Schlagwort-Archive: Beate Zschäpe

30.07.2014

Zeuginnen: Gewalttätigkeiten von Beate Zschäpe bereits 1996

Heute berichteten zwei Zeuginnen aus Jena von einem Angriff Beate Zschäpes im Jahr 1996. Zschäpe stieß demnach eine von ihnen zu Boden, so dass sie einen Knöchelbruch erlitt. Danach setzte sie sich auf ihren Rücken und zwang sie, sich selbst als „Potte“ zu beleidigen – was das bedeuten soll, konnte nicht geklärt werden. Zschäpe warf der Zeugin vor, sie zuvor beleidigt zu haben – anscheinend gab es vorher eine Begegnung mit einer der Zeugin ähnlich sehenden Freundin. Zschäpe war in Begleitung eines weiteren Mädchens mit Skinhead-Frisur – wahrscheinlich Jana J., die ehemalige beste Freundin von André Kapke (vgl. zu ihr die Berichte vom 13.03.2014 und 16.04.2014). Eine der beiden berichtete, Zschäpe sei ihr damals von anderen als äußerst gewalttätig und unberechenbar beschrieben worden.
Auch wenn beide Zeuginnen 18 Jahre nach der Tat nicht mehr alle Details gleich erinnerten, waren aber jedenfalls ihre Angaben zum grundsätzlichen Ablauf der Tat glaubhaft. Insbesondere die Geschädigte gab sich sichtlich Mühe, ausgewogen zu berichten und auseinander zu halten, an was sie sich noch konkret erinnerte und was sie sich im Nachhinein erschlossen hatte. Die Versuche der Verteidigung Zschäpe, die Identifizierung ihrer Mandantin in Zweifel zu ziehen, überzeugten dagegen nicht.

Wohlleben-Verteidiger Klemke derweil betrieb wieder v.a. Verteidigung für die Nazi-Szene und versuchte, in die Zeuginnen „hineinzufragen“, dass damals Gewalt von Nazis wie auch von Linken alltäglich gewesen sei. Die Zeuginnen erinnerten die Geschehnisse aber durchaus ganz anders, nämlich so, dass vor allem sie und ihre Freundinnen und Freunde Angst vor den in Jena damals sehr stark vertretenen Nazis hatten.

Zum Schluss des Sitzungstages stellte die Nebenklage Yozgat einen Beweisantrag, wonach zwei hochrangige Mitarbeiter des Bundesinnenministeriums im Auftrag des Ministeriums die Zeugenvernehmung des hessischen Verfassungsschützers Temme beobachtet haben. Sollte sich dies bestätigen, läge die Gefahr der Beeinflussung der Zeugenaussagen weiterer Behördenmitarbeiter, insbesondere des hessischen Verfassungsschutzes, auf der Hand.

29.07.2014

Befangenheitsantrag der Angeklagten Zschäpe – viel Lärm um Nix

Der heutige Hauptverhandlungstag war weitgehend unergiebig:

Die Vernehmung des Zeugen Thomas Rothe, eines der ersten Unterstützer der Drei aus Blood and Honour-Kreisen in Chemnitz, musste erneut unterbrochen werden und wird an einem anderen Termin fortgesetzt. Rothe wurde nicht müde zu betonen, dass das doch jetzt alles 14 Jahre her sei und er damals eh nicht viel mitbekommen habe – er gab aber immerhin auch zu, dass er durchaus „zwei, drei Konzerte“ von Blood and Honour mitorganisiert hatte. Der Vorsitzende Richter kommentierte einen Ausschnitt aus einer früheren Vernehmung Rothes durch die Polizei mit den Worten: „Da haben sie ja glatt gelogen!“ Man kann gespannt sein auf die Fortsetzung dieser Vernehmung.

Es wurde dann ein Ermittlungsrichter am Bundesgerichtshof vernommen, der 2011 den Mieter der Zwickauer NSU-Wohnungen und vermutlichen NSU Unterstützer Matthias Dienelt vernommen hatte. Diese Vernehmung gab der Verteidigung Zschäpe Gelegenheit, zu zeigen, dass sie ihre Mandantin „mit allen Mitteln verteidigen“ (so die Wertung in der Süddeutschen Zeitung) – auch mit Befangenheitsgesuchen, von denen sie wissen müssen, dass sie nicht den Hauch einer Chance auf Erfolg haben können. Der Vorsitzende hatte dem Zeugen längere Abschnitte aus dem damaligen Protokoll vorgehalten und von diesem bestätigen lassen, andere Abschnitte, darunter zwei, die nach Ansicht der Verteidigung für Beate Zschäpe entlastend sein sollten, dagegen nicht. Damit habe er seine Voreingenommenheit gezeigt, und da die anderen Mitglieder des Gerichts ebenfalls keine Fragen hierzu gestellt hätten, gelte das gleich auch für die. Nun mag man von der Tendenz des Vorsitzenden, vielen Zeugen größere Teile ihrer Vernehmungsprotokolle vorzulesen und sich „abnicken“ zu lassen, halten, was man will – eine Befangenheit daraus abzuleiten, dass er die Protokolle nicht vollständig vorliest, ist hanebüchen, kann doch die Verteidigung in ihrer Befragung etwaige Lücken jederzeit schließen. Außer zur „Klimapflege“ innerhalb der Verteidigung Zschäpe war dieser Antrag also zu nichts gut.

Über das Ablehnungsgesuch wird ein anderer Senat des Gerichts zu entscheiden haben. Die Hauptverhandlung und auch die Vernehmung des Ermittlungsrichters wurden einstweilen fortgesetzt. Wer nun erwartet hatte, dass die Verteidigung die angeblich entlastenden Aspekte der Aussage Dienelts herausarbeiten würde, wurde enttäuscht – statt dessen verloren sie sich in vagen Ausführungen zum Unterschied zwischen „rechtsradikalem“ und „rechtsextremem“ Gedankengut und Spekulationen zu den damaligen Entscheidungen des Haftrichters.
Einen deutlich kürzeren Auftritt hatte der Zeuge Maik Eminger, der Zwillingsbruder André Emingers und wie dieser seit Jahrzehnten in der Naziszene verankert: als Bruder des Angeklagten darf er die Aussage verweigern, was er auch tat. Eine politische Stellungnahme gab Maik Eminger aber vor dem Gerichtsgebäude ab, wo er mit einem Shirt mit der Aufschrift „Brüder schweigen“ auftrat – eine Anspielung auf sein Schweigerecht, aber vor allem auch ein Zitat aus dem Treuelied der Waffen-SS und Selbstbezeichnung der mörderischen Nazi-Terrororganisation „The Order“ aus den USA. Stellungnahmen der Nebenklage zu diesem Hinweis auf die Ideologie der Emingers versuchte die Verteidigung durch sofortige Beanstandung zu unterdrücken, es gelang aber, die Saalöffentlichkeit auf diesen Sachverhalt hinzuweisen.

01.04.2014

Das Netzwerk in Chemnitz

Zunächst wurde erneut einer derjenigen Verfassungsschutzmitarbeiter vernommen, die den V-Mann Tino Brandt betreut hatten. Er habe anfangs geglaubt, Brandt wolle sie hinters Licht führen, mit der Zeit sei aber eine alltägliche, gute Zusammenarbeit entstanden. Er habe Brandt „abschalten“ müssen, da der Leiter des Landesamtes, Roewer, geglaubt habe, dass der eigentliche V-Mann-Führer Brandts, Wießner, ihn hinters Licht führen wolle. Auch dieser Zeuge wird nach der Vernehmung des Tino Brandt nochmals nach München kommen müssen.

Danach folgte die Vernehmung von Thomas Rothe, der, soweit bislang bekannt, die erste Unterkunft in Chemnitz für das Trio nach dessen Untertauchen gestellt hatte. Zunächst versuchte er mit Angaben wie „Die standen bei mir vor der Tür, dann haben sie bei mir geschlafen“ genauere Nachfragen abzublocken. Durch geduldiges Nachfragen kam heraus, dass Rothe in die Nazimusikszene in Chemnitz eingebunden war, häufiger Mitglieder von internationalen Nazibands bei sich übernachten ließ. Weiter gab er an, dass Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe einige Zeit bei ihm wohnten, vor allem aber, dass er sie auch nach ihrem Auszug und bis 2001 regelmäßig traf, sowohl in Chemnitz als auch in Zwickau.

Der Kontakt zu den Dreien sei durch Thomas Starke hergestellt worden, der sei mit den Dreien zu ihm gekommen und habe ihn gebeten, sie bei sich aufzunehmen. Starke habe ihn auch angerufen, auf einen Bericht im Fernsehen mit einem Fahndungsaufruf hingewiesen und diesen mit den Worten „du weißt schon, wen du da hast“ kommentiert. Rothe selbst gab zu, bei „Blood and Honour“ gewesen zu sein – der Naziorganisation, der zumindest auch Thomas Starke angehörte, und aus der ein wesentlicher Teil der Unterstützer jedenfalls in Sachsen kamen. Thomas Starke wird am Mittwoch vernommen.

Interessant war, dass der Vorsitzende intensiv nach „Blood and Honour“ nachfragte, obwohl die Anklageschrift die Organisation nur am Rand erwähnt. Fragen nach weiteren „B&H“-Mitgliedern blockte der Zeuge aber schließlich ab – unter Verweis auf ein Verfahren gegen ihn wegen seiner „B&H“-Aktivitäten, das 2010 wegen „geringer Schuld“ eingestellt worden war. Erst nachdem der Vorsitzende ihm mit Ordnungsgeld und Ordnungshaft bedroht hatte, verwies Rothe auf ein mögliches Schweigerecht wegen dieses Verfahrens. Der Vorsitzende unterbrach die Vernehmung, um zu prüfen, ob sich ein solches Schweigerecht ergibt. Dafür wird jetzt die Ermittlungsakte beigezogen. Der Zeuge wird sich bei seiner nächsten Vernehmung einem erheblichen Druck seitens des Gerichts ausgesetzt sehen.

28.11.2013

Weitere Vernehmung von Zschäpes Cousin

Heute ging die Vernehmung des Cousins von Beate Zschäpe, Stefan A., weiter. Auf einem Foto der erwähnten Kreuzverbrennung, bei der diverse Personen den „Kühnengruß“ zeigten, erkannte er u.a. die Angeklagten Wohlleben und Gerlach sowie André Kapke und Uwe Böhnhardt.

Seine Behauptung, ideologisch mit seiner rechten Vergangenheit abgeschlossen zu haben, widerlegte Nebenklägervertreter RA Narin: er präsentierte Bilder von der facebook-Seite des Zeugen u.a. mit der Forderung „Geld für die Oma statt für Sinti und Roma“, einem Wahlkampfslogan der NPD zur Bundestagswahl.

Nach einigen Fragen der Nebenklage folgte eine lange Befragung durch Zschäpe-VerteidigerInnen Heer und Sturm zu den Umständen seiner Zeugenvernehmung beim BKA und zweier Fernseh-Interviews – ohne erkennbares Ziel und ohne Ergebnis.

Zum Schluss des Sitzungstages verkündete der Vorsitzende noch einen Beschluss: Die Anträge der Nebenklage auf Beiziehung der Ermittlungsakte gegen VS-Mann und V-Mann-Führer Andreas Temme wurden abgelehnt, nur einige wenige Unterlagen wurden beigezogen. Temme und einer seiner V-Männer werden nächste Woche aussagen.

27.11.2013

Familie Zschäpe: Mutter schweigt, Cousin verschweigt

Mit dem Cousin und der Mutter Beate Zschäpes sollten heute Familienmitglieder einen Einblick in die Persönlichkeit und Entwicklung der Hauptangeklagten geben. Die Mutter berief sich allerdings auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht als Angehörige und verließ nach drei Minuten den Saal.

Anders der Cousin Zschäpes, Stefan A., der sich als spaßorientiertes Mitglied der Skinhead-Fraktion der Jenaer Naziszene beschreibt, der mit Politik kaum etwas zu tun hatte. „Die Musik stachelt einen halt auf, sagt das, was viele gedacht haben. Gegen den Staat, gegen Ausländer, gegen Linke, gegen Kommunismus“, beschreibt er die Stimmung in Jena Mitte der 1990er-Jahre. Beate Zschäpe sei auch dabei gewesen in der rechten Szene. Sie sei selbstbewusst gewesen. Ihr erster langjähriger Freund habe sich zwar auch „so“ gekleidet, sei aber nicht so anerkannt worden. Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt, mit denen Beate dann rumgezogen sei, seien an Nazimusik und Politik interessiert gewesen.

Er selbst bestreitet allerdings, eine Rolle in der Jenaer Naziszene gehabt zu haben. Auf Vorhalt des sogenannten Schäferberichts und von Berichten des LKA Thüringen, in denen er als eines der acht aktiven Mitglieder der „Kameradschaft Jena“ bezeichnet wird, spielt er seine Rolle herunter. Fast alle weiteren genaueren Nachfragen beantwortet er nun mit Gedächtnisproblemen – kaum Erinnerungen an gemeinsame Konzerte, an Reisen nach Nürnberg, Gespräche. Immerhin beschreibt er, dass Uwe Mundlos für die Jenaer „Kameraden“ den Briefkontakt zu dem inhaftierten Chemnitzer Nazi und späteren V-Mann Thomas Starke hielt und diesem auch vom Zeugen Grüße ausrichtete. Daran, dass es sich bei diesem Starke und einem weiteren Bekannten vermutlich um führende Kader von „Blood and Honour“ Chemnitz handelte, wollte er sich dann wieder nicht erinnern können. Der Zeuge folgt der offensichtlich für die Zeugen aus der Naziszene ausgegebenen Losung „alles vergessen!“ So muss er zwar nach Vorlage verschiedener Bilder zugeben, dass er an Ku Klux Klan-artigen Kreuzverbrennungen teilgenommen hat und sich mit dem sogenannten „Kühnengruß“, einem leicht abgewandelten Hitlergruß, hat fotografieren lassen – er behauptet aber, er habe nie gewusst, was dieser Gruß bedeutet.

Das Gericht lässt ihn gewähren, denn die für die Bestätigung der Anklage wichtigen Angaben hat er bereits gemacht: Beate Zschäpe war selbstbewusst, sie hatte ihre Männer im Griff und ließ sich nicht unterbuttern. Sie war gleichberechtigtes Mitglied der Naziszene um sie, Mundlos, Böhnhardt, Kapke, Gerlach und Wohlleben.

Seine Vernehmung wird morgen fortgesetzt. Die für morgen angesetzten Zeugen wurden abgeladen mit Ausnahme einer früheren Freundin des Angeklagten Eminger.

26.11.2013

Urlaubsbekanntschaften

Heute wurden mehrere Urlaubsbekanntschaften von Beate Zschäpe, Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos als Zeugen gehört. In den Jahren 2007 bis 2011 traf man sich immer während der Sommerferien auf einem Campingplatz auf Fehmarn. Die ZeugInnen berichteten, dass über die Jahre eine recht enge Urlaubsfreundschaft mit „den Drei“ entstand. Zwei Familien mit jugendlichen Kindern erlebten diese als angenehme, sehr sportliche WohnwagennachbarInnen, die immer für gemeinsame Sportaktivitäten und Grillabende offen waren. Der Kontakt zu der einen Familie wurde so eng, dass die drei zum Geburtstag der Tochter eingeladen waren und diese besuchten.

Beate Zschäpe wird als „Managerin des Geldes“, als fürsorglich beschrieben, die für Wäsche und Küche zuständig war, während sich die Männer um die Sportgeräte, das Auto und Reparaturen kümmerten.

Abgesehen von dem tätowierten Totenkopf und Stahlhelm, den Uwe Böhnhardt alias Gerry als Jugendsünde bezeichnete, und der Tatsache, dass die drei nie eine Adresse angaben, fiel niemandem irgendetwas Negatives an den Dreien auf. In Sportbekleidung und ohne dumpfe Sprüche fiel also der Nationalsozialistische Untergrund nicht weiter auf.

Die Vernehmung der Urlaubsfreunde machte nicht nur deutlich, dass Beate Zschäpe in einem völlig gleichberechtigten Verhältnis zu Böhnhardt und Mundlos stand, dass sie im Rahmen der Arbeitsteilung der Gruppe für die Verwaltung des Geldes zuständig war. Darüber hinaus ist deutlich geworden, dass alle drei ihre Tarnung sehr professionell und klar kalkuliert betrieben. Über 4 Jahre hielten sie ihre Tarnidentitäten und die dazu gehörenden Biografien selbst gegenüber Menschen aufrecht, mit denen sie sich angefreundet und ein gewisses Vertrauensverhältnis aufgebaut hatten. Die Zeugenvernehmungen haben erneut erhebliche Indizien dafür erbracht, dass Beate Zschäpe als vollwertiges Mitglied des NSU in voller Kenntnis aller Taten eine tragende Rolle eingenommen hat.

14.11.2013

Zu Zschäpes Rolle im NSU

Zu Beginn der Hauptverhandlung beantragten NebenklägervertreterInnen Hoffmann und Pinar ein forensisch-linguistisches Gutachten: Ein Propagandaschreiben des NSU, das in der Frühlingsstraße gefunden und zusammen mit Bargeld an verschiedene Nazigruppen versandt worden war, soll verglichen werden mit einem Brief von Uwe Mundlos und einem Brief, den Zschäpe aus dem Gefängnis an den Neonazi Robin Schmiemann geschrieben hat. Das Gutachten könnte Hinweise dafür geben, dass Zschäpe Mitautorin des sogenannten NSU-Manifests war – was wiederum eine Verurteilung Zschäpes als Mittäterin der NSU-Morde erlauben würde.

Weiter wurden ehemalige Nachbarn von Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt aus der Zwickauer Polenzstraße vernommen. Erschreckend war deren offen zur Schau gestellte Sympathie für Zschäpe, über die sie „nichts schlechtes sagen“ konnten oder wollten. Das Wissen um die Verstrickung von Zschäpe in die Mordserie erreichte diese Menschen offensichtlich nicht, oder es reicht jedenfalls nicht aus, um ihr Bild von ihrer ehemaligen Nachbarin zu beeinflussen.