern betraf lediglich eine Frage der strategischen Opportunität im Kampf um die Vorherrschaft in der Gesellschaft – und einer persönlichen Bereitschaft, Risiken für eine bürgerliche Lebensführung hinzunehmen. Der Angeklagte Gerlach war insoweit lediglich bemüht, klarzustellen, dass er sich für die Zwecke des bewaffneten Kampfes unmittelbar dienlich nicht zur Verfügung stellen wolle – was ihn nicht davon abhielt, gleichwohl, wenn auch unter Einlegung nachträglicher Proteste, eine zuvor erfühlte Pistole mit Munition zu übergeben.

Ohne Belang ist ferner, dass Angeklagte Gerlach sich in der rechten Szene etwa ab dem Jahr 2005 – in dem er eigener Einlassung zu Folge noch an zwei Demonstrationen teilgenommen hat – weitgehend inaktiv verhielt. Er bezeichnete dies als „Ausstieg aus der Szene“. Tatsächlich wandte er sich vom rechtsradikalen Gedankengut nie grundlegend und nicht nachhaltig ab. Dies folgt aus der Auslesung der elektronischen Asservate, die nach Bekundung der Zeugen Schmidt, Meyer und Pippig ergeben haben, dass der Angeklagte Gerlach fortwährend sowohl zahlreiche Internetseiten mit rechtsextremistischen Inhalten aufsuchte sowie insbesondere rechtsextremistische Musik gespeichert hatte. Soweit hinsichtlich der Festplatte und PC mehrere Nutzer in Betracht kommen […], kommt dem keine relativierende Aussagekraft zu der dem Grund nach andauernden Gesinnung des Angeklagten Gerlach zu. Denn auch das zum Durchsuchungs-Zeitpunkt vom Angeklagten Gerlach genutzte Mobiltelefon spricht gegen jede wirkliche Distanzierung von rechtsextremistischen Gedankengut, wie sich etwa daran zeigt, dass er darauf mehrere Darstellungen von Hakenkreuzen hatte, wie die Kriminalbeamtin Pippig in der HV erläuterte, ebenso Audiodateien mit rechtsextremistischen Sprüchen, sogenannten Witzen, Parolen und Musik der Bands Stahlgewitter und Gigi und die Braunen Stadtmusikanten. Noch am [Datum] 2011 hatte Gerlach auf diesem Mobiltelefon eine SMS empfangen, die ihn zu einem Fest der Hammerskins in Italien einlud.

Die Bewertung dieser Daten als Ausdruck andauernder Verhaftung im rechtsextremistischen Gedankenmilieu korrespondieren auch mit den Bekundungen des Angeklagten Gerlach selbst, der noch am 01.11.2011 angegeben hatte, zwar politisch inaktiv, aber gerade in der Phase sei, mit alten Kumpels, Nationalisten […] wieder in Kontakt zu kommen. Noch am 25.10.2011 hatte sich Gerlach nach seinen damaligen Angaben gleichsam als Personenschützer für den Gesinnungsgenossen Marc Oliver Matuszewski für ein Gerichtsverfahren angeboten, bei dem auch Angehörige der linken Szene erwartet wurden.

Wie auch immer man die Entwicklung des Angeklagten Gerlach nach seinem Wegzug aus Jena bewerten will, [ist daraus nur ein Schluss zu ziehen], nämlich derjenige, dass der Angeklagte Gerlach sich grundsätzlich über den gesamten Unterstützungszeitraum hinweg im politisch-ideologischen Gleichklang mit Böhnhardt, Mundlos und der Angeklagten Zschäpe befand, und zwar unabhängig davon, dass er für sich selbst den bewaffneten Kampf ablehnte. Jedenfalls aber ging seine Ablehnung gegen bewaffnete Aktionen nicht so weit, dass er es abgelehnt hätte, seine untergetauchten Freunde weiter zu unterstützen, obschon er wusste, dass zumindest die Möglichkeit bestand, dass genau diese Freunde den von ihnen propagierten bewaffneten Kampf tatsächlich führten. Wie die Angeklagten Wohlleben und Schultze auch hat der Angeklagte Gerlach durch sein Handeln offenbart, dass ihm die Loyalität zu Rechtsextremisten wichtiger war, als die Abwehr von Gefahren für die in Deutschland wohnenden Ausländer, Polizisten und Bankangestellten, die denen durch die Mitglieder des NSU, die Angeklagte Zschäpe, Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos, drohten.

Soweit, Herr Vorsitzender, zum Tatsächlichen.

 

OStA‘in Greger:

Herr Vorsitzender, Hoher Senat,

ich lade Sie jetzt zu einem Themawechsel ein. Die Beweisaufnahme, die umfangreiche Beweisaufnahme, hat nämlich insgesamt fünfzehn Überfälle aufgeklärt. Die Gruppe finanzierte das Leben im Untergrund mit bewaffneten Raubüberfällen.

Die Art der [Tatbegehung] und die Vorgehensweise entsprachen dabei dem gefassten Konzept der Gruppe. Die Einlassung der Angeklagten Zschäpe, sie sei in die Begehung der Taten nicht eingebunden gewesen, sie habe lediglich davon profitiert, ist durch die Beweisaufnahme widerlegt.

Die Beweisaufnahme hat ergeben, dass die Angeklagte Zschäpe sowie Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt von Dezember 1998 bis zum 4.11.2011 im bewussten und gewollten Zusammenwirken 15 bewaffnete Banküberfälle begingen. Sie erbeuteten 609.000 €. Bis auf eine Ausnahme traten Böhnhardt und Mundlos gemeinsam auf.

Zum gemeinsamen Tatplan gehörte es, die mitgeführten Schusswaffen, die bis auf einen Schreckschussrevolver stets mit scharfer Munition geladen waren, bei Bedarf auch einzusetzen. Dabei waren sich alle drei Beteiligten im Klaren darüber, dass es zu Verletzungen Dritter kommen und ein Schusswaffeneinsatz auch tödliche Folgen haben kann, und nahmen dies billigend in Kauf. Die Angeklagte Zschäpe war in die Absprachen jeweils einbezogen; ihr kam die Aufgabe zu, die Wohnungen zu sichern und die Reisebewegungen ihrer Komplizen zu legendieren.

 

Der erste bekannte bewaffnete Überfall der Gruppe

fand am 18. Dezember 1998 auf den Edeka Mark in der Irkutsker Str. 11 in der Nähe der damaligen Wohnung statt – Fall I.13 der Anklage.

Gegen 18 Uhr – noch während der Geschäftszeit mit Kundenverkehr – betraten Böhnhardt und Mundlos das Ladengeschäft, vermummten sich mit Halstüchern, richteten eine scharfe, geladene Schusswaffe auf die Hauptkassiererin K. und forderten die Herausgabe von Bargeld. Unter dem Eindruck der Drohung übergab die Angestellte ihnen die Tageseinnahmen in Höhe von etwa 30.000 DM.

Als Ihnen der damals 16jährige Zeuge F. K. beim Verlassen des Marktes folgte, schoss einer von ihnen skrupellos mit der scharfen Schusswaffe aus etwa 20 Meter Entfernung gezielt auf Kopf und Brust des Zeugen, um sich im Besitz der Beute zu erhalten. Den Tod des Zeugen nahmen sie damals billigend in Kauf. F. K., dessen Leben durch die Schüsse konkret gefährdet war, gelang es, sich unverletzt hinter einem Fahrzeug zu verstecken. Auf Grund der Schussabgabe brach der Zeuge die Verfolgung ab.

Die Geschädigte K. litt noch geraume Zeit nach der Tat an Angstzuständen und [anderen psychischen Folgen].

Die Ermittlungsakten zu dem Delikt sind zwar nicht mehr vorhanden. Der Tatablauf und die Tatfolgen stehen jedoch fest aufgrund der Aussagen der Zeugen W., E., F. K., M. und E., sowie der Sachverständigen […] und Dr. Peschel. Letzterer hat die Schusshöhe [anhand von Zeugenangaben und Lichtbildern rekonstruiert].

Die Tat ist danach der Gruppe eindeutig zuordbar. Die Angeklagte Zschäpe hat den Überfall eingeräumt, der Zeuge E. hat die Ähnlichkeit der Täterbeschreibung und Täterkleidung mit Böhnhardt und Mundlos, die am 27.10.1999 wiederum in Chemnitz einen bewaffneten Raubüberfall verübt haben, geschildert.

Und in der Frühlingstr. 26 in Zwickau wurden zwei Hülsen sichergestellt, die den täterschaftlichen Zusammenhang belegen. Ein Vergleich dieser beiden Munitionsteile – Spur 41.5. und 67.1. – mit den beim BKA verwahrten Hülsen vom Tatort in Chemnitz ergab nach den Ausführungen des Waffensachverständigen Dahl, dass die in der Frühlingstraße sichergestellten Hülsen mit derselben Waffe verschossen worden sind, wie die drei am Tatort gesicherten Hülsen Kaliber 6.35 Browning. Auch wenn die Schusswaffe selbst nicht sichergestellt wurden, steht fest, dass die Hülsen, die in der Frühlingsstraße aufgefunden worden sind, mit der Tatwaffe Edeka verfeuert worden sind.

Tragfähige Anhaltspunkte, dass die Angeklagte Zschäpe selbst mit vor Ort gewesen sei, erbrachte die Beweisaufnahme nicht. Der Zeuge F. K. meinte zwar bei seiner Vernehmung, sich nunmehr an 3 Personen zu erinnern. Seine Angaben dazu sind jedoch zu vage. Sie sind nicht unbedingt vereinbar mit den Angaben der Zeugin W. und der damaligen Fahndungslage. Es ist nicht auszuschließen, dass die Erinnerung des Geschädigten durch die Berichterstattung zum NSU nach November 2011 beeinflusst worden ist. Auch war dem Zeugen eine verbindliche Aussage, ob es sich bei der dritten Person um eine Frau gehandelt habe, nicht mehr möglich.

 

Ab Oktober 1999 beging die Gruppe regelmäßig Banküberfälle. Bis auf eine Tat, bei der Uwe Böhnhardt allein agierte, begingen Böhnhardt und Mundlos die Taten gemeinsam nach einem mittlerweile eingespielten Modus Operandi. Die Überfälle fanden stets während der Geschäftszeiten der Banken und Sparkassen statt. Beide stürmten bewaffnet und maskiert in den Schalterraum. Uwe Mundlos sicherte meistens den Kundenbereich, während Uwe Böhnhardt hinter den Schaltern die Angestellten massiv einschüchterte und die Herausgabe des Geldes erzwang. Die Zeugen erlitten, und das war Teil des gemeinsamen Konzepts auch der Angeklagten Zschäpe, während der Taten Todesangst.

Folgende bewaffnete Überfälle auf Geldinstitute sind der Gruppe nach der Beweisaufnahme eindeutig zuzuordnen:

 

Der 2. Überfall – Fall I.14 der Anklage.

Am 06.10.1999 gegen 16.45 Uhr überfielen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt die Postfiliale in der Barbarossastr. 71 in Chemnitz.

Vermummt mit Motorradhelmen schoss einer der Täter in der Filiale sofort mit einer Schreckschusswaffe gegen die Scheibe, hinter der sich die Zeugin Ba. befand. Auch die Angestellte Bu. wurde mit einer Schusswaffe bedroht. Unter dem Eindruck der Drohung und der Abgabe des Schusses übergab ihnen die Zeugin 5.700 DM aus dem Kassenbestand. Danach flüchteten Böhnhardt und Mundlos mit einem Kraftrad.

Diese Abläufe stehen fest aufgrund der Aussagen der Zeugen F., Bu., Ba., E. und R.. Zudem wurden Lichtbilder vom Tatort in Augenschein genommen. Die am Tatort gesicherten Schuhabdruckspuren und der Modus Operandi entsprechen nach der Aussage des Zeugen Markgraf, der sich speziell mit der Überfallserie befasst hat während der Ermittlungen, den weiteren der Gruppe eindeutig zuordbaren Überfällen.

Herr Vorsitzender, ich würde jetzt eine Pause machen.

Unterbrechung 10:31 bis 10:45 Uhr. Weiter 10:51 Uhr.

OStA‘in Greger:

Ich komme zum Fall 3, zum 3. Überfall

Nachdem die Beute bei der vorhergehenden Tat relativ dürftig ausgefallen war, überfielen Böhnhardt und Mundlos am 27.10.1999 um 11:45 Uhr die Postfiliale in der Limbacher Str. 148 in Chemnitz.

Der Tatort lag wiederum in der Nähe einer früheren Unterkunft der Gruppe. [Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt betraten die Filiale] vermummt mit Tüchern und bedrohten die Angestellten Geißdorf und Weder mit Pistolen. Sie überwanden den Bedientresen und verlangten Geld und die Öffnung des Tresors. Sodann nahmen sie – der eine aus der Kasse und der andere aus dem Tresor im Lagerraum – etwa 62.800 DM an sich. Anschließend flüchteten sie mit einem Motorrad.

Die Geschädigte W. erlitt bei dem Überfall massive Angststörungen, die sie heute noch massiv belasten. Auch die Zeugin G. litt noch längere Zeit an den Folgen der Tat.

Die Abläufe, wie ich sie geschildert habe, stehen fest auf Grund der Angaben der Zeugen […,] Ei., E., G. und R.. Lichtbilder vom Tatort wurden in Augenschein genommen. [Die Dreieckstücher] wurden in der Wohnung in der Frühlingstraße aufgefunden, zudem belegen Schuhabdruckspuren den Zusammenhang zur Serie.

 

Am 30.11.2000

überfielen Böhnhardt und Mundlos die Sparkassenfiliale in der Johannes-Dick-Straße 4 in Chemnitz mit Faustfeuerwaffen und forderten Geld. Einer von beiden überwand dabei den Tresen. Unter der Drohung „Du willst doch keine Kugel abbekommen“ [erzwang einer der beiden die Öffnung des Tresors im Nebenraum] und nahm das dort befindliche Papiergeld an sich. Der zweite Täter erzwang von der im Schalterraum verbliebenen Zeugin M. die Herausgabe des Geldes aus dem Panzerschrank. [Zudem erzwangen sie die Herausgabe des Geldes aus den Schalterkassen.]

Die Beute aus dieser Tat betrug insgesamt 38.900 DM. Zur Tatbegehung benutzten Böhnhardt und Mundlos ein Wohnmobil, das der Angeklagte Eminger am 16.11.2000 angemietet hatte.

Der Tathergang steht fest aufgrund der Aussagen der Zeugen M. und Sch., der Zeugin V. und den Angaben der Ermittlungsbeamten Meuten und Schröder sowie des Zeugen M., den in Augenschein genommenen Lichtbildern und den Asservaten, insbesondere der Schreckschusspistole Erma und den sichergestellten Dreieckstüchern.

 

Der 5. Überfall

Am 5. Juli 2001 um 10:15 Uhr überfielen Böhnhardt und Mundlos die Postfiliale in der Max-Planck-Straße 1a in Zwickau.

Vermummt mit Tüchern und bewaffnet mit Pistolen und einem Reizstoffsprühgerät bedrohten sie die Zeugen […] massiv und forderten Geld. Als drei Kunden den Raum betraten, besprühten die Täter sie mit Reizgas. Unter dem Eindruck der Drohungen gaben ihnen die Angestellten das Geld aus der Kasse heraus und öffneten den Tresor. Die Beute betrug hier 74.700 DM.

Die Zeugin F. litt seit der Tat an Angstzuständen und wechselte deshalb ihren Beruf.

Die Abläufe stehen fest aufgrund der Angaben der Zeugen M., P., B., F. und F.; Lichtbilder vom Tatort wurden in Augenschein genommen. Die Maskierungstücher, die Waffe Erma und ein Reizstoffsprühgerät wurden nach den Angaben des Zeugen Markgraf sichergestellt; die Schuhabdruckspuren am Tatort konnten nach der Aussage des Zeugen Schröder einem weiteren Überfall in Chemnitz am 30.11.2000 zugeordnet werden.

 

Am 25.09.2002 gegen 9 Uhr

überfielen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt die Sparkassenfiliale in der Karl-Marx-Str. 10 in Zwickau. Es war ihr sechster bekannter Überfall.

Beide stürmten vermummt mit Tüchern – einer zudem mit einer Perücke verkleidet – den Schalterraum, in dem sich die drei Angestellten L., R. und W. sowie drei Kunden befanden. Die Täter bedrohten die Angestellten mit einem kurzläufigen Revolver sowie mit Reizstoffsprühgeräten. Einer erzwang die Öffnung der Tür zum Tresor und entnahm dort Geld und ein Metallbehältnis an sich, in dem sich Blankosparbücher der Sparkasse befanden. Der andere Täter hielt die Kunden in Schach und sicherte das Geschehen. Zur Durchführung der Tat besprühten die Täter die drei Angestellten und die drei Kunden mit Reizgas und versursachten dabei jeweils Augen- und Hautreizungen. Die Beute betrug 48.600 €.

Die geschilderten Tatabläufe und die Höhe der Beute ergeben sich aus den Vernehmungen des Ermittlungsbeamten Markgraf, den in Augenschein genommen Lichtbildern und Bildern der Überwachungskameras, den sichergestellten Vermummungstüchern mit täterseits eingearbeiteten Kordelzug, der sichergestellten Schirmmütze und dreizehn sichergestellten Blankosparbüchern.

 

Der 7. Überfall

Am 23.09.2003 gegen 10:30 Uhr überfielen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt die Sparkassen-Filiale in der Paul-Bertz-Str. 14 in Chemnitz. Sie stürmten mit Tüchern, Brillen und Basecaps maskiert und bewaffnet den Schalterraum, in dem sich drei Kunden und Angestellte befanden. Böhnhardt und Mundlos bedrohten die Angestellten bei dieser Tat massiv mit ihren Schusswaffen. Die Kunden mussten sich auf den Boden legen. Eine der Angestellten konnte sich unter einem Schreibtisch verstecken. Uwe Mundlos entnahm auf dem Tresen stehend 435 € aus den Kassenschubladen.

Uwe Böhnhardt packte die Angestellte M. an den Haaren; der Angestellten F. schlug er den Lauf seiner Waffe zunächst in das rechte Auge und anschließend ziemlich schmerzhaft auf den Kopf, um seiner Drohung Nachdruck zu verleihen. Zur Steigerung des Bedrohungsszenarios fragte ein Täter den anderen, „Soll ich sie erschießen?“ Die Zeugen erlitten bei dieser Tat Todesangst. Uwe Böhnhardt forderte die Geschädigte Frohnert auf, den Tresor zu öffnen, aber die Angestellte verwies auf die Zeitschlosssicherung. Ohne weitere Beute flüchteten die Täter.

Zur Tatzeit und zur Tatbegehung nutzen Böhnhardt und Mundlos ein Wohnmobil, das der Angeklagte Eminger für den Zeitraum 22.-26.09.2003 gemietet und ihnen anschließend zur Verfügung gestellt hatte.

Die Tatzeugin F. bedurfte nach der Tat psychologischer Betreuung und leidet noch immer unter dem Geschehen bei der Tat.

Die Tatabläufe, wie ich sie geschildert habe, und die Höhe der Beute stehen fest durch die Aussagen der Zeugen M. und F., der Ermittlungsbeamten Wagner, Mertens, Markgraf, Queda und Voss, der sichergestellten Asservate, der Maskierungstücher, der sichergestellten Handschuhe, eines Blousons, der Joggingschuhe Diadora, die anhand der Schuhabdruckspuren zugeordnet werden konnten, sowie den in Augenschein genommenen Lichtbildern und Aufnahmen der Überwachungskamera. Dazu kommen ein sichergestellter Stadtplan mit Markierungen des Tatortes und des Fluchtwegs und ein im Brandschutt sichergestellter Notizzettel mit den Anmietdaten des Wohnmobils.

 

Der 8. Überfall

Am 14.05.2004 um 11:41 Uhr überfielen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt die Sparkassenfiliale in der Albert-Schweitzer-Str. 62 in Chemnitz.

Maskiert mit Gesichtstüchern und Sonnenbrillen und bewaffnet mit scharfen Schusswaffen traten sie auch bei diesem Überfall wiederum äußerst aggressiv auf und bedrohten die dort tätigen drei Angestellten A., K. und W. auf äußerst brutale Weise. Die in den Geschäftsräumen anwesende Kundin, die Zeugin Sch., musste sich sofort auf den Boden legen.

Uwe Böhnhardt, bewaffnet mit dem Revolver Alpha Kal. 38 Spezial, erzwang die Öffnung des Tresors und die Herausgabe [von Geld und Schecks]. Uwe Mundlos bedrohte die Zeugin Köllner mit der Pumpgun und fragte, ob sie wisse, was passiere, wenn die losgehen werde. Die Täter drohten bei der Tat mit Geiselnahme und mit dem Erschießen der Zeugen. Dazu wurde den Zeugen K., W. und A. die Waffen an den Kopf gehalten. Uwe Mundlos hielt auch der Zeugin A. die Pumpgun an die Schläfe und schlug ihr die Waffe anschließend auf den Kopf. Die Täter entnahmen Geld aus den Schalterkassen und entkamen, nachdem sie in einem Wutanfall noch Monitore und Computer der Bank demoliert hatten.

Sie entkamen mit Bargeld in Höhe von 33.175 Euro und Reisechecks im Wert von 4250 Euro. Zur Tatbegehung hatten sie ein Wohnmobil vom 13.-18.5.2004 angemietet. Die Zeugin K. erlitt [psychische Folgen].

In der Frühlingsstraße wurden die erbeuteten Reiseschecks und 2 gestempelte Banknoten, die vom Überfall stammen, sichergestellt. Die Abläufe und die Beute stehen [zudem] fest auf Grund der Angaben der Zeugen E., R., K., A., Sch. und W., der Beamtin Queda zu sichergestellten gestempelten Banknoten, der Zeugen F. und Queda zur der Fahrzeuganmietung und des Zeugen Markgraf zu der Täterkleidung und den sichergestellten Waffen. Zudem wurden in der Hauptverhandlung Lichtbilder vom Tatort in Augenschein genommen

 

Der 9. Überfall

4 Tage später, am 18.05.2004, gegen 11.30 Uhr überfielen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt die Sparkassenfiliale in der Sandstr. 37 in Chemnitz. Die Täter bedrohen die Angestellten G., I. und A. im Schalterbereich mit einem Revolver. Der damalige Praktikant – der Zeuge Z. – musste sich sofort auf den Boden legen. Uwe Böhnhardt entnahm den Kassenschubladen die darin befindlichen Banknoten und erzwang von der Zeugin G., der er eine Waffe vors Gesicht hielt, die Öffnung des Tresors, dem er ebenfalls Geld entnahm. Uwe Mundlos sicherte den Kundenbereich und das Beratungszimmer, in denen sich noch eine weitere Angestellte und zwei Kunden aufhielten, und bedrohte die Anwesenden mit einer Pumpgun Maverick 88. Die Täter entkamen bei dieser Tat mit 73.815 €. Die Zeugin G. ist seit dem Vorfall weiter traumatisiert. Der Zeuge Z. erlitt einen Schock.

Die Abläufe stehen fest auf Grund der Zeugen H., E., R., G., Z., I. und A.. Zudem wurden auch von dieser Tat Lichtbilder vom Tatort in Augenschein genommen. Die Zuordnung der Tat zur Serie ist ausgehend von der Aussage des Zeugen M. aufgrund der identischen Vorgehensweise, der Beschreibung der Täterkleidung und der Markierung eines Fluchtwegs auf einem sichergestellten und in Augenschein genommen Stadtplan ohne weiteres möglich.

 

Der 10. Überfall

Am 22.11.2005, gegen 17.10 Uhr überfielen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt ein zweites Mal die Sparkassenfiliale in der Sandstr. 37 in Chemnitz. Die Angestellten I. und A. erlebten in der Filiale den zweiten Raubüberfall von Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos.

Uwe Mundlos war mit der Pumpgun Mossberg Maverick 88 bewaffnet, die er bei Betreten der Sparkasse durchlud, und sicherte den Kundenbereich und die Beratungszimmer. Uwe Böhnhardt verlangte unter Bedrohung mit einem Revolver und einer Handgranatenattrappe die Herausgabe von Geld und die Öffnung des Tresors. Nachdem jedoch der Filialleiter auf den Zeitschlossmechanismus hingewiesen und akustischen Alarm ausgelöst hatte, mussten die Täter ohne Beute fliehen. Zur Begehung der Tat hatten Böhnhardt und Mundlos ein Wohnmobil angemietet.

Die Abläufe schilderten die Zeugen H., K., I. und A.. Lichtbilder vom Tatort wurden in der Hauptverhandlung in Augenschein genommen; die Zeugen Q. und V. haben zur Anmietung des Wohnmobils ausgesagt. Der Zeuge Markgraf bekundete die Zuordnung der Tat anhand der Kleidung und Vorgehensweise der Täter.

 

Der 11. Überfall

Am 05.10.2006 gegen 12 Uhr überfiel Uwe Böhnhardt alleine die Sparkasse in der Kosmonautenstr. 2 in Zwickau. Zur Tatzeit befanden sich sieben Personen im Schalterbereich und weitere zwei Angestellte im hinteren Teil der Räumlichkeiten.

Böhnhardt war mit einem Trommelrevolver Alfa, Kaliber .38 Spezial bewaffnet. Er bedrohte die vier Angestellten im Schalterbereich mit der Waffe und verlangte die Öffnung des Tresors. Um seiner Forderung Nachdruck zu verliehen, griff er zunächst die Zeugin S. an und schlug ihr einen Tischventilator auf den Arm. Dann schlug er das Gerät der Geschädigten R. auf den Kopf. Die Zeugin erlitt so starke Schmerzen, dass sie zu Boden ging. Nach dem Hinweis auf die Zeitschlosssicherung stürmte Böhnhardt in den Kundenbereich und setzte dem Zeugen Dr. W. die Waffe an den Kopf. Bei dieser Gelegenheit löste sich bereits ein Schuss.

Anschließend hielt er dem Auszubildenden – dem Zeugen R. – die Waffe an den Kopf. Er drohte, ihn zu erschießen, falls der Tresor nicht geöffnet würde. Als der Zeuge R. in dieser Situation versuchte, ihn zu überwältigen, kam es zum einem Gerangel. Uwe Böhnhardt schoss durch seine Jacke nach hinten dem Zeugen R. von hinten aus kürzester Entfernung in den Rücken. Uwe Böhnhardt kam es dabei darauf an, unerkannt zu entkommen, und er nahm dabei den Tod des Auszubildenden billigend in Kauf. Er erkannte, dass er die Tat nicht mehr beenden konnte. Nach dem Bauchschuss ging Uwe Böhnhardt davon aus, dass er die Beute nicht mehr bekommen konnte, und floh.

N. R. erhielt einen Bauchdurchschuss; er wurde notoperiert und zwei Wochen stationär behandelt, davon eine Woche auf der Intensivstation. Er verlor seine Milz. Er leidet noch heute an physischen und psychischen Folgen des Tatgeschehens; alle Zeugen des Tatgeschehens erlitten auch bei diesem Überfall Todesangst. Die Angestellte R. wurde drei Monate von panischen Angstzuständen heimgesucht und leidet auch noch heute massiv an den Folgen der Tat. Die Angestellte […], geborene I., schilderte ausdrücklich ihr Entsetzen; immer wieder wurde sie von Panikattacken verfolgt. Auch die Angestellte S. kann die Eindrücke nicht vergessen und leidet bis zum heutigen Tag an den Folgen der Tat.

Die Abläufe stehen fest auf Grund der Aussagen der Zeugen Seifert, R., Q., G., Dr. W., R. und N., den Angaben der Ermittlungsbeamten Markgraf und Krause, der sachverständigen Zeugen Dr. Ziemann und Dr. Scharf, des Sachverständigen Dr. Peschel, der In-Augenschein-Nahme von Lichtbildern, des sichergestellten Revolvers Alfa, der sichergestellten olivgrünen Kapuzenjacke mit Durchschussspur, sowie einer sichergestellten schwarzen Sturmhaube und einem im Brandschutt der Wohnung sichergestellten Rucksacks. Die Tatwaffe – der Revolver der Marke Alfa – konnte auf Grund zweier am Tatort gesicherten Projektile eindeutig identifiziert werden.

 

Der 12. Überfall

Am 07.11.2006 um 17.38 Uhr überfielen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt die Sparkassenfiliale in der Kleinen Parower Str. 51-52 in Stralsund. Den möglichen Tatort hatten sie zuvor während der gemeinsame Urlaube ausgekundschaftet.

Sie stürmten maskiert mit schwarzen Rollmasken in die Räumlichkeiten, in denen sich zum Tatzeitpunkt sieben Angestellte und drei Kunden befanden. Sie bedrohten die dort anwesenden sieben Angestellten; Uwe Mundlos schoss sofort mit einem Schreckschussrevolver in Richtung Decke und hielt neben den Angestellten auch drei weitere Kunden in Schach mit der Pistole. Uwe Böhnhardt erzwang, mit einem silberfarbenen Revolver bewaffnet, die Öffnung des Tresors. Aus diesen sowie den Kassen entnahmen sie insgesamt 84.995 €.

Auch für diese Tatbegehung hatten Böhnhardt und Mundlos vom 04. bis 10.11.2006 ein Wohnmobil angemietet. Die Zeuginen W., K. und B. litten nach der Tat unter massiven psychischen Problemen.

Die Abläufe stehen fest auf Grund der Zeugen W. und [Vorname] K., M., B. und O., der Ermittlungsbeamten Strack, Mompe, Markgraf und […], den in Augenschein genommenen Lichtbildern und Bildern der Überwachungskamera, der in der Frühlingsstraße sichergestellten Banderolen, zum Teil mit Datumsangaben, dem sichergestellten Revolver, den sichergestellten Waffen W08 und W09, den sichergestellten Turnschuhen der Marke Victory, zweier Jacken, zweier Rucksäcke, zweier Sturmhauben, Ermittlungen zur Anmietung, Ermittlungen zur Mietvertrag  und Adresslisten mit der Angabe des Objekts, und Ausspähungsliste mit Angaben [zum Tatobjekt].

 

Der 13. Überfall

Etwa 3 Monate später – am 18. Januar 2007 – um 17:15 Uhr überfielen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt erneut die Sparkassenfiliale in der Kleinen Parower Str. in Stralsund, wieder auf ähnliche Art und Weise.

In den Räumlichkeiten befanden sich mindestens vier Kunden und sechs Angestellte. Uwe Mundlos war mit 2 Handfeuerwaffen bewaffnet. Zur Einschüchterung schoss er mit einem Schreckschussrevolver in die Decke und hielt die Angestellten und Kunden mit einer weiteren Schusswaffe in Schach. Uwe Böhnhardt bedrohte die Zeugin B. mit einem silberfarbenen Revolver. Er äußerte, er knalle sie ab, wenn er eine Farbbombe erhalten würde. Er erzwang die Öffnung des Tresors. Unter dem Eindruck der Drohungen steckte die Angestellte zunächst Geld in eine von Böhnhardt bereitgehaltene Tüte, bis dieser selbst zugriff. Weiteres Geld nahm er aus dem Kassenbestand an sich. Die Gesamtbeute betrug 16.9970 €. Auch für diese Tatbegehung hatten Böhnhardt und Mundlos vom 09. bis 20.01.2007 ein Wohnmobil angemietet.

Die Zeugin R. litt in der Folgezeit an massiven Ängsten. Auch die Zeugen M. und B. leiden weiterhin unter Angstzuständen.

Die Abläufe stehen fest durch die Aussagen der Zeugen R., K., D., M. und B., der Aussagen der Ermittlungsbeamten Wumpe, Strack, Markgraf und Mollnau, der Inaugenscheinnahme der Lichtbilder und Aufnahmen der Überwachungskamera, der sichergestellten eindeutig zuordbaren Banderolen, dem sichergestellten Geldbetrag von € 20.000, der sichergestellten Waffen, der sichergestellten Turnschuhe sowie eines sichergestellten Belegs zur Wohnmobil-Anmietung.

 

Die 14. Tat

Am 07.09.2011 gegen 8.45 Uhr überfielen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt die Sparkassenfiliale in der Goethestr. 2 in Arnstadt. Das Geldinstitut hatten sie vorher ausgespäht.

Mit Sturmhauben maskiert und bewaffnet mit Handfeuerwaffen sowie einer täuschend echt wirkenden Handgranatenattrappe bedrohten sie die Angestellten K., F. und L.. Von der Angestellten K. verlangten sie die Öffnung der Tür zum Kassenbereich sowie des Tresors, sonst flögen alle in die Luft. Uwe Böhnhardt schlug, um der Forderung Nachdruck zu verleihen, der Angestellten F. ein Telefon derart wuchtig auf den Kopf und auf die Arme, dass diese eine blutende Verletzung an Kopf und Hämatome an den Armen davontrug. Anschließend entnahm er dem Kassenbestand 15.000 €.

Uwe Mundlos, der in beiden Händen Faustfeuerwaffen trug, versuchte parallel dazu, die Öffnung des Tresors zu erreichen, indem er die Zeugin L. mit der Waffe bedrohte und eine der Waffen dem Filialleiter – dem Zeugen A. – an den Kopf hielt.

Wegen eines Zeitschlosses scheiterte letztlich ihr Plan, an das im Tresor befindliche Geld zu gelangen. Daraufhin nahmen sie von der weiteren Tatausführung Abstand und verließen mit der Beute von 15.000 € im Rucksack die Filiale. Zur Tatbegehung hatten sie wiederum ein Wohnmobil angemietet und benutzt.

Die Zeugin F. musste stationär behandelt werden und leidet noch heute an massiven Angstzuständen.

Von der Beute wurde ein Betrag von 3.000 € im Wohnmobil in Eisenach sichergestellt. Die geschilderten Abläufe stehen fest aufgrund der Aussagen der Zeugen K., A., L., F., W., M., Ernst, M., P. und V.; die Videoaufzeichnung der Überwachungskamera, Lichtbildmappen und Abbildungen der Asservate wurden in Augenschein genommen.

Nach der Aussage des Zeugen Markgraf konnten die sichergestellten 3.000 € anhand der Banderolen und der Datumsstempel der Tat eindeutig zugeordnet werden. Die Sturmhauben, Jacken, Hosen Turnschuhe und ein Pullover, die die Täter während der Tatausführung trugen, sowie die Handgranate und Ausspähungsunterlagen – wie etwa eine Skizze des Innenraums der Bank – wurden im Wohnmobil sichergestellt. Der Rucksack fand sich in der Wohnung Frühlingsstraße; die Anmietung des Wohnmobils, die auch ein sichergestellter und verlesener Mietvertrag belegt, bekundeten die Zeugen M., B. und V..

 

Den letzten Banküberfall

verübten Böhnhardt und Mundlos am 04.11.2011 in Eisenach. Auch dieses Gebäude hatten sie vorher ausgekundschaftet. Gegen 9.10 Uhr morgens betraten sie mit Sturmhauben maskiert und bewaffnet die Filiale der Sparkasse am Nordplatz 13. In der in der Filiale befanden sich sechs Angestellte und zwei Kunden. Uwe Mundlos war mit einer schwarzen Pistole Ceska 70 bewaffnet und zwang die Kunden, sich hinzuknieen.

Uwe Böhnhardt führte einen silberfarbenen Revolver Melcher mit sich und verlangte von der Zeugin T. und W. die Herausgabe von Bargeld. Nachdem die Zeugin W. ihm zunächst den Bestand der Notkasse herausgab, forderte Böhnhardt die Öffnung des Tresors. Als der Filialleiter, der Zeuge Ch., dem nicht sofort nachkam, schlug Uwe Böhnhardt dem Zeugen mit der Pistole auf den Kopf. Der Zeuge erlitt eine blutende Platzwunde. Daraufhin öffnete die Zeugin W. den Tresorraum und übergab das Bargeld.

Die Beute betrug insgesamt 71.915 € und wurde im Verlauf der Ermittlungen vollständig sichergestellt.

Böhnhardt und Mundlos flüchteten mit einem Wohnmobil, das die Angeklagte Zschäpe zusammen mit Böhnhardt beim Zeugen K. für die Tat angemietet hatte, in ein Wohngebiet in Eisenach. Ihr Plan war es, dort die Ringalarmfahndung abzuwarten. Als Mundlos und Böhnhardt bemerkten, dass die Polizeibeamten Seeland und Mayer das Wohnmobil im Rahmen der Fahndung gegen Mittag in der Straße Am Scharfrain entdeckt hatten und sich dem Fahrzeug näherten, entschlossen sich beide, sich ihrer Festnahme mit dem Einsatz von Schusswaffen zu entziehen. Sie feuerten aus dem Fahrzeug heraus mit der Maschinenpistole Pleter 91 auf die sich zu Fuß nähernden Polizeibeamten. Sie wollten durch die Tötung der Zeugen ihrer Entdeckung entkommen.

Nach dem ersten Schuss hatte die Waffe, die nur mit Dauerfeuer zu beschießen ist, eine Ladehemmung; die Beamten waren in Deckung gegangen. Der Plan war damit gescheitert. Böhnhardt und Mundlos setzten daraufhin – wie für einen derartigen Fall von vornherein besprochen – das Wohnmobil in Brand. Anschließend erschoss Uwe Mundlos zunächst Uwe Böhnhardt und sodann sich selbst. Mit dem Tod dieser beiden Personen am 04.11.2011 war die terroristische Vereinigung NSU aufgelöst.

Die Feststellungen dieser Abläufe beruhen auf den Angaben der Zeugen N., W., T., Ch. zu den Vorgängen in der Bank, der Zeugen S., K., Kn., A. und Q. zu dem angemieteten Wohnmobil, der Zeugin Juch zu den sichergestellten Stadtplänen und der Skizze der Sparkasse, der Zeugen […] zu den Vorgängen in Eisenach, der Zeugen Sokoschek und Harder zur Tatortarbeit am Wohnmobil, des Zeugen Markgraf zur sichergestellten Beute und sichergestellten weiteren Asservaten, des Zeugen Menzel zur Sicherung des Wohnmobils, den in Augenschein genommenen Lichtbildern vom Tatort und von der Überwachungskamera, der sichergestellten Tatbeute, der sichergestellten Täterkleidung, der Waffen und der eingesetzten Fahrräder, den Ausführungen des SV Dr. Heiderstedt zur Obduktion von Böhnhardt und Mundlos, des im Wohnmobil sichergestellten und verlesenen Mietvertrags und der Inaugenscheinnahme der sichergestellten Skizze der Sparkasse.

Die Kleidung und die Waffen, die Böhnhardt und Mundlos bei dieser Tat trugen, wurden im Wohnmobil in Eisenach sichergestellt und konnten anhand der im Überwachungsvideo dargestellten individuellen Merkmale eindeutig zugeordnet werden. Sichergestellt wurde im Wohnmobil auch die Maschinenpistole Pleter, mit der vom Wohnmobil aus auf die Zeugen Seeland und Mayer geschossen worden ist.

Herr Vorsitzender, ich wäre jetzt mit den Überfällen fertig.

Mittagspause 11:32 bis 12:30 Uhr. Weiter 12:36 Uhr

 

OStA‘in Greger:

Herr Vorsitzender, es stellt sich die Frage nachdem die Bundesanwaltschaft dargestellt hat, welche Feststellungen nach der Beweisaufnahme getroffen wurden, wie ist das Verhalten der einzelnen Angeklagten strafrechtlich zu würdigen ist.

Mir kommt dabei die Aufgabe zu, zu würdigen, wie stellt sich das Verhalten der Angeklagten Zschäpe strafrechtlich darstellt. Das Verhalten der Angeklagten Zschäpe im Zusammenhang mit der Gründung und der Mitgliedschaft in der Organisation NSU erfüllt strafrechtlich den Tatbestand der Bildung einer terroristischen Vereinigung nach § 129a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 2 StGB in der Fassung vom 22.12.2003.

Bei dem NSU handelte es durchgängig von 1998 bis zum Jahre 2011 um eine terroristische Vereinigung im Sinne des § 129 a StGB. Im Zeitraum von 1998 bis zum heutigen Tage wurde der Wortlaut der Strafbestimmung des § 129a StGB mehrmals geändert. Die Gesetzesänderungen wirken sich jedoch nach § 2 Abs. 1, 2 und 3 StGB auf die Strafbarkeit der Angeklagten Zschäpe nicht aus. Bereits im Jahr 1998 – im Gründungsjahr – war die Bildung einer terroristischen Vereinigung im § 129a StGB alter Fassung unter Strafe gestellt. Im Jahr 2003 wurde die Vorschrift § 129a in Teilen neu gefasst und die Tatbestandsvoraussetzungen wurden zum Teil modifiziert. In der zuletzt im Juli dieses Jahres – also nach der Beendigung der Tat – vorgenommenen Veränderung des Gesetzes wurde der Begriff der Vereinigung neu definiert.

Bei der Gruppierung um die Angeklagte Zschäpe handelte es sich durchwegs durchgängig um eine Vereinigung im Sinne des § 129a StGB. Seit der Rechtsprechung des BGH im 10. Band setzte der Begriff der Vereinigung einen auf Dauer angelegten freiwilligen organisatorischen Zusammenschluss von mindestens drei Personen voraus, die bei Unterordnung des Willens des Einzelnen unter den Willen der Gesamtheit gemeinsame Zwecke verfolgen und sich als einheitlicher Verband fühlen, so der BGH in BGHSt 10, 16. Der NSU erfüllt alle Voraussetzungen eines derartigen Vereinigungsbegriffs.

Die Gruppe NSU war strukturiert, auf Dauer angelegt, freiwillig und bestand aus drei Personen. Wie das Bekenntnis der Gruppe, ihre Außendarstellung im NSU-Brief, ihre Gruppenbezeichnung und die über Jahre hinweg praktizierte und abgestimmte Vorgehensweise belegen, ordneten sich die einzelnen Mitglieder dem übergeordneten staatfeindlichen Gruppenwillen unter. Die Mitglieder verfolgten gemeinsame Zwecke und fühlten sich untereinander als einheitlicher Verband.

An diesem Ergebnis ändert auch die letzte aktuelle Gesetzesänderung nichts. Mit dem 54. Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches vom 15.7.2017 hat der Gesetzgeber nunmehr aktuell des Begriffs der Vereinigung in § 129 Abs. 2 StGB legaldefiniert und in § 129a StGB neue Fassung nunmehr auf diese Definition der Vereinigung verwiesen. Nach der neuen Legaldefinition versteht man unter einer Vereinigung einen auf längere Dauer angelegten, von einer Festlegung von Rollen der Mitglieder, der Kontinuität der Mitgliedschaft und der Ausprägung der Struktur unabhängigen, organisierten Zusammenschluss von mehr als zwei Personen zur Verfolgung eines übergeordneten, gemeinsamen Interesses. Nach den Gesetzesmaterialen solle der Vereinigungsbegriff mit der Neufassung erweitert werden, so Bundestags-Drucksache 18/11275, S. 7. Der Begriff „unabhängig“ ist nach dem in den Materialien zum Ausdruck gebrachten gesetzgeberischen Willen demnach im Sinne von „nicht notwendig“ zu verstehen, d.h. der neue Vereinigungsbegriff verzichtet ausdrücklich auf Anforderungen an Struktur und Willensbildung.

Der NSU würde danach auch die neuen Vorgaben für die terroristische Vereinigung voll erfüllen, so dass die Vorschrift des § 2 Abs. 3 StGB die Strafbarkeit der Angeklagten unberührt lässt. Die Vereinigung des NSU war durchgängig auf die Begehung von Mord sowie auf das Herbeiführen von Sprengstoffexplosionen ausgerichtet, § 129 a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 2 in der Fassung ab 22.12.2203. Auch vor der Gesetzesänderung war die terroristische Zwecksetzung des NSU bereits seit 1998 fortlaufend vom damaligen Tatbestand der Vorschrift umfasst, vgl. § 129a Abs. 1 Nr. 1 und damals Nr. 3 StGB in den Fassungen ab 26.1.1998. Da nach der Neufassung der Vorschrift im Jahre 2003 auch bezüglich des Bezugsdelikts „Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion“ dem Erfordernis der Unrechtskontinuität zwischen altem und neuem Recht Genüge getan ist, hat sich die bereits die eröffnete Strafbarkeit auch insoweit im Jahr 2003 in das neue Recht fortgesetzt.

Die Gewalttaten der Vereinigung waren – wie alle drei Versionen des Videos belegen – dazu bestimmt, die Bevölkerung auf erhebliche Weise einzuschüchtern, § 129 a Abs. 2 StGB in der Fassung seit 2003. Die Anschläge waren auf Grund ihres Ausmaßes auch geeignet, die Bundesrepublik Deutschland als Staat zu schädigen. Die Strafdrohung für die mitgliedschaftliche Betätigung – Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren – blieb dabei stets unverändert. Die Vorschrift des § 2 Abs. 2 StGB kommt daher insoweit nicht zum Tragen.

Und auch wenn die Vorgehensweise von Böhnhardt und Mundlos auf zunehmend psychopathisch auffällige Wesenszüge schließen lässt, würde eine etwaige psychische Auffälligkeit von zwei Mitgliedern dem Verband weder die Struktur noch die terroristische Zwecksetzung nehmen.

Anhaltspunkte dafür, dass der staatsfeindliche Zweck der Anschläge nur vorgegeben sein könnte, bestehen nicht. Zu erinnern ist hier, dass mögliche Opfer von der Gruppe als „zu alt“ qualifiziert und deren Tötung deswegen verworfen wurde.

Die Vereinigung bestand bis zum 4.11.2001 fort. Auch wenn nach dem Jahr 2007 keine ideologisch motivierten Straftaten der Gruppe mehr festgestellt wurden, bestehen nach der durchgeführten Beweisaufnahme keine Anhaltspunkte für eine vorzeitige Auflösung oder für eine nennenswerte Umstrukturierung der Gruppe. Der Umstand, dass das Bekennervideo kontinuierlich in der Wohnung versandfertig vorgehalten wurde und dass Böhnhardt und Mundlos auf ihren Reisen Mehrfertigungen davon mitführten – so zuletzt in Eisenach – spricht eindeutig gegen eine Beendigung der Vereinigung vor dem 04.11.2011.

Die Angeklagte Zschäpe gründete diese terroristische Vereinigung in Kenntnis aller Umstände gemeinsam mit den verstorbenen Mundlos und Böhnhardt. Sie hat die Entstehung mit dem gemeinsamen Bemühen um eine sichere Legendierung, der gemeinsamen Wohnungssuche, der gemeinsamen Waffensuche und der gemeinsamen Entscheidung, die Gruppe durch die Begehung von Überfällen zu finanzieren, wesentlich gefördert. Da jedoch das Gründen der Vereinigung im Jahr 1998 ein Erfolgsdelikt darstellt, das im Jahr 1998 auch beendet war, ist nach § 78a und 78 Abs. 3 Nr. 3 StGB jeweils insoweit bereits Strafverfolgungsverjährung eingetreten.

Im Anschluss an die Gründung beteiligte sich die Angeklagte wiederholt bis zur Auflösung des NSU am 04.11.2011 in der Vereinigung als Mitglied, in dem sie legendierte, Finanzen verwaltete, Wohnungen besorgte und die bereits dargestellten weiteren logistischen Tätigkeiten entfaltete. Diese Akte dienten dem Zusammenhalt und der Arbeit der Organisation. Sie stellen aktive Förderungshandlungen dar, in denen sich die Eingliederung der Angeklagten in die Organisation und ihre Unterordnung unter deren Willen manifestiert und die ihren Unrechtsgehalt aufgrund ihrer Eingliederung in die Organisation erlangen. Dass die Handlungen teilweise für sich betrachtet gar nicht strafbar waren, ist insoweit unschädlich, vergleiche BGH in BGHSt 60, 308, 319.

Die später begangenen Gewaltdelikte, die gerade den Zweck der Vereinigung bildeten, stehen nach der neueren Rechtsprechung des 3. Strafsenats des BGH aus dem Jahr 2015 – vgl. wieder die schon zitierte Entscheidung BGHSt 60, 308, 311, 318 ff – in Tatmehrheit zu der Gesamtheit der sonstigen mitgliedschaftlichen Betätigungshandlungen, die jeweils keinen gesonderten Tatbestand erfüllen, sich also zunächst als strafrechtlich neutrale Handlung darstellen. Letztere, also diese mitgliedschaftlichen Betätigungshandlungen ohne gesonderten strafrechtlichen Tatbestand – sind im Organisationsdelikt der terroristischen Vereinigung zu einer tatbestandlichen Handlungseinheit zu verknüpfen, so der BGH in der bereits zitierten Rechtsprechung.

Ich beantrage mit Blick auf das Hinzutreten des selbständigen Organisations-Delikts insoweit einen entsprechenden rechtlichen Hinweis zu erteilen. Die Verjährung des Organisationsdelikts beginnt nach § 78a StGB erst mit der Beendigung, da die Gewaltstraftaten der Gruppe nach der neuen Rechtsprechung des BGH nicht zu einer Zäsur innerhalb des Organisationsdelikts führen. Da andererseits das Organisationsdelikt erst im Jahr 2011 beendet wurde, ist auch bezüglich der jeweils tateinheitlich zu den Anschlägen und Raubüberfällen abzuurteilenden mitgliedschaftlichen Betätigungen in der terroristischen Vereinigung nach der bereits zitierten Rechtsprechung BGHSt 60, 308 in keinem Fall Verjährung eingetreten. Etwaige verjährte Straftaten, die sich zugleich als Handlungen im Rahmen der terroristischen Vereinigung darstellen, führen nicht zu einer Aufspaltung des Organisationsdelikts, sondern insoweit hat es bei der tatbestandlichen Einheit sein Bewenden.

Die Angeklagte Zschäpe hat darüber hinaus zusätzlich zu der mitgliedschaftlichen Betätigung in einer terroristischen Vereinigung sich auch strafbar gemacht wegen zehn Fällen des Mordes, in einem Fall rechtlich zusammentreffend mit versuchtem Mord und mit gefährlicher Körperverletzung, wegen eines versuchten Mordes in [Tateinheit mit weiteren Delikten], wegen eines versuchten Mordes in 32 Fällen in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung in 23 Fällen in Tateinheit mit Herbeiführen einer schweren Sprengstoffexplosion und wegen eines weiteren versuchten Mordes mit Herbeiführung einer schweren Sprengstoffexplosion.

Diese Taten wurden mittäterschaftlich begangen und jeweils rechtlich zusammentreffend mit den genannten Gewalttaten liegt zudem Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung vor. Hinsichtlich dieser ideologisch motivierten Straftaten ist von folgender Strafbarkeit im Einzelnen auszugehen:

Die Tötungsdelikte mittels der Ceska-Waffe stellen sich jeweils als gemeinschaftlich begangener Mord dar, strafbar nach §§ 211, 25 Abs. 2 StGB, wobei in jedem Fall die Mordmerkmale der Heimtücke und der niedrigen Beweggründe gegeben sind. Jede der Tötungen wurde von den Tätern aus niedrigen Beweggründen heraus begangen. Jedes Opfer wurde als anonymes und für andere stellvertretendes Objekt für die ideologischen Ziele der Täter ausgewählt. Wer aus terroristischen Motiven gezielt an der politischen Auseinandersetzung unbeteiligte Dritte tötet, handelt aus niedrigen Beweggründen, so der BGH in NJW 2004, 3051 ff.

Dagegen sind die Taten nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht handlungsbestimmend aus Mordlust begangen worden. Ausschlaggebend war nicht, dass es den Tätern darauf angekommen wäre, einen Menschen, irgendeinen Menschen zu töten, wie nicht zuletzt auch die Sprengstoffdelikte belegen; ausschlaggebend war die Einschüchterung einer ganz bestimmten Bevölkerungs-Menschengruppe und damit ein hinter der Handlung bestehendes Handlungs- und Fernziel.

Sämtliche Taten wurden zudem jeweils heimtückisch begangen. Denn das Mordmerkmal der Heimtücke erfordert kein heimliches Vorgehen. Keines der Opfer rechnete in der konkreten Situation mit einem Angriff. Die Opfer gingen davon aus, dass Kundschaft ihren Verkaufsraum betrat oder sich dem Verkaufstand näherte – ein Umstand, den die Täter ihrem Tatplan entsprechend bewusst ausnutzten. Die danach verbleibende Zeitspanne zwischen dem Erkennen der Gefahr und dem unmittelbaren Angriff war in jedem Fall so kurz bemessen, dass den Opfern keine Möglichkeit blieb, diesem Angriff irgendwie zu begegnen. Tateinheitlich verwirkte und noch nicht verjährte Vergehen gegen das Waffengesetz wurden von der Strafverfolgung gemäß § 154 Abs. 1 Nr. 1 StPO ausgenommen.

Der Sprengstoffanschlag in der Probsteigasse in Köln erfüllt den Tatbestand des gemeinschaftlichen Herbeiführens einer schweren Sprengstoffexplosion in Tateinheit mit gemeinschaftlichem versuchten Mord nach §§ 308 Abs. 1 und 2, 211, 22, 23, 25 Abs. 2 und 52 StGB. Die Täter handelten mit Tötungsabsicht, heimtückisch und aus niedrigen Beweggründen und verübten Ihre Tat mit einem gemeingefährlichen Mittel. Auf Grund der Konstruktionen des Sprengsatzes in der Probsteigasse ist davon auszugehen, dass die Gruppe gezielt die Person, die die Dose öffnete, töten wollte. Hinsichtlich der gefährlichen Körperverletzung ist bereits Verfolgungsverjährung eingetreten; verjährt sind auch die zugleich verwirklichten Verstöße gegen das Sprengstoffgesetz.

Der Sprengstoffanschlag in der Keupstraße in Köln erfüllt den Tatbestand des gemeinschaftlichen Herbeiführens einer schweren Sprengstoffexplosion in Tateinheit mit gemeinschaftlichem versuchtem Mord in 32 Fällen und mit gefährlicher Körperverletzung in 23 Fällen nach den §§ 308 Abs. 1 und 2, 211, 224 Abs. 1 Nr. 2, 3 und 5, 22, 23, 25 Abs. 2, 52 StGB. Auch hier handelten die Täter mit Tötungsabsicht, heimtückisch und aus niedrigen Beweggründen und verübten ihre Tat mit einem gemeingefährlichen Mittel. Die Täter wollten jeden töten, der sich im näheren Umkreis des mit Nägeln befüllten Sprengsatzes befand. Zweiunddreißig Personen hielten sich zum Zeitpunkt der Tat im engeren Umkreis des Ablageortes auf. Tatsächlich verletzt mittels eines gefährlichen Werkzeugs, mittels hinterlistigen Überfalls und mittels lebensgefährlicher Behandlung wurden 23 Personen. Auch bezüglich der geschädigten S. S. ist der Körperverletzungserfolg – die körperlich wirkende Beeinträchtigung, wie sie von der Zeugin geschildert wurde – noch als unmittelbare Folge der Tathandlung eingetreten. Hinsichtlich der Anzahl der Verletzten und der vom Tötungsvorsatz umfassten Personen ist ein entsprechender rechtlicher Hinweis des Senats bereits ergangen.

Der Anschlag auf die Polizeibeamten in Heilbronn ist als gemeinschaftlicher Mord in Tateinheit mit versuchtem Mord und gefährlicher Körperverletzung zu werten und gemäß §§ 211, 224 Abs. 2 Nr. 2 bis 5, 22, 23, 25 Abs. 2 und 52 StGB zu bestrafen. Auch hier sind jeweils die Mordmerkmale der niedrigen Beweggründe und der Heimtücke verwirklicht, nicht aber die Merkmale der Mordlust und der Habgier. Beide Beamte versahen sich in der konkreten Situation keines Angriffs auf ihr Leben. Tatbeherrschend war der terroristische Angriff auf den Staat. Die beiden Opfer waren nach der Beweisaufnahme zufällig als Repräsentanten des Sicherheitsapparats ausgewählt worden. Die Ausrüstungsgegenstände der Beamten dienten der Gruppe als Belegstücke und als Trophäen. Weil es keine Anhaltspunkte dafür gibt, dass Mundlos und Böhnhardt während ihrer Anwesenheit am Tatort erkannten, dass die Tat zum Nachteil des Geschädigten A. noch nicht vollendet war, sie jedenfalls aber angesichts der direkten Kopfschüsse sicher mit der Vollendung rechneten, liegt ein beendeter Versuch vor, von dem keiner der Täter nach § 24 Abs. 2 StGB zurückgetreten ist. Die Eigentumsdelikte und Verstöße gegen das Waffengesetz wurden nach § 154a StPO von der Verfolgung ausgenommen.

Soweit zu den Gewaltdelikten der Gruppe.

Die Angeklagten beging aber auch die Raubtaten gemeinschaftlich mit Böhnhardt und Mundlos. Sie ist insoweit strafbar wegen eines versuchten Mordes in Tateinheit mit besonders schwerem Raub; wegen eines versuchten Mordes mit besonders schwerer räuberischer Erpressung und mit versuchtem Raub mit Todesfolge, wegen 2 Fällen der besonders schweren räuberischen Erpressung, wegen 10 Fällen des besonders schweren Raubes, in 4 Fällen rechtlich zusammen treffend mit besonders schwerer räuberischer Erpressung, wegen eines versuchten besonders schweren Raubes, jeweils in Tateinheit mit Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung.

Bei sämtlichen Überfällen zur Geldbeschaffung haben Mundlos und Böhnhardt mindestens eine scharfe Schusswaffe einvernehmlich und mit Wissen und Wollen der Angeklagten Zschäpe als Nötigungsmittel zur Herbeiführung der Wegnahme oder Weggabe mittels Bedrohung oder zur Ermöglichung der Flucht eingesetzt. Dies erfüllt das Tatbestandsmerkmal des Verwendens einer Waffe im Sinne des § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB. Je nach dem äußeren Erscheinungsbild der Tat ist abhängig davon, ob die Täter die Beute selbst weggenommen haben oder sich haben übergeben lassen, von besonders schwerem Raub oder anderenfalls von besonders schwerer räuberischer Erpressung auszugehen. Sämtlichen Taten lag eine Bandenabrede zugrunde, so dass der Tatbestand des 250 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 1 Nr. 2 StGB erfüllt ist. Wurde während der Taten Gewalt angewendet, war diese vom gemeinsamen Tatplan gedeckt und stellt nicht etwa einen Exzess dar, so dass die Gewaltanwendung der Angeklagten Zschäpe strafrechtlich vollumfänglich zugerechnet wird. Soweit darüber hinaus in Einzelfällen zugleich die Tatbestände des erpresserischen Menschenraubes, der gefährlichen Körperverletzung, der mit einem vollendeten Raub zusammentreffenden versuchten räuberischen Erpressung und der Nötigung erfüllt sind, wurde die Strafverfolgung nach § 154 a Abs. 1 Nr. 1 StPO auf die dargestellten Straftatbestände beschränkt. Dasselbe gilt für Verwenden eines gefährlichen Werkzeugs bei Überfällen und für Verstöße gegen das Waffengesetz, die ebenfalls nach § 154 StPO von der Strafverfolgung ausgenommen wurden.

Danach stellen sich die einzelnen Überfälle strafrechtlich wie folgt dar: Die Nummern, die ich verwende, beziehen sich auf die Nr. in der Anklage.

Der Überfall auf den Edeka-Markt – das ist der Fall I.13, der erste Überfall. Der Überfall auf den Edeka-Markt ist als gemeinschaftlich begangene besonders schwere räuberische Erpressung in Tateinheit mit versuchtem Raub mit Todesfolge und mit versuchtem Mord aus Habgier und zur Verdeckung der Vortat gem. §§ 211, 253, 255, 250 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 2 in Verbindung mit Abs. 1 Nr. 2, 22, 23, 52 StGB strafbar. Die Täter nahmen bei der Schussabgabe eine Tötung des Nacheilenden billigend in Kauf und handelten daher in Bezug auf die Tatbestände des Mordes und des Raubes mit Todesfolge vorsätzlich. Dass dieser Schusswaffeneinsatz, der den Geschädigten von den Tätern gewollt in Lebensgefahr brachte, erst zwischen der Vollendung und der Beendigung der unmittelbar zuvor begangenen räuberischen Erpressung folgte, reicht für die Erfüllung der Qualifikation aus, da sie der Beutesicherung diente. Ob die beiden Täter vor Ort, Böhnhardt und Mundlos, nach der Schussabgabe strafbefreiend freiwillig vom Versuch zurücktraten, kann dahinstehen. Ein Rücktritt vom Versuch kommt jedenfalls hinsichtlich der Angeklagten Zschäpe nicht in Betracht, da sie weder die Vollendung verhindert noch sich um die Verhinderung bemüht hat, § 24 Abs. 2 StGB

Der Überfall auf die Postfiliale Barbarossastraße – Fall I.14 der Anklage – und der letzte Überfall auf die Sparkasse in Eisenach – Fall I.27 der Anklage – sind jeweils strafbar als gemeinschaftlich begangene besonders schwere räuberische Erpressung nach den §§ 253, 255, 250 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 2 in Verbindung mit Abs. 1 Nr. 2, 25 Abs. 2 StGB. Das versuchte Tötungsdelikt in Eisenach wird der Angeklagten nicht zugerechnet.

Die Überfälle auf die Postfiliale Limbacher Straße – Fall I.15 nach der Anklage –, auf die Sparkassenfiliale Karl-Marx-Str. – das ist der Fall I.18 nach der Anklage –, auf die Sparkassenfiliale Paul-Bertz-Str. – Fall I.19 der Anklage –, die jeweils ersten Überfälle auf die Filialen Sandstraße und Stralsund – Fälle I.21 und I.24 –, sowie die Überfälle auf die Sparkasse Arnstadt – Fall I.26 nach der Anklage – sind jeweils als gemeinschaftlich begangener besonders schwerer  Raub nach §§ 249, 250 Abs. 2 Nr. 1 Nr. 2 in Verbindung mit Abs. 1 Nr. 2, 25 Abs. 2 StGB zu bewerten.

Die Überfälle auf die Postfiliale Johannes-Dick-Str. – dabei handelt es sich um den Fall I.16 nach der Anklage –, auf die Postfiliale Max-Planck Str. und die Sparkassenfiliale Albert-Schweitzer-Str. – das sind die Fälle I.17 und I.20 nach der Anklage – sowie der zweite Überfall auf die Sparkassenfiliale in Stralsund – der Fall I.25 der Anklage –, das sind, da ja jeweils einer der Täter Beutegegenstände wegnahm, der andere sich weitere Geldscheine aushändigen ließ, als besonders schwerer Raub in Tateinheit mit besonders schwerer räuberischen Erpressung zu bewerten, §§ 249, 253, 255, 250 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 2 und Abs. 1 Nr. 2, 52 StGB.

Der zweite Überfall auf die Sparkassenfiliale Sandstr. – nach der Anklage der Fall Nr. I.22 – blieb ohne Erfolg und ist als gemeinschaftlich begangener versuchter besonders schwerer Raub, §§ 249, 250 Abs. 2 Nr 1, Nr. 2 in Verbindung mit Abs. 1 Nr. 2, 22, 23, 25 Abs. 2 StGB zu werten.

Der von Böhnhardt allein ausgeführte versuchte Überfall auf die Sparkasse Kosmonauten-Straße – Fall I.23 – stellt sich ebenfalls als eine Bandenstraftat dar. Mitwirkung setzt ein zeitliches und örtliches Zusammenwirken von mindestens zwei Bandenmitgliedern nicht voraus. Ausreichend ist neben dem täterschaftlichen Handeln eines Bandenmitglieds jedes weitere Mitwirken eines anderen Bandenmitglieds, gleichgültig ob am Tatort oder nicht. Diese Voraussetzung ist bei der Einwirkung der Angeklagten Zschäpe und des Uwe Mundlos bei der Vorbereitung und Vorhaltung der hierfür nötigen Infrastruktur der weiteren Geldbeschaffung gegeben. Nachdem der eventuelle Schusswaffeneinsatz zur Ermöglichung der Flucht und Verhinderung der Entdeckung auch vom gemeinsamen Tatplan gedeckt war und das zur Annahme der Verdeckungsabsicht genügt, der Schusswaffeneinsatz andererseits im Zusammenhang mit versuchtem Raub geschah, stellt sich diese Tat als gemeinschaftlich begangener versuchter Mord zur Verdeckung einer Straftat in Tateinheit mit versuchtem besonders schwerem Raub dar, strafbar gemäß §§ 211, 249, 250 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 2 in Verbindung mit Abs. 1 Nr. 2, 22, 23, 52 StGB. Ein Rücktritt vom Versuch kommt nicht in Betracht. Aus der Sicht von Uwe Böhnhardt war der Versuch, Geld zu erbeuten, endgültig misslungen; die Angeklagte Zschäpe hat weder die Vollendung verhindert noch sich um die Verhinderung bemüht, § 24 Abs. 2 StGB.

Herr Vorsitzender, ich wäre jetzt bereit für eine Pause.

Unterbrechung 13:17 Uhr bis 13:35 Uhr. Weiter 13:39 Uhr.

OStA’in Greger:

Hoher Senat, als kurze Vorbemerkung vor dem zweiten Teil. Dieser zweite Teil der rechtlichen Würdigung wird deutlich weniger paragraphenlastig als der erste. Ich hatte jetzt im ersten Teil stets behauptet, dass die Angeklagte Zschäpe mittäterschaftlich für die Gewaltdelikte, die die Gruppe zu verantworten hat, strafbar ist. Wie komme ich dazu, zu dieser Mittäterschaft?

Die Angeklagte Zschäpe hielt sich bei den Taten des NSU stets im Hintergrund. Dennoch, die Angeklagte handelte hinsichtlich sämtlicher von Böhnhardt und Mundlos für den NSU begangener Taten als Mittäterin im Sinne von § 25 Abs. 2 StGB. Bei Beteiligung mehrerer Personen, von denen nicht jede Person sämtliche Tatbestandsmerkmale verwirklicht, ist nach der ständigen Rechtsprechung des BGH Mittäter, wer einen eigenen Tatbeitrag leistet und diesen so in die Tat einfügt, dass er als Teil einer Handlung eines anderen Beteiligten und umgekehrt dessen Handlung als Ergänzung des eigenen Anteils erscheint. Mittäterschaft erfordert nicht zwingend eine Mitwirkung am Kerngeschehen selbst. Mittäterschaft setzt schon gar nicht eine Anwesenheit am Tatort voraus. Ausreichend ist nach der Rechtsprechung ein für die Tatbestandsverwirklichung objektiv wesentlicher Beitrag, der sich auf eine Vorbereitungs- oder auch Unterstützungshandlung beschränken kann, wenn er sich nach der Willensrichtung des sich Beteiligten als Teil der Tatbeiträge aller darstellt.

Ob ein Tatbeteiligter ein so enges Verhältnis zur Tat haben will, ist nach den gesamten Umständen, die von seiner Vorstellung umfasst sind, wertend zu beurteilen. Maßgebliche Kriterien sind der Grad des eigenen Interesses an der Tat, der Umfang der Tatbeteiligung, die Tatherrschaft oder wenigstens der Wille dazu, sodass die Durchführung und der Erfolg der Tat maßgeblich auch vom Willen des Betreffenden abhängen, so die ständige Rechtsprechung des BGH (BGHSt 37, 289, 291 mit weiteren Nachweisen). Daran gemessen stellt sich das Agieren der Angeklagten Zschäpe, wie in der Beweisaufnahme erhellt worden ist, nicht nur als Gefälligkeit und nicht nur als Hilfestellung für das gemeinsame Leben in der Illegalität dar. Ihr Verhalten geht auch über die bloße Förderung des organisierten Zusammenhalts der Organisation weit hinaus. Die Angeklagte Zschäpe leistete zahlreiche in das Gesamtgeschehen verwobene Tatbeiträge zu den von der Gruppe zu verantworteten Taten. Sie wollte damit nicht nur fremdes tatbestandverwirklichendes Tun fördern; ihre Beiträge sollten sich nach dem Wunsch der Angeklagten als unverzichtbarer Teil einer gemeinschaftlichen Tätigkeit in das Gesamtgefüge einordnen, so dass die Bewertung ihres Verhaltens als Beihilfe der Fülle und Bedeutung der festgestellten Mitwirkung aus Sicht der Bundesanwaltschaft nicht gerecht würde.

Die Angeklagte Zschäpe gehörte einer Kleinstgruppe von drei Personen an, die über dreizehn Jahre lang im Untergrund lebte. Die Gruppe hatte sich – entsprechendes belegen die insoweit kongruenten Videobekennungen – zu dritt dem gemeinsamen verschworenen Kampf gegen Immigration und Integration verschrieben. Die Angeklagte hat objektiv – wie von der Rechtsprechung vorausgesetzt – an den jeweiligen Taten entscheidend mitgewirkt. Ihr kontinuierlicher Einsatz für die Legendierung von Böhnhardt und Mundlos, ihre Mitwirkung an Waffenbeschaffung, ihre durchgängige Verschleierung gerade der Abwesenheiten von Böhnhardt und Mundlos, ihre langjährige Verantwortung für die mobile Kommunikation, ihr finanzielles Mitspracherecht, ihre Stallwache während der Taten, die Dokumentation der Taten und ihre Mitwirkung an der Erstellung des Paulchen-Panter-Videos und ihre autonome [Verteilung des Videos] gehen weit darüber hinaus, was für das Leben der drei Personen in der Illegalität von Nöten gewesen wären.

Ihre Beiträge sind verbunden mit den Tathandlungen von Böhnhardt und Mundlos. Sie erwiesen sich für das sichere Gelingen der Taten und auch für deren ideologische Einbettung von wesentlicher Bedeutung. Ihre Beiträge wirkten in bestimmender Weise in das Ausführungsstadium der Taten hinein. Die Angeklagte wirkte an dem Tatgeschehen am Tatort selbst nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht unmittelbar mit. Sie hielt sich bewusst im Hintergrund, um die Gruppe nicht zu gefährden. Die Taten selbst beruhten jedoch allesamt auf einem gemeinsamen Tatentschluss, einem gemeinsamen Tatplan. Da es sich bei den Anschlagsopfern aus der Sicht der Gruppe um beliebige Stellvertreteropfer handelte, stand die konkrete Opferauswahl – das belegen die Ausspähungsunterlagen – den beiden Tätern vor Ort situationsbezogen frei. Die konkrete Ausführung der Taten war der Angeklagten nicht entzogen. Die Angeklagte konnte die Täter vor Ort mobil kontaktieren. Zu diesem Zweck hat sie mehrere SIM-Karten und Mobiltelefone beschafft. Im Fall B. in München hat sie von dieser Möglichkeit nachweislich auch Gebrauch gemacht.

Die Angeklagte Zschäpe leistete ihre Tatbeiträge eigeninitiativ mit dem Willen zur Tatherrschaft. Für die Frage, ob die Angeklagte als Mittäterin handelte, ist die von Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe gebildete Zelle, der NSU, nicht mit einer mitgliederstarken Vereinigung und auch nicht mit einem aus einer Vereinigung für den Einzelfall abgespaltenem Kommando vergleichbar. Die Angeklagte Zschäpe bildete ein Drittel eines verschworenen Triumvirats, das von Anfang 1998 bis November 2011 anfänglich auf kleinstem Raum zusammenlebte und dessen drei Teile aufgrund des abgeschotteten Systems auf Gedeih und Verderb aufeinander angewiesen waren. Die tragende Rolle der Angeklagten zeigt etwa die Verwaltung der gemeinsamen Kasse [durch die Angeklagte], aus der die Gruppe – wiederum im Einklang mit der Angeklagten – die Vorbereitung und die Begehung der Taten finanziert hat.

Die Durchführung und der Ausgang sämtlicher Taten hingen aufgrund ihrer gleichberechtigten Position auch vom Willen der Angeklagten ab. Die ausschließliche Zwecksetzung der Zelle bestand nach dem Selbstverständnis der Gruppe darin, fortlaufend erfolgreiche Mordanschläge aus staatsfeindlichen Motiven zu begehen. Allen drei Mitgliedern war es gleich wichtig, dass Böhnhardt und Mundlos wieder sicher in die Wohnung zurückkehrten. Die sichere Begehung der Taten war nur möglich, wenn die Vorgehensweise von Böhnhardt und Mundlos unter den drei Vereinigungsmitgliedern im Einzelnen vorher abgesprochen und das Verhalten eines jeden Mitglieds und die einzelnen Taten im Vorfeld aufeinander abgestimmt waren. Die Angeklagte Zschäpe wollte mit ihrem Tun nicht nur fremde Taten fördern, sondern sie wollte die Taten als eigene. Sie verband mit Böhnhardt und Mundlos eine rechtsradikale, staats- und gesellschaftsfeindliche Grundeinstellung, und genau dieser Rechtsextremismus bildete wiederum die ideologische Grundlage aller Anschlagstaten. Er prägte die Gruppe auch namensgebend.

Die Erkenntnisse zur aktiven Beteiligung an den gemeinsamen Straftaten vor dem Untertauchen und die Beurteilung ihrer Rolle in der damaligen Konstellation zeigen deutlich, dass sie auch schon damals gemeinsam mit Böhnhardt und Mundlos ihre ideologischen Vorstellungen mit den Mitteln politischer Delikte in die eigene Tat umgesetzt hat. Auch damals – also vor dem Untertauchen – bevorzugte sie es, im Hintergrund, aus der Entfernung heraus, zu agieren, bekannte sich jedoch in ihrem persönlichen Umfeld zu den Taten als eigene. Dafür, dass die Angeklagte Zschäpe nach ihrem Abtauchen in der personenidentischen Gruppe die bloße Rolle einer Unterstützerin einnehmen hätte wollen, ist nichts ersichtlich, zumal auch der langjährig verwendete Gruppenname, ihre bestimmende Persönlichkeit und ihr Verhalten am 4. und 5. November 2011 eindeutig gegen einen politischen Zweierbund von Böhnhardt und Mundlos sprechen. Jedes Mitglied der Vereinigung hat sich mit der jeweiligen Tat persönlich ideologisch identifiziert.

Wie wichtig der Angeklagten Zschäpe die Symbolik der Anschläge und das Bekenntnis zur Gruppe bis zuletzt waren, zeigt ihr Verhalten nach dem Tod von Böhnhardt und Mundlos. Einerseits hat sie am Nachmittag des 4.11.2011 das Relikt des gemeinsamen Lebens mit einem Handstreich ausgelöscht, andererseits hat sie in der Situation ihrer bevorstehenden Verhaftung die Öffentlichkeit und insbesondere – ich hatte es dargestellt – die von den Anschlägen betroffenen Bevölkerungsteile mit dem schrecklichen Paulchen-Panter-Video konfrontiert. Man bedenke – sechzehn breit gestreute Sendungen dieses grausamen Dokumentes der gemeinsamen Schaffensphase durften nach ihrem Willen nicht untergehen, auch wenn die Vereinigung selbst zu diesem Zeitpunkt bereits aufgelöst war. Ihr Vorgehen zeigt: erst mit der Veröffentlichung der DVD war der hinter den Taten stehende Zweck der Vereinigung und der Taten letztlich erfüllt.

Der BGH hat in seiner Entscheidung zur Beihilfe zum Mord durch Dienst im Konzentrationslage Auschwitz – 3 StR 49/16 – ausdrücklich anerkannt, dass – geht es um die strafrechtliche Bewertung von Straftaten, die im Rahmen von organisierten Massenverbrechen umgesetzt werden – bei der Anwendung der allgemeinen Grundsätze zur Zurechnung durchaus auch Besonderheiten zu berücksichtigen sind. Im vorliegenden Fall wurden wiederholt und planmäßig aus einem festen Personenzusammenschluss heraus gleichförmige Tötungsdelikte gegen Opfer gerichtet, denen allein wegen ihrer Herkunft ihr Lebensrecht abgesprochen wurde. Die Angeklagte Zschäpe legte zwar nicht selbst Hand an, tarnte jedoch die Tatbegehung und organisierte alles, was für die regelhafte Begehung der Taten notwendig war.

Die Angeklagte war mit Böhnhardt und Mundlos auch hinsichtlich der Überfälle gleichgeordnete Mittäterin des Tatplans. Ihre Einbindung belegt auch hier die regelmäßige Legendierung von Böhnhardt und Mundlos, die Sicherung der Wohnung während der Taten und beispielhaft auch die gemeinsame Anmietung des Wohnmobils für die Tat in Eisenach. Die Tatbeute wurde für die gesamte Gruppe erwirtschaftet, sie stand allen Mitgliedern zur Verfügung, dementsprechend hoch ihr Interesse an der Tat, dementsprechend trug die Angeklagte Zschäpe auch die Entschlüsse zu den Überfalltaten als gleichberechtigtes Mitglied mit. Sie wusste, dass Böhnhardt und Mundlos zur Sicherung der Flucht und Erlangung der Beute Schusswaffen einsetzen würden; sie war sich darüber im Klaren, dass es dabei zu Verletzungen kommen und ein Schusswaffeneinsatz auch tödliche Folgen haben konnte, und nahm dies billigend in Kauf.

Bedingt durch eigenes ideologisches Motiv, Kenntnis [aller relevanten Umstände] und ihrem weitreichend bedingten Vorsatz im Zusammenhang mit jedweder Gewaltanwendung liegen in ihrer Person ähnlich der von Böhnhardt und Mundlos verwirklichte Mordmerkale ebenfalls vor, § 28 Abs. 2 StGB.

Die Strafbarkeit der Angeklagten in Bezug auf die Brandlegung: Die Angeklagte Zschäpe hat sich durch die Brandlegung in der Wohnung Frühlingsstr. 26 in Zwickau wegen versuchten Mordes in drei Fällen in Tateinheit mit besonders schwerer Brandstiftung und – das ist neu gegenüber der Anklage – in Tateinheit mit Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion gemäß § 211, 308 Abs. 1, 306 a Abs. 1 Nr. 1, 3 306 Abs. 1 Nr. 2., 306 c, 22, 23, 52 StGB schuldig gemacht.

Zunächst zu den gemeingefährlichen Delikten: Die Angeklagte hat ein fremdes Wohngebäude, in dem sich regelmäßig Personen aufhielten, in Brand gesetzt und durch die Brandlegung teilweise zerstört, § 306a 1 Nr. 1 und 3 StGB. Angesichts der festgestellten Konstruktion des Hauses – gemeinsamer Dachstuhl, […], keine Brandschutzmauer – handelte es sich bei dem Wohnhaus in der Frühlingsstraße 26, 26a um ein einheitliches Gebäude. Wie die Angeklagte Zschäpe wusste, waren im Hausteil Nr. 26a drei Wohnungen bewohnt und zumindest die Zeugin E. hielt sich auch im Gebäude auf; zusätzlich die Handwerker K. und P.. Auch dies war der Angeklagten Zschäpe bekannt.

Die Tathandlung stellt sich auch als Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion dar. Nach der neuen Rechtsprechung des BGH unterfällt jeder Stoff, der bei Entzündung eine gewaltsame und plötzliche Ausdehnung dehnbarer Gase hervorruft, dem Sprengstoffbegriff des § 308 Abs. 1 StGB – so BGHSt 61, 84 ff. Das Zünden eines Gas-Luft-Gemisches in der Wohnung, das zu einer Verpuffung und Zerstörung eines Hauses führt, [erfüllt den Tatbestand] des § 308 Abs. 1 StGB, so auch BGH NStZ 2010, 503. Dass die Angeklagte Zschäpe erkannt hat, dass die Entzündung des Benzins auch zu einer Explosion führen kann, und dies billigend in Kauf nahm, davon ist nach der allgemeinen Lebenserfahrung bei der Anzündung einer derartigen Menge Benzin ohne weiteres auszugehen. Ich beantrage insoweit einen rechtlichen Hinweis des Senats.

Die Angeklagte hat ferner die Qualifikation des § 306 Abs. 1 Nr. 2 StGB – nämlich Handeln in Verdeckungsabsicht – erfüllt, indem sie den Brand legte, um die Vernichtung der auch sie selbst belastenden Beweismittel in der Frühlingsstraße zu erreichen. Weiter liegt der Versuch einer Brandstiftung mit Todesfolge, §§ 306 c, 22, 23, 52 StGB vor. Indem die Angeklagte von der Anwesenheit von drei Personen im Nahbereich der Brandsetzung ausging, nahm sie auch billigend in Kauf, dass die Zeugen E., P. und K. zu Tode kommen würden. Hinter diesem Delikt treten die ebenfalls verwirklichten Delikte der §§ 306a Abs. 2, 22, 23 und der versuchten besonders schweren Brandstiftung, §§ 306b, 22, 23 StGB zurück. Da die Personengefährdung nicht unmittelbar auf der Explosion beruhte und nicht darauf beruhen sollte, liegen die Voraussetzungen nach § 308 Abs. 2 und 3 StGB nicht vor.

Das Handeln der Angeklagten erfüllt zudem tateinheitlich den Tatbestand des versuchten Mordes in drei Fällen, §§ 211 Abs. 1, 22, 23 Abs. 1, 52 StGB. Die Angeklagte nahm bei der Inbrandsetzung der Wohnung billigend in Kauf, dass der Brand auf die Wohnung der Zeugin Erber und die über ihrer eigenen Wohnung liegenden Wohnungen übergriff, was ohne Eingreifen Dritter zum Tod der in diesen Wohnungen aufhältigen Personen geführt hätte. Dass ihre Wahrnehmung affektbedingt oder alkoholbedingt in relevanter Weise eingeschränkt gewesen wäre, darauf brachte die Beweisaufnahme unter der Berücksichtigung der Ausführungen der rechtsmedizinischen und psychiatrischen Sachverständigen keine Anhaltspunkte. Dabei handelte die Angeklagte in der Absicht, ihre Beteiligung am NSU und dessen Taten zu verdecken.

Zudem stellt die erhebliche Menge Benzin, die die Angeklagte in der Wohnung zur Inbrandsetzung ausbrachte, ein gemeingefährliches Mittel dar, welches das konkrete Brandgeschehen in Ausmaß und Geschwindigkeit unbeherrschbar gemacht hat. Darüber hinaus handelte die Angeklagte heimtückisch. In ihrer Vorstellung waren die drei Zeugen E., P. und K. arglos in dem Sinne, dass sie sich keines Angriffs versahen, und daher auch wehrlos. […]

Die Angeklagte ist weder vom versuchten Morden noch von der versuchten Brandstiftung strafbefreiend zurückgetreten. Diese waren durch Anzünden des Benzins jeweils beendet. Dafür, dass die Angeklagte die Beendung der Tat durch eigene Tätigkeit verhindert hätte, [ergaben sich in der Beweisaufnahme keine Anhaltspunkte]. Es hätte für Rücktrittsbemühungen im Sinne des § 24 Abs. 1, 2 Alt. StGB einer neuen von der Angeklagten in Gang gesetzten Kausalkette bedurft, die für die Nichtvollendung der Tat zumindest mitursächlich wäre. Zwar rief die Angeklagte, nachdem sie aus dem brennenden Miethaus gelaufen war, zwei Nachbarn – den Zeugen Fischer – im Vorbeilaufen zu, sie mögen die Feuerwehr rufen. Bereits an der Ernsthaftigkeit der Bitte sind aber Zweifel angebracht, hätte eine rechtzeitige Löschung doch ihre Bemühung um Vernichtung der Beweise vereitelt. Die Zeugin E. jedenfalls wurde nicht durch die Feuerwehr, sondern durch die Zeugen M. M. und B. H. gerettet.

Auch ein Fall des § 24 Abs. 1 S. 2 StGB liegt nicht vor. Indem die Angeklagte nach dem Zuruf sofort weiterlief, ohne sich zu vergewissern, ob Rettungsmaßnahmen eingeleitet würden, kann angesichts drei gefährdeter Menschenleben in einem brennenden Mehrfamilienhaus und der Gebrechlichkeit der Zeugin E. von einem ernsthaften Versuch, den Eintritt des Erfolges zu verhindern, keine Rede sein. Auch ein Fall der tätigen Reue liegt nicht vor; eigene Löschversuche der Angeklagten gab es nicht. Wie dargestellt bemühte sie sich auch nicht ernsthaft um eine Eindämmung des Brandes.

Ein paar Worte zu den Konkurrenzen. Die Gewaltdelikte stehen jeweils in Idealkonkurrenz mit der mitgliedschaftlichen Betätigung. Ich hatte bereits ausgeführt, dass insoweit keine Verjährung eingetreten ist. Die am 04.11.2011 von der Angeklagten Zschäpe verwirklichten Delikte stehen im Verhältnis der Idealkonkurrenz. Da die terroristische Vereinigung zu diesem Zeitpunkt nicht mehr bestand, liegt insoweit kein Organisationsdelikt mehr vor. Im Verhältnis zueinander stehen die Gewaltdelikte in Realkonkurrenz. Hinzu kommt die mitgliedschaftliche Betätigung in der terroristischen Vereinigung von 1998 bis 2011, die zu sämtlichen dieser Delikte in Realkonkurrenz hinzutritt.

Die formalen Voraussetzungen der Sicherungsverwahrung nach § 66 Abs, 2 StGB liegen grundsätzlich bei der Angeklagten vor.

Dankeschön.

 

OStA Weingarten:

Herr Vorsitzender, hoher Senat, verehrte Verfahrensbeteiligte,

Ausgangspunkt der strafrechtlichen Prüfung des Verhaltens der Angeklagten Wohlleben und Schultze ist zunächst das Vorliegen beihilfefähiger Haupttaten. Diese sind gegeben. Wie die Kollegin Greger ausgeführt hat, handelte es sich bei den Tötungen der Ceska-Serie um neun Morde, bei denen jeweils das tatbezogene Mordmerkmal der Heimtücke sowie das täterbezogene Mordmerkmal des sonstigen niedrigen Beweggrundes im Sinne des § 211 StGB verwirklicht worden ist. Zu diesen Morden haben die Angeklagten Wohlleben und Schultze gemeinschaftliche Beihilfe im Sinne des § 27 geleistet.

Nach § 27 StGB wird als Gehilfe derjenige bestraft, der einem anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat Hilfe leistete. Die Angeklagten Wohlleben und Schultze haben jeder für sich und zusammenwirkend den Mitgliedern des NSU, der Angeklagten Zschäpe und den verstorbenen Böhnhardt und Mundlos, Hilfe bei den genannten neun Mordtaten geleistet. Die Leistungen des Angeklagten Zschäpe bestehen im praktischen Bezug und, materiellrechtlich letztlich entscheidend, in der erfolgten Übergabe der Waffe an Mundlos und Böhnhardt. Der individuelle Gehilfenbeitrag des Angeklagten Wohlleben zur Begehung der Ceska-Morde liegt darin, dass er die maßgeblichen Entscheidungen über das Ob und Wie der Beschaffung der Waffe getroffen, den Angeklagten Schultze mit dem Ankauf der Pistole unter Benennung eines Lieferanten beauftragt, das Verkaufsgespräch durch eine Vorankündigung vorbereitet und das zum Ankauf der Pistole erforderliche Bargeld zur Verfügung gestellt hat. Der rechtlich unselbständige Teilakt der Übergabe von 2.500 DM an den Angeklagten Schultze zur Weiterleitung an den Verkäufer ist auch dann eine Beihilfehandlung, wenn der Angeklagte Wohlleben das Geld vorher vom NSU zur Verwendung für dessen Zwecke erhalten hat, wovon wir ausgehen. Denn der Angeklagte Wohlleben war der Binnenabrede mit den drei zufolge Eigentümer des Geldes, dessen Hingabe für sich genommen kausal für die Waffenbeschaffung war.

Beide Angeklagten wollten ihr Ziel, die auftragsgemäße Waffenbeschaffung einer den Vorgaben von Mundlos und Böhnhardt entsprechenden Pistole, jeweils gemeinsam in einem arbeitsteiligen Zusammenwirken im Sinne der skizzierten Aufgabenverteilung erreichen. Sie haben insofern gemeinschaftlich gehandelt. An der objektiven Einordnung des Verhaltens des Angeklagten Wohlleben würde sich aber auch nichts ändern, wenn man dessen Verhalten nicht als Teil einer gemeinschaftlichen Beihilfe würdigen würde, sondern dessen Verhalten im Hinblick auf den Auftrag an den Angeklagten Schultze, die bestellte Waffe tatsächlich zu beschaffen, als Anstiftung des zu diesem Zeitpunkt noch nicht zur Waffenbeschaffung fest entschlossenen Angeklagten Schultze und die Organisierung des ersten Verkaufsgesprächs im Hintergrund als Beihilfe dazu verstehen wollte. Denn sowohl die Anstiftung zur Beihilfe wie auch die Beihilfe zur Beihilfe sind eine Beihilfe im Sinne des § 27 StGB.

Die von den Angeklagten Wohlleben und Schultze in der beschriebenen Weise vorgenommen Beschaffung Ceska Modell 83 mit der Seriennummer […] erfüllt die Voraussetzungen der Beihilfe zu neun selbständigen Fällen des Mordes. Diese Voraussetzungen sind nach ständiger Rechtsprechung des BGH immer dann gegeben, wenn die Haupttat gefördert oder erleichtert wird. Dies ist vorliegend ganz offensichtlich der Fall, nachdem Böhnhardt und Mundlos bei den hinrichtungsartigen Erschießungen gerade die Schalldämpfer-Pistole eingesetzt haben. Danach ist die von den Angeklagten Wohlleben und Schultze vorgenommene Beschaffung und Weitergabe der späteren Tatwaffe über das rechtlich Erforderliche hinaus sogar unmittelbar kausal für die Begehung der neun Haupttaten in ihrer konkreten Gestalt geworden. Dass die NSU-Mitglieder bei einer Weigerung der Angeklagten Wohlleben und Schultze, die verlangte Pistole zu beschaffen, die verfahrensgegenständlichen Mordverbrechen möglicherweise mit einer anderen anderweitig beschafften Waffe begangen hätten, ist unerheblich, denn hypothetische Kausalverläufe sind strafrechtlich insoweit ohne Belang.

Unerheblich ist nach ständiger Rechtsprechung ferner, dass die Beihilfehandlung schon längere Zeit vor Begehung der Haupttaten [lag]. Eine Beihilfe ist zeitlich nach ständiger Rechtsprechung sogar schon zu einem Zeitpunkt möglich, zu dem der Haupttäter selbst noch gar nicht zur Tatbegehung entschlossen ist. Diese Grundsätze sind seit BGHSt 2, 344 ff. ständige Rechtsprechung, zuletzt bestätigt 2016 mit BGHSt 61, 252ff.

Insofern kommt es in objektiver Hinsicht nicht darauf an, wann genau die NSU-Mitglieder ein in Hinblick auf die einzelnen Opfer konkretisierten Tatentschluss gefasst haben. In objektiver Hinsicht kommt es vielmehr allein auf die tatsächliche Wirksamkeit des Gehilfenbeitrags an. Die Frage nach der zeitlichen Reichweite der strafrechtlichen Mithaftung des Gehilfen für solche objektiv geförderten Haupttaten, die erst in großem zeitlichen Abstand zur Beihilfehandlung begangen wurden – wie etwa im Fall der Ermordung des Halit Yozgat, der erst sechs Jahre nach Übergabe des Tatwaffe erschossen wurde, – oder die Frage auch der quantitativen Reichweite für eine Vielzahl von Haupttaten – hier neun Morde, die in Folge einer einzigen Beihilfehandlung begangen werden, sind ebenso wie die Frage der Haftung des Gehilfen, der deren konkrete Ausgestaltung nur annäherungsweise kannte, nicht Fragen des objektiven Tatbestands, sondern allein eine Frage des subjektiven Tatbestandes.

In subjektiver Hinsicht ist für die Annahme einer Beihilfestraftat der so genannte doppelte Gehilfenvorsatz erforderlich. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH muss der Gehilfe sowohl die Beihilfetauglichkeit seiner Handlung als auch den Erfolg der Haupttat kognitiv zumindest für möglich und nicht ganz fernliegend halten und die Haupttat voluntativ im Rechtssinne billigen. Der 3. Strafsenat des BGH hat in NStZ 2017, 274 ff dies noch einmal wie folgt konkretisiert, ich zitiere: „Der Vorsatz eines Teilnehmers – sei er Anstifter oder Gehilfe – muss sich auf die Ausführung einer zwar nicht in allen Einzelheiten, wohl aber in ihren wesentlichen Merkmalen oder Grundzügen konkretisierten Tat richten. Dem Be-stimmtheitserfordernis des Teilnehmervorsatzes liegt letztlich die Annahme zugrunde, dass nur derjenige Teilnehmer ernstlich mit der Begehung der Haupttat rechnet, der bereits wesentliche Einzelheiten des Tatplans kennt.“ Für den Vorsatz des Teilnehmers gilt nach Rn. 11: „Während der Anstifter eine bestimmte Tat, insbesondere einen bestimmten Taterfolg vor Augen hat, erbringt der Gehilfe einen von der Haupttat losgelösten Beitrag. Er strebt diese nicht notwendigerweise an, weiß aber oder hält es für möglich und nimmt jedenfalls billigend in Kauf, dass sich sein Handeln als unterstützender Bestandteil einer Straftat manifestieren kann. Beihilfe kann deshalb schon begehen, wer dem Täter ein entscheidendes Tatmittel willentlich an die Hand gibt und damit bewusst das Risiko erhöht, dass eine durch den Einsatz gerade dieses Mittels geförderte Haupttat verübt wird.“

Der BGH schreibt konkretisierend in 1 StR 265/16: „Gehilfenvorsatz liegt vor, wenn der Gehilfe die Haupttat in ihren wesentlichen Merkmalen kennt und in dem Bewusstsein handelt, durch sein Verhalten das Tun des Haupttäters zu fördern. Einzelheiten der Haupttat braucht er nicht zu kennen.“ Die Kenntnis des Gehilfen von Einzelheiten, Tatort, Tatzeit – ich zitiere jetzt übrigens wieder mich – und der näheren weiteren Tatumstände ist daher gerade nicht konstitutive Voraussetzung für strafbare Beihilfe.

In kognitiver Hinsicht gilt also zunächst, dass ein allgemeines Für-möglich-Halten im Sinne des Erkennens der Begehung eines bestimmten Deliktstyps zur Begehung einer Beihilfe ausreicht; wer also beim Verkauf eines Baseballschlägers an einen ersichtlich unsportlichen, besonders dickbäuchigen und des Baseballspiels nicht fähigen Menschen ganz allgemein die Gefahr sieht, dieser könnte das Sportgerät als gefährliches Schlagwerkzeug verwenden, oder wer selbst bei einem waffenrechtswidrigen Kauf nur das erhöhte Risiko sieht, der Erwerber könne die Schusswaffe auch noch bei anderen Straftaten zum Einsatz bringen, hat noch keinen ausreichend konkretisierten Beihilfevorsatz im Hinblick auf eine später durch den Einsatz des Werkzeugs begangene Straftaten begründet, sofern das Risikobewusstsein des Verkäufers nicht noch durch das Hinzutreten weiterer Umstände konkretisiert wird. Aus der Erkenntnis allgemeiner Lebensrisiken oder gar rein statistischer Umstände lässt sich ein Vorsatz nicht ableiten.

Erforderlich ist vielmehr, dass der Hilfeleistende aufgrund der ihm vorliegenden Erkenntnislage ein konkret erhöhtes Risiko feststellt, indem die für möglich gehaltene Tat bereits durch ein Tatgepräge konkretisiert ist. Nach ständiger Rechtsprechung ist dies dann der Fall, wenn der Hilfeleistende die für die Tat wesentlichen Bestandteile, die Angriffs- und Unrechtsrichtung, erkannt hat. Dabei muss sich sein Vorsatz nicht auf ein bestimmtes Delikt beziehen. Es reicht eben aus, wenn er innerhalb des durch Angriffsrichtung gebildeten Rahmens alle nach Sachlage möglichen Delikts- und Tatvarianten einkalkuliert. Anders als etwa der Anstifter muss der Gehilfe die Einzelheiten der Tat nicht kennen. Der Annahme eines hinreichenden bestimmten Beihilfevorsatzes steht es damit nicht entgegen, wenn der Hilfeleistende die Haupttaten – hier die Morde in ihrer konkreten Ausgestaltung hinsichtlich der Tatorte, Tatzeiten, der Identitäten der Tatopfer und der konkreten Abläufe der Tat – nicht kennt und davon auch keine Vorstellung hat.

Ich würde nach diesem vor die Klammer gezogenen Teil eine Unterbrechung wünschen.

Unterbrechung 14:22 bis 14:45 Uhr. Weiter 14:47 Uhr

 

OStA Weingarten:

Herr Vorsitzender, Hoher Senat,

gemessen daran haben sowohl der Angeklagte Wohlleben als auch der Angeklagte Schultze die spätere Tatwaffe mit einem auf die Begehung von heimtückischen Mordtaten aus niedrigen Beweggründe gerichteten Beihilfevorsatz beschafft. Auf Grundlage ihres Wissen über sowohl die Person des Besteller und die zu erwartende Verwendung der  Ceska 83 – insbesondere in Hinblick auf deren radikale ideologische Einstellung und deren auch bereits durch die Begehung von Straftaten belegte Bereitschaft, Straftaten aus rechtsextremistischen Gründen zu begehen – denen eine Schalldämpferwaffe neben auftragsgemäß möglichst viel Munition geliefert wurde, haben beide Angeklagte es für möglich gehalten, dass Böhnhardt und Mundlos persönlich unter Zuhilfenahme dieser tatsächlich besonders für Tötungsdelikte geeignete Waffe, mehrere Mordtaten begehen könnten.

Ob die Angeklagten mit Tötungsdelikten gerade gegen Ausländer gerechnet haben, ist belanglos. Wegen der radikalen, dem historischen Nationalsozialismus entlehnten politisch ideologischen Einstellung der beiden Haupttäter war den Angeklagten Wohlleben und Schultze nämlich klar, dass solche Tötungsdelikte, wenn sie denn begangen würden, sich jedenfalls als Ausdruck [einer gegen den Staat und gesellschaftliche Gruppen gerichteten Ideologie darstellen und] gegen Repräsentanzopfer richten würden, nämlich Angehöriger missliebiger gesellschaftlicher Teilgruppen, also so genante Linke oder Angehörige des Staatsapparates oder jüdische Mitbürger oder insbesondere auch in Deutschland lebende Menschen ursprünglich nichtdeutscher Herkunft. Damit kannten die Angeklagten Wohlleben und Schultze potentielle Angriffs- und Unrechtsrichtung der für möglich gehaltenen Morde. Denn all diese für möglich erachteten Mordtaten zeichneten sich in Sinne des § 211 StGB durch die Niedrigkeit der Beweggründe aus, was sich den beiden Angeklagten Wohlleben und Schultze in Folge einer Parallelwertung in der Laiensphäre auch ohne weiteres erschlossen hat. Beide wussten, dass unsere Rechtsordnung solche motivierten Tötungen von Menschen, deren Auswahl nur auf Gruppenzugehörigkeit basiert, aufs gröbste missbilligt. Bei Tötungen so genannter Repräsentanzopfer aus politisch ideologischen Gründen handelt es sich um so klassische Terror-Taten, dass deren strafrechtliche Bewertung sich auch dem Laien aufdrängt.

Hinsichtlich des konkreten Ablaufs der für möglich gehaltenen Taten hat sich den beiden aufgedrängt, dass die Taten gerade ohne Aufsehen also schnell und lautlos begangen werden sollten [also eine Heimtücke als nahe liegende Tatvariante]. Damit hatten beide Angeklagten das wesentliche Tatgepräge der in der Folge unter Verwendung der Ceska begangenen Mordserie erfasst und in ihren Gehilfenvorsatz aufgenommen. Das gilt sowohl hinsichtlich der Angriffsrichtung als auch hinsichtlich des Unrechtsgehalts, nämlich Angriffsrichtung, Angriffe auf das Leben in Deutschland aufhältiger Menschen nichtdeutscher Herkunft, und Angriffsrichtung heimtückische Mordtaten aus niedrigen Beweggründen. Unter diesen Bedingungen genügt die Lieferung des Tatmittels – hier also der Ceska 83.

Den Angeklagten Wohlleben und Schultze sind auch alle neun mit der Ceska 83 begangenen Morde zuzurechnen, obschon der letzte mit der Waffe begangene Mord an Halit Yozgat erst sechs Jahre nach Übergabe begangen worden ist. Sowohl der Angeklagte Schultze als auch der Angeklagte Wohlleben kannten nämlich die politische Agenda der Angeklagten Zschäpe und von Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt. Beide kannten deren offensichtliche Bereitschaft, die Möglichkeit einer bürgerlichen Lebensführung zugunsten eines bewaffneten Kampfes aufzugeben. Diese Bereitschaft, sich unter Inkaufnahme erheblicher persönlicher Nachteile politisch zu betätigen, war schon vor dem Untertauchen bei allen Dreien – besonders bei Böhnhardt und Mundlos – zu Tage getreten. Nachdem sich die Angeklagte Zschäpe, Böhnhardt und Mundlos offensichtlich für ein dauerhaftes Leben im Untergrund entschieden und begonnen hatten, sich ebenso offensichtlich durch die Beschaffung von Waffen [auf Straftaten vorbereiteten], stand den Angeklagten Wohlleben und Schultze zumindest die naheliegende Möglichkeit klar vor Augen, dass die Untergetauchten nun dazu übergehen wollten, ihr Leben dem subversiven Kampf gegen das verhasste System und für den nationalsozialistischen [Widerstand] zu widmen.

Vor diesem Hintergrund hatten die Angeklagten Wohlleben und Schultze auch erkannt, dass dieser für möglich gehaltene Kampf, wenn er denn aufgenommen werden würde, aus Sicht von Böhnhardt, Mundlos und der Angeklagten Zschäpe nicht mit einem einzigen Fanalmord geführt werden könnte, sondern beiden war klar, dass dies aus Sicht der NSU-Mitglieder nur durch die fortdauernde Begehung politisch motivierter Taten, einschließlich Morde, geschehen könnte. Beiden Angeklagten war klar, dass die Untergetauchten, die die Brücken zur Legalität abgebrochen hatten, dazu auch bereit sein würden. Bei beiden Angeklagten liegen nicht nur die kognitiven, sondern auch die voluntativen Voraussetzungen vor. Grundsätzlich genügt für die Annahme der voluntativen Voraussetzungen – der geringsten, am wenigsten intensiven Vorsatzform, des bedingten Vorsatzes –, wenn der Täter oder der Gehilfe den Eintritt eines für möglich gehaltenen Erfolgs – also die Vollendung einer Haupttat – billigend in Kauf nimmt. Er braucht den weder anzustreben – das wäre Absicht – noch sicher vorauszusehen – das wäre direkter Vorsatz. Nach der von der Rechtsprechung entwickelten Formel der billigenden Inkaufnahme bedeutet das billigen nicht ein Befürworten, ein Gutheißen des Tatunrechts.

Ein Tatunrecht billigend in Kauf nimmt auch derjenige, der sich mit dem Tatunrecht einfach abfindet, der die Folgen seines Handelns – etwa um andere Zwecke zu erreichen – also nur hinzunehmen bereit ist, der aber letztlich mit dem Tatunrecht einverstanden ist. Einverstanden mit einem Tatunrecht kann nach ständiger Rechtsprechung des BGH auch derjenige sein, dem der Taterfolg an sich höchst unerwünscht ist. Der 3. Strafsenat des BGH meint dazu in der bereits zitierten, im Februar 2017 veröffentlichten Entscheidung – ich zitiere wörtlich: „ob der Gehilfe den Erfolg der Haupttat wünscht oder ihn lieber vermeiden möchte, ist unerheblich, es reicht, dass die Hilfe an sich geeignet ist, die fremde Haupttat zu fördern oder zu erleichtern, und der Hilfeleistende das weiß.“ Abzugrenzen sind diese Fälle von einer nur fahrlässigen – also straflosen – Beihilfe zum Mord. Ebenso wie der Vorsatztäter erkennt auch der bewusst fahrlässig Handelnde [die Möglichkeit des Erfolgseintritts]. Im Gegensatz zum Vorsatztäter ist der bewusst fahrlässig Handelnde aber nicht mit dem Taterfolg einverstanden; er findet sich nicht mit ihm ab, sondern er vertraut – und das ist hier der Unterschied – berechtigt darauf, dass der Erfolg ausbleibt.

Die innere Haltung beider Angeklagter zum Taterfolg ist […] klar. [Dass Wissen der Angeklagten Wohlleben und Schultze zu den äußerem Umständen war derart gewaltig], dass es normativ für diese beiden Angeklagten keinen berechtigten Anlass gab, irgendwie darauf zu vertrauen, die Ceska 83 mit Schalldämpfer und mit 50 Schuss Munition würde schon nicht bestimmungsgemäß, also nicht zu Morden, eingesetzt. Es mag sein, dass zumindest der Angeklagte Schultze darauf gehofft hat, es werde schon alles gut gehen. Hoffen darf man auch auf Lottogewinne. Hoffnungen ändern nichts an Realitäten, der Wirklichkeit. Auch dem Angeklagten Schultze war klar, was mit der Übergabe einer Schalldämpferpistole nebst Munition an Böhnhardt und Mundlos verbunden war.

Auch insbesondere angesichts der vor der Sommerpause stundenlang dargelegten Erkenntnislage der beiden Angeklagten gibt es keinerlei tatsächlichen Anhaltspunkt, keinen einzigen Anhaltspunkt, der einen berechtigten Anhaltspunkt gegeben hätte, darauf vertrauen zu dürfen, dass diese hochradikalisierten, im Untergrund lebenden [Gesinnungstäter] eine Schalldämpferpistole mit Munition bestellt haben, um damit gerade nicht auf Menschen zu schießen. Vielmehr haben die Angeklagten Wohlleben und Schultze die Ceska-Morde billigend in Kauf genommen. Ihnen war es trotz der konkret erkannten Gefahr der Begehung zahlloser Morde wichtiger, die Schalldämpferwaffe zu liefern. Sie haben die Realisierung des tödlichen Risikos letztlich hingenommen. Das ist billigende Inkaufnahme. Sie wollten ihre Kameraden unterstützen, ihnen selbst den Wunsch nach einer Pistole mit Schalldämpfer zu erfüllen; und den Preis, den sie dafür zu zahlen bereit waren, war die Inkaufnahme des Risikos, dass Böhnhardt und Mundlos mit dieser Waffe seriell so genannte Feinde des deutschen Volkes hinrichten würden.

Das erfüllt die objektiven und subjektiven Voraussetzungen einer strafbaren Beihilfe zu allen neun Tötungen.

Rechtlich handelte es sich dabei auch um eine Beihilfe zum Mord und nicht etwa nur zum Totschlag. Beide handelten im Hinblick auf Heimtücke vorsätzlich und beide auch selbst aus niedrigen Beweggründen. Sie kannten nicht nur die handlungsleitenden Motive der Angeklagten Zschäpe, von Böhnhardt und Mundlos, sondern die Angeklagten Wohlleben und Schultze handelten auch selbst aus Motiven, die sich außerhalb jeder sittlichen Nachvollziehbarkeit bewegten. Deren Motivlage war und ist daher nach allgemein sittlicher Anschauung verachtenswert; sie steht normativ auf tiefster Stufe.

Nun sind die vorgeblichen Motive, die die beiden angegeben haben, nämlich Freundschaft, Loyalität, Verbundenheit, in dieser Abstraktionshöhe nicht schlecht; vielmehr haben diese Begriffe sogar einen gewissen Wohlklang. Auch die Befriedigung eines Geltungsbedürfnisses, das der Angeklagte Schultze für sich hervorgehoben hat, ist ein normalpsychologischer Handlungsantrieb, der isoliert betrachtet nicht als niedrig zu bewerten ist. Wenn eine Tat auf normalpsychologischen Überlegungen und Antrieben beruht, ist zu fragen, ob diese ihrerseits auf niedrigen Beweggründen beruhen, wobei der BGH eine Gesamtwürdigung aller Umstände voraussetzt. [Dazu zählen] das Verhältnis zwischen Anlass und Straftat, dass unmittelbar vorherrschende Tatmotiv auch im Zusammenhang mit sonstigen Beweggründen und Einstellungen des Angeklagten zu der Person und dem Lebensrecht des Opfers. Diese Gesamtwürdigung fällt auf Basis der bereits vorgenommenen Analyse der hinter den Handlungen stehenden Gesinnung der beiden Angeklagten eindeutig aus. Der Dreh- und Angelpunkt der den beiden Angeklagten Wohlleben und Schultze vorgeworfenen Handlungen und ihrer vordergründigen Handlungsanteile war die dem historischen Nationalsozialismus entlehnte rechtsextremistische Einstellung. Denn diese war – ich hatte es ausgeführt – ihrerseits die notwendige Vorbedingung ihrer Verbundenheit mit der Angeklagten Zschäpe, Böhnhardt und Mundlos. Hinzu tritt auf der Wertungsebene, dass dem Angeklagten Wohlleben trotz des erkannten Risikos ideologisch motivierter Tötungen die auftragsgemäße Lieferung einer Schusswaffe wichtiger war als die Gefahrenvermeidung für potentielle Opfer. Er nahm also die Begehung von Mordtaten durch Böhnhardt und Mundlos in Kauf, weil er persönliche Freundschaft, ideologisch begründete Solidarität dem Rechtsgut des Lebens in Deutschland lebender Ausländer auf Grund seiner eigenen fremdenfeindlichen Gesinnung bewusst überordnete.

Sie haben sich aus ideologischen Gründen zum Werkzeug für [die neun] Morde gemacht. Die darin zum Ausdruck kommende Gesinnung steht auf tiefster Stufe, ist ein sonstiger niedriger Beweggrund. Angesichts des Umstandes, dass schon die bewusst grundlose Tötung schon eine niedrig motivierte Tötung darstellt – so BGH 2 StR 259/01, zitiert nach juris, dort Rn. 15 –, gilt dies erst recht, wenn der Gehilfe zu der Ermordung für möglich gehaltener Opfer beiträgt, an deren Tötung der Gehilfe zwar unmittelbar kein eigenes Interesse hat, die ihm aber gerade deshalb recht ist, weil sie einem von dem Haupttäter definierten Tatzweck dient, hier [einem ideologischen], den er auch noch prinzipiell teilt.

Und nur auf genau dieser ideologischen Basis waren die beiden Angeklagten letztlich bereit, das vorhergesehene konkrete Risiko einzugehen, das durch die Lieferung an die mordwilligen Böhnhardt und Mundlos entstand.

In der Abwägung der völkischen, fremdenfeindlichen Ideologie ihrer Gesinnungsgenossen einerseits und dem gefährdeten Lebensrecht gefährdeter Unbeteiligter andererseits wegen ihrer eigenen rechtsextremistischen Einstellung [sich für die Lieferung zu entscheiden] – eine derartige, maßgeblich durch den Hass auf alles Ideologiefremde beruhende Loyalität gegenüber den Haupttäter ist ein niedriger Beweggrund. Die einmalige Förderung mehrerer Haupttaten stellt sich konkurrenzrechtlich als nur eine Beihilfe dar. Sie, Herr Wohlleben, und Sie, Herr Schultze, sind daher der Beihilfe zu neun Fällen des Mordes schuldig.

Zu den erforderlichen strafzumessungsrechtlichen Konsequenzen wird sich Herr Dr. Diemer zu einem späteren Zeitpunkt erklären.

Herr Vors, wir haben angefangen um 45 [gemeint: 14.45 Uhr], ist das korrekt?
Vors: Ja, das ist korrekt.

OStA Weingarten:

Dann komme ich zur rechtlichen Würdigung hinsichtlich des Angeklagten Eminger:

Die strafrechtliche Würdigung des durch die Beweisaufnahme festgestellten Sachverhaltes hinsichtlich des Angeklagten Eminger liegt im Grunde auf der Hand. Es ergibt sich aus Sicht der Bundesanwaltschaft nur ein Punkt, der in der gebotenen Kürze – wobei Kürze relativ ist, das wissen Sie bei mir – näherer Erörterung bedarf. Dabei handelt es sich um die Frage, ob die Lieferung der Wohnmobile bereits eine Beihilfe zu den Raubtaten und dem versuchten Mord an Frau M. handelt, oder ob insoweit etwa nur die Unterstützung einer terroristischen Vereinigung vorliegt, die allerdings in allen drei Fällen zwischenzeitlich verjährt wäre. Nachdem die Anmietung und Überlassung der Wohnmobile die Vorbereitung der Haupttaten, nämlich die Reise zu und von den beiden Raubüberfällen und die Reise zu und von dem Sprengstoffanschlag in Köln in der Probsteigasse – und damit letztlich auch diese drei Haupttaten in objektiver Hinsicht selbstverständlich gefördert haben, wird die Frage der Beihilfequalität der Anmietung allein unter [Problematisierung] der Vorsatzfrage zu erörtern sein.

Bedingt vorsätzliches Handeln – ich kann Ihnen die Definition an dieser Stelle nicht noch einmal ersparen – setzt voraus, dass [der Hilfeleistende den Erfolgseintritt] als möglich und nicht ganz fernliegend erkennt, ferner, dass er ihn billigt oder sich zumindest um des erstrebten Zieles willen damit abfindet. […] Auch hier kommt es allein darauf an, ob der Gehilfe die nicht fernliegende Möglichkeit erkennt und damit einverstanden ist, dass das Fahrzeug zur Vorbereitung oder Durchführung einer Straftat verwendet wird. Die vermeintliche Sonderrechtsprechung bei berufstypischen Alltagshandlungen verlangt in subjektiver Hinsicht letztlich nichts anderes.

Vorsätzliche Beihilfe liegt dann vor, wenn das erkannte Risiko des Unterstützens so hoch ist, dass der Gehilfe sich mit seiner Hilfeleistung die Förderung eines erkennbar tatgeneigten Täters [zur Aufgabe macht], StV 2014, 474 ff.

Mit der Rechtsprechung zur so genannten neutralen Alltagshandlung normiert der BGH kein richterrechtliches Sonderrecht, sondern er konkretisiert lediglich, was unter der Wendung des Erkennens einer nicht ganz fernliegenden Möglichkeit zu verstehen ist. Dass insoweit Problembewusstsein erforderlich ist, liegt auf der Hand, denn bei privater oder beruflicher Hilfestellung ist klar, dass ein bloßes Für-Möglich-Halten einer strafrechtlich relevanten Nutzung durch den Haupttäter kein ausreichendes Strafwürdigkeitskriterium ist. Denn nachdem nach menschlicher Erfahrung im Rahmen des naturgesetzlich Denkbaren immer alles für möglich gehalten werden muss und man eigentlich keine Verhaltensentwicklung per se ausschließen kann, kommt der Frage, für wie wahrscheinlich der Helfende die Begehung einer Straftat hält, [ zentrale Bedeutung zu].

Nun kann man im Fall des Angeklagten Eminger bei der Übergabe der angemieteten Wohnmobile an den NSU in der Frage geteilter Meinung sein, ob da äußerlich noch eine neutrale Alltagshandlung vorliegt, nachdem der Angeklagte Eminger die Wohnmobilvermieter bewusst über die tatsächlichen Nutzer getäuscht hatte. Dies kann aber dahinstehen, denn in jedem Fall mietete und übergab der Angeklagte Eminger die Wohnmobile mit Gehilfen- und Haupttatvorsatz an die Mitglieder der NSU. Wer wie der Angeklagte Eminger von vornherein darüber informiert ist, dass die Nutzer der Wohnmobile dauerhaft im Untergrund zusammen leben, über keinerlei legale Einkünfte verfügen, sich daher durch die fortwährende Begehung bewaffneter Raubüberfälle bei Geldinstituten den Lebensunterhalt verdienen und dies alles zu dem Zwecke tun, ebenso fortwährend […] in Deutschland lebende Menschen mit Migrationshintergrund oder Repräsentanten des Staates unter Einsatz von Schusswaffen oder Sprengstoffen zu töten, der handelt zweifelsohne bei der Übergabe der Fahrzeuge mit bedingten Gehilfenvorsatz.

Dass der Angeklagte Eminger nur mit bedingtem Gehilfenvorsatz handelte, liegt daran, dass sich zu seinen Gunsten folgendes Bild ergeben hat: Der Angeklagte Eminger wusste [jeweils] ganz genau, dass sie im Untergrund bereits geraubt und gemordet hatten und dies auch weiterhin tun wollten. Soweit hatte er im Hinblick auf den Tatbestand der Bildung einer terroristischen Vereinigung von Beginn an positives Wissen, also direkten Vorsatz. Es war ihm aber, wie ausgeführt, nicht nachzuweisen, dass er vor jeder Straftat von einem Mitglied des NSU in das konkret bevorstehende Verbrechen eingeweiht worden war. Bei dieser Kenntnislage rechnete der Angeklagte Eminger, wenn er den Antrag zur Anmietung eines Wohnmobils erhielt und umsetzte, aber damit, dass die auf Mobilität angewiesenen Mitglieder nunmehr zu einer weiteren vereinigungsbezogenen Straftat schreiten könnten. Damit waren die Angeklagte Zschäpe, Böhnhardt und Mundlos aus der Sicht des im Grunde voll eingeweihten Angeklagten Eminger im Sinne der Rechtsprechung des BGH in jedem Fall sicher das, was man tatgeneigt nennt. Folgt man der Würdigung der Beweislage durch die Bundesanwaltschaft, bleibt kein Zweifel daran, dass der Angeklagte Eminger nicht nur mit Unterstützungsvorsatz, sondern auch mit Beihilfevorsatz gehandelt hat, und damit strafrechtlich für die versuchte Ermordung von Frau M. wie auch für die beiden Raubüberfälle in Chemnitz als Gehilfe mithaftet – und das auch im vollem Unrechtsumfange der beiden Raubüberfälle

Strafrechtlich ist damit zusammenfassend das Handeln des Angeklagten Eminger [wie folgt zu bewerten].

Die Anmietung [des später für den Raub am 30.11.2000 verwendeten Wohnmobils] stellt sich für den Angeklagten Eminger analog zur Bewertung der Haupttat nicht nur als Beihilfe zum einfachen Raub, sondern als Beihilfe zum schweren Raub und zur besonders schweren räuberischen Erpressung, §§ 249, 253, 250 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 2 in Verbindung mit Abs. 1 Nr. 2, 27 StGB, dar, weil er von der prinzipiell beabsichtigten Verwendung von Schusswaffen wusste und damit rechnete. Soweit dieser Tatbeitrag des Angeklagten Eminger in der Anklageschrift lediglich als Beihilfe zum einfachen Raub gewürdigt worden ist, beantrage ich, den Angeklagten Eminger gemäß § 265 Abs. 1 StPO auf diese Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes hinzuweisen.

Die Anmietung für und die anschließende Überlassung des [am 19.12.2000 gemieteten Wohnmobils], das eingesetzt wurde zur Ablage des am 19.1.2001 detonierten Sprengsatzes im Lebensmittelgeschäft der Familie M., an die NSU-Mitglieder stellt sich für den Angeklagten Eminger ebenfalls analog zur Haupttat als Beihilfe zum versuchten Mord und tateinheitlich als Beihilfe zur Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion, §§ 211 Var. 4, 308 Abs. 1 und 2, 27 StGB dar. Er nahm mit der Inkaufnahme des Tatmittels Sprengstoff zugleich auch eine heimtückische Begehung in Kauf. Zudem handelte er selbst aus niedrigen Beweggründen aus § 211 Abs. 1, 1. Gruppe StGB, da er sich an dieser Tat maßgeblich wegen der eigenen rassistischen Einstellung und Befürwortung der Tötung von Repräsentanzopfern beteiligte. Für eine Strafrahmenverschiebung gem. § 28 Abs. 2 StGB ist damit aus zweierlei Gründen kein Raum.

Soweit darüber hinaus eine Beihilfe zur tateinheitlich begangenen gefährlichen Körperverletzung angeklagt ist, kommt eine Verurteilung wegen Beihilfe zu diesem Delikt wegen Verjährung nicht in Betracht.

Die Anmietung für und die anschließende Überlassung des letztlich am 23.09.2003 zur Begehung des Raubüberfalls in der Paul-Bertz-Straße überlassenen Wohnmobils an die NSU-Mitglieder stellt sich aus den bereits genannten Gründen für den Angeklagten Eminger analog zur Bewertung der Haupttat als Beihilfe zum besonders schweren Raub nach §§ 249, 250 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 2 in Verbindung mit Abs. 1 Nr. 2, 25 Abs. 2, 27 StGB dar. Die mitangeklagte Tat der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung in der bis zum 27.12.203 gültigen Fassung vom 22.8.2002 ist gemäß § 78 StGB angesichts der damals geltenden Strafandrohung für die Unterstützung einer terroristischen Vereinigung von im Höchstmaß fünf Jahre Freiheitsstrafe tatsächlich seit dem 23.09.2008 verjährt.

Bleibt noch die Bewertung der weiteren Unterstützungshandlungen: Die Zeugenaussage vom 11.1.2007 und die Bestellung und Übergabe der Bahnkarten im Jahr 2009 und den Folgejahren stellt sich jeweils als Unterstützung einer terroristischen Vereinigung im Sinne des § 129a StGB in der bis 29.7.2016 gültigen Fassung dar. Mit der Zeugenaussage vom 11.01.12007 und der damit einhergehenden Überlassung des Ausweises seiner Ehefrau an die Angeklagte Zschäpe sicherte der Angeklagte Eminger bewusst den NSU in seiner konspirativen Untergrundsituation ab, in einer Situation, in der die legendierte Anmietung der Wohnung in der Polenzstraße und die weitere Verwendung der Personalien im höchsten Maß gefährdet waren. Ohne Hilfe des Angeklagten Eminger hätte die Identität der Angeklagten Zschäpe schon einer oberflächlichen Überprüfung nicht standgehalten. Die Verschaffung der Bahncards förderte die Vereinigung einerseits durch die Realisierung einer ungefährlichen, kostengünstigen Mobilität und bot der Angeklagten Zschäpe zudem eine Behelfsidentifikationsmöglichkeit.

Lassen Sie mich noch klarstellen, dass der Komplex Bahncards von der Bundesanwaltschaft rechtlich als eine Tat bewertet wird.

 

Ich beginne noch kurz mit den Ausführungen zu dem Angeklagten Holger Gerlach:

Strafrechtlich stellt sich das Verhalten des Angeklagten Gerlach als Unterstützung einer terroristischen Vereinigung in drei Fällen gem. §§ 129a Abs. 1 Nr. 1, 2 Nr. 2, 53 StGB dar. Wie die Kollegin Greger bereits dargelegt hat, ist der NSU eine terroristische Vereinigung im Sinne der genannten Vorschrift. Nach ständiger Rechtsprechung des für Staatsschutzsachen zuständigen 3. Strafsenates des BGH, zuletzt Beschluss vom 27.10.2015, 3 StR 334/15, ist unter Unterstützung im Sinne des § 129 Abs. 5, Abs. 1 StGB grundsätzlich jedes Tätigwerden zu verstehen, „durch das ein Nichtmitglied der Vereinigung deren innere Organisation und ihren Zusammenhalt unmittelbar fördert, die Realisierung der von ihr geplanten Straftaten – wenn auch nicht unbedingt maßgebend – erleichtert oder sich sonst auf deren Aktionsmöglichkeiten und Zwecksetzung in irgendeiner Weise positiv auswirkt und damit die ihr eigene Gefährlichkeit festigt, […] es genügt, wenn sein Tun für die Organisation objektiv nützlich ist, ohne dass ein messbarer Nutzen für diese eintritt“.

Ob dieser Vorteil genutzt wurde und daher eine konkrete aus der Organisation gemachten Straftat oder auch nur eine organisationsbezogene Handlung mitprägt, ist dagegen ohne Belang. Tatbestandsmäßig ist damit schon eine Handlung, die als Stärkung oder Absicherung des spezifischen Gefahrenpotentiale der Vereinigung wirksam und damit allgemein für sie wirksam ist.

Der Angeklagte Gerlach hat die terroristische Vereinigung damit durch die Überlassung des Führerscheins, der AOK-Karten und des Reisepasses nebst AOK-Karte gemäß § 129a Abs. 5, Abs. 1 StGB in drei rechtlichen Fällen unterstützt, indem er zumindest während der Geltungsdauer der Karten dazu beigetragen hat, den begünstigten Mitgliedern ein Leben im Untergrund auch bei [Notwendigkeit ärztlicher Behandlung] zu ermöglichen.

Der Angeklagte Gerlach vermittelte den NSU-Mitgliedern dadurch die Sicherheit, jederzeit im Untergrund auch auf ärztliche Leistungen zurückgreifen zu können, ohne als Selbstzahler auftreten zu müssen. Letzteres ist insoweit von Belang, als ein Auftreten als Barzahler auf Grund des nachfolgenden unbaren Zahlungsverkehrs und der damit im Zusammenhang stehenden Entdeckungsrisiken, etwa bei vorheriger Bareinzahlung auf ein Konto ausgelöster Geldwäscheverdachtsanzeigen, ersichtlich nicht in Betracht kam.

Bei der Möglichmachung der unberechtigten Nutzung einer Krankenkassenkarte handelt es sich auch nicht um eine eventuell sozialadäquate Förderung des allgemeinen Lebensunterhalts des einzelnen begünstigten Vereinigungsmitglieds, wie es vielleicht bei einer Einladung zum Essen wäre, sondern es handelte sich um eine schon für sich strafrechtlich sanktionierte Beihilfe zum Betrug zum Nachteil der Krankenkasse, vgl. OLG Hamm, NJW 2006, 2341 ff.

Die Angeklagte Zschäpe hat – ohne dass dieser zur Erfüllung des Tatbestandes erforderlich wäre – in mindestens zwei Fällen durch Zahnarztbesuche von der AOK-Karte Scheidemantel auch Gebrauch gemacht. Diese diente aus den genannten Gründen auch den Zwecken der Vereinigung.

Die Nutzung der im Jahr 2011 an Böhnhardt überlassenen AOK-Karte konnte demgegenüber nicht festgestellt werden. Das ändert an der rechtlichen Einordnung als Unterstützung einer terroristischen Vereinigung nichts.

Herr Vorsitzender, hier würde sich eine Pause anbieten

Unterbrechung 15:29 bis 15:45 Uhr. Weiter 15:47 Uhr.

 

OStA Weingarten:

Herr Vorsitzender, Hoher Senat, verehrte Verfahrensbeteiligten,

die eigentliche Frage, die sich stellt, nachdem ich nun gesagt habe, dass im Prinzip der Unterstützungstatbestand bejaht ist – objektiv und auch subjektiv –, die eigentliche Frage, die sich stellt, ist doch, ob die Übergabe von Führerschein und Reisepässen nicht sogar eine Beihilfe zu den Taten darstellt – ob nicht der Angeklagte Gerlach zu den vollendeten Taten deren Begehung unter Benutzung von Fahrzeugen, meist Wohnmobilen, erst möglich geworden sind, Beihilfe geleistet hat und daher nicht nur wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung, sondern auch wegen [Beihilfe zu den Taten im Einzelnen] zu verurteilen ist, Es stellt sich die Frage, wo der Unterschied zwischen der Tathandlung des Angeklagten Gerlach und der des Angeklagten Eminger liegt, worin der qualitative Unterschied liegen soll zwischen dem Zur-Verfügung-Stellen eines vom Angeklagte Eminger selbst angemieteten Wohnmobils, das zum versuchten Morden an M. M. in Köln genutzt worden ist, und der Übergabe eines Führerscheins, der es dann Uwe Böhnhardt ermöglicht hat, [zur Begehung weiterer Morde] höchstselbst einen VW Touran anzumieten.

In beiden Fällen – das dürfte jedem einsichtig sein – haben die Angeklagten Gerlach und Eminger die Mordtaten objektiv gefördert, indem sie Tatmittel zur Verfügung gestellt haben. Natürlich ist die Tatbeihilfe durch die Übergabe eines Tatmittels konkreter als die Übergabe eines Hilfsmittels, dass erst die Beschaffung des Tatmittels vermittelt. Es macht aber gleichwohl in objektiver Hinsicht keinen Unterschied, ob ich jemand selber ein Messer gebe oder ob ich ihm Geld gebe, damit er sich selbst ein Tatmesser kauft. Und es macht objektivrechtlich keinen Unterschied, ob ich ihm ein Auto überlasse oder ob ich ihn durch Übergabe von Personal-Papieren selbst in die Lage versetze, sich ein Auto zu mieten. Der Unterschied liegt im subjektiven, also im Vorstellungsbild der Gehilfen. Es ist also allein der Vorsatz, der in diesen Abgrenzungsfällen über die strafrechtliche Qualität des Verhaltens entscheidet. Die Frage ist also, was hat sich der Angeklagte Gerlach bei der Übergabe des Führerscheins gedacht. Hierzu habe ich im tatsächlichen Teil des Schlussvortrags Ausführungen gemacht.

Die Voraussetzungen des bedingten Vorsatzes habe ich mehrfach erörtert; diese Voraussetzungen liegen hinsichtlich der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung unzweideutig vor. Anders als beim Angeklagten Eminger liegt beim Angeklagten Gerlach kein Gehilfenvorsatz im Hinblick auf die einzelnen unter Zu-Hilfe-Nahme des Führerscheins begangenen Verbrechen des NSU und damit keine diesbezügliche vorsätzliche Beihilfe vor. Dies hat folgenden tatsächlichen und rechtlichen Hintergrund: Der Angeklagte Gerlach wusste von den Raubtaten und er hielt es für möglich, dass die Drei auch Mordtaten begangen haben und begehen würden. Zudem war ihm nicht zuletzt aufgrund der Urlaubsbegegnungen [einiges über die Untergetauchten bekannt und er wird es zumindest im Sinne eines Lebensrisikos] auch für möglich gehalten haben, dass diese Fahrzeuge zur An- und Abreise von und zu einigen vereinigungsbezogenen Betätigungshandlungen genutzt werden würde.

Dieses allgemeine Für-möglich-halten genügt zur Ausbildung eines Gehilfenvorsatzes indes nicht. Nach der Rechtsprechung des BGH reicht die Kenntnis einer solchen abstrakten Gefährdung nicht aus, wenn die Beihilfehandlung im Hinblick auf die Raubüberfälle und Tötungen für sich genommen einen äußerlich neutralen Charakter hat, so der BGH 2014 in BGHSt 76, 107 ff, OLG Düsseldorf [Nachweis].

Die rechtswidrige und auf Täuschung angelegte Übergabe der Personalpapiere steht, anders als die Übergabe der Tatwaffe, objektiv in keinem erkennbaren Zusammenhang zu Morden und Raubtaten. Demnach läge ein doppelter Gehilfenvorsatz nur dann vor, wenn der Angeklagte Gerlach das ganz konkrete Risiko der durch die Übergabe seiner Papiere geförderten Anmietung von Fahrzeugen bei der Vor- und Nachbereitung der vom NSU durchgeführten Vereinigungsdelikte gekannt hätte. Dieses konkretisierte Risikowissen kann ihm jedoch nicht nachgewiesen werden, denn es gibt keine Belege dafür, dass er konkrete, das allgemeine Lebensrisiko überschreitende Erkenntnisse dahin gehabt hatte, dass zur Vorbereitung der Taten von Böhnhardt, Zschäpe und Mundlos gerade die angemieteten Kraftfahrzeuge genutzt werden würden.

In seinem Wissenskontext über operative Handlungsmöglichkeiten der NSU spielte das operative Vorgehen des NSU im Einzelnen auch gerade mit Blick auf Vergangenheit keine Rolle. Dass die NSU-Mitglieder sich zu Besuchs- und Urlaubszwecken gemieteter Fahrzeuge bedienten, war ihm bekannt. Aber es lagen ihm nachweislich keine [klaren] Erkenntnisse dazu vor, unter Verwendung welcher konkreten Reisemittel sich die NSU-Mitglieder der vom Angeklagten Gerlach für möglich gehaltenen Verbrechen bewegten und wie sie sich dahin bewegen würden.

Anders als der Angeklagte Eminger hat der Angeklagte Gerlach nie mit den NSU-Mitgliedern über die Zwecke der Vereinigung klartextlich gesprochen. Er ist nie ausdrücklich eingeweiht worden, was der NSU konkret vorhat und tut und wie er es tut. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass der NSU zur Vor- und Nachbereitung der Taten gerade Kraftfahrzeuge verwendete, hatte der Angeklagte Gerlach nicht.

Damit kann dem Angeklagten Gerlach ein ausreichendes Maß an konkretem Risiko[wissen] dazu, dass die NSU-Mitglieder konkret seine Papiere konkret auch zur Vorbereitung der verbrecherischen Vereinigungsdelikte nutzen würden, nicht nachgewiesen werden. Anders als der Angeklagte Gerlach hat der Angeklagte Eminger mit [den Taten, also Morden und Sprengstoffanschlägen,] nicht nur gerechnet, sondern er hat prinzipiell ganz genau gewusst, [dass und auf welche Weise diese durchgeführt werden sollen] – anders als der Angeklagte Gerlach [hat er nämlich von der Verwendung von Wohnmobilen und Kraftfahrzeugen zur An- und Abreise gewusst]. Von daher erstreckt sich dessen [des Angeklagten Eminger] strafrechtliche Haftung auch auf die konkrete Förderung der Verbrechen des NSU und nicht nur auf die Förderung der Vereinigung als solche, wie beim Angeklagten Gerlach.

Damit bleibt es hinsichtlich des Angeklagten Gerlach bei der mit der Anklage vorgenommenen rechtlichen Würdigung seines Verhaltens.

Nachdem sich die Übergabe des Führerscheins im Jahre 2004, die Übergabe der AOK-Karte im Jahre 2006 und des Reisepasses nebst 6 Fotos als drei selbständige Taten im Sinne von § 53 StGB darstellen, hat sich Angeklagte Gerlach also des Vergehens einer Unterstützung einer terroristischen Vereinigung in drei Fällen gem. § 129a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 2, Abs. 5, 53 StGB schuldig gemacht.

Ende der Hauptverhandlung: 15.57 Uhr.