12.02.2015 – 23.2.2015 Verhandlungspause

Antrag auf Widerruf der Zulassung der Nebenklage von S. und der Beiordnung von Rechtsanwalt Alexander Hoffmann zurückgewiesen

Mit Beschluss vom 12. Februar 2015 hat das Oberlandesgericht München erwartungsgemäß  den Antrag der Verteidigung Zschäpe, die Nebenklagebefugnis einer Nebenklägerin zu widerrufen, zurückgewiesen. Rechtsanwalt Alexander Hoffmann bleibt also im Verfahren.

Diese Entscheidung war nicht anders zu erwarten, der Antrag der Verteidigung Zschäpe von vornherein als reines Ablenkungsmanöver zu erkennen. Die Verteidigung Zschäpe versuchte mit diesem Antrag einerseits, einen unangenehmen Nebenklagevertreter aus dem Prozess auszuschließen. Vor allem ging es aber darum, nur wenige schwerverletzte Personen als wirkliche Tatopfer zu akzeptieren und damit die mörderische Dimension des Nagelbombenanschlages in der Kölner Keupstraße zu verschleiern. Durch die Behauptung , dass eine Person, die sich während der Bombenanschlages in unmittelbarer Nähe der Bombe aufhielt und nur durch Zufall nicht Bombensplittern ausgesetzt war, keine Geschädigte der Bombe ist, sollte  in den Hintergrund treten, dass dieser Anschlag sich gegen alle BewohnerInnen der Keupstraße richtete.

Der Senat führt zur Begründung schlicht aus, bei Zulassung der Nebenklage davon ausgegangen zu sein, dass sich die Nebenklägerin im Gefährdungsbereich der Nagelbombe befunden habe und damit eine Verurteilung der Angeklagten Zschäpe möglich sei. Ob die Beweisaufnahme im Prozess dies nachweise – für die Behauptung, sie tue dies nicht, hatte die Verteidigung Zschäpe Seiten über Seiten vollgeschrieben – , sei für die Entscheidung ohne jeden Belang.

12.02.2015

Der heutige Verhandlungstag wurde abgesagt, weil die Angeklagte Beate
Zschäpe krank ist. In der nächsten Woche ist Verhandlungspause, der
Prozess geht weiter am Dienstag, 24. Februar mit Nachbarinnen des NSU
aus Zwickau und Gordian Meyer-Plath, dem ehemaligen V-Mann-Führer von
Carsten Szczepanski und jetzigem VS-Präsidenten Sachsens.

11.02.2015

Zur Gefährlichkeit der Nagelbombe in der Keupstraße und dem bislang dreistesten Nazi-Zeugen.

Heute war zunächst Bernd Tödter geladen, Führer des „Sturm 18“ aus Kassel und gerade vor wenigen Tagen aus der Untersuchungshaft entlassen, nachdem er wegen Gewaltdelikten zu 2 1/2 Jahren Freiheitsstrafe verurteilt wurde. Tödter erschien im klassischen Nazi-Skinhead-Outfit der 90er mit Glatze, Bomberjacke und „Sturm 18“-Shirt.

Er hatte bei einer seiner vorherigen Haftstrafen der Polizei gesagt, er könne Angaben machen zu einem Treffen mit Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt im Jahr 2006, kurz vor dem Mord an Halit Yozgat in Kassel. Heute wollte Tödter hiervon nichts mehr wissen – und schaffte es, so dreist wie kein Zeuge vor ihm, Aussageverweigerung und Falschaussage miteinander zu verbinden: Zunächst meinte er, er wolle keine Angaben machen, um sich selbst nicht der Gefahr der Strafverfolgung auszusetzen. Nachdem ihn der Vorsitzende Richter Götzl darauf hinwies, dass ihm kein Auskunftsverweigerungsrecht zusteht, meinte er „Dann kann ich mich an nichts erinnern.“ Der Vorsitzende versuchte geduldig, den Zeugen zu den Inhalten seiner Gespräche mit der Polizei zu befragen, aber der blieb bei seiner Blockade. Weiterlesen

10.02.2015

Zum Antrag der Verteidigung Zschäpe und einem weiteren Zeugen mit Erinnerungsproblemen

Heute sagte zunächst ein weiterer Betroffener des Nagelbombenanschlags in der Keupstraße aus. Er war Kunde in dem Friseursalon, vor dem die Bombe explodierte. Er selbst blieb wie durch ein Wunder unverletzt, seine Freundin, die ihn begleitete, erlitt Schnittwunden, Verbrennungen und Verletzungen am Trommelfell und litt auch erheblich an psychischen Folgen: „In den Tagen danach ist sie schon zusammengezuckt, wenn nur das Telefon klingelte.“ Diese Zeugin ist für einen späteren Zeitpunkt geladen.

Es folgten Stellungnahmen zum Antrag der Verteidigung aus der letzten Woche, der Mandantin von Rechtsanwalt Hoffmann die Nebenklagebefugnis zu entziehen. Die Generalbundesanwaltschaft meinte, sie sei zwar nicht Geschädigte eines versuchten Mordes, aber jedenfalls einer versuchten gefährlichen Körperverletzung und daher weiterhin nebenklageberechtigt. Rechtsanwalt Hoffmann machte noch einmal deutlich, dass der Antrag rechtlich keinerlei Aussicht auf Erfolg haben kann, was den Eindruck erweckt, dass er vor allem der Stimmungsmache dient. Seine Stellungnahme schloss wie folgt: Weiterlesen

05.02.2015

Weiter keine Entlastung für Wohlleben. Und: Versuch der Verteidigung Zschäpe, einen unbequemen Nebenklagevertreter loszuwerden

Der Verhandlungstag begann sehr ruhig mit dem Bericht eines Mitarbeiters der Jugendgerichtshilfe Düsseldorf, der von seinen Gesprächen mit dem Angeklagten Schultze berichtete. Viel Neues war von ihm nicht zu erfahren, nachdem Schultze selbst ja schon umfangreiche Angaben gemacht hat. In den nächsten Wochen wird das Gutachten erstattet werden, dass sich mit der Frage beschäftigt, ob Schultze zum Tatzeitpunkt noch wie ein Jugendlicher zu bewerten war.

Dann wurde Andreas Graupner, eine zentrale Gestalt von „Blood & Honour“ Sachsen, als Zeuge befragt. Auch er ist auf Antrag der Verteidigung Wohlleben geladen worden und sollte vor allem bezeugen, dass an einem „B&H“-Treffen am 8.10.1998 in Wilsdruff, bei dem die Unterstützung des NSU beschlossen worden sein soll, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt teilnahmen.

Graupner, der seit 2001 in Baden-Württemberg lebt, hat als Mitglied der „B&H“ nahestehenden Band Noie Werte bundesweit Bekanntheit erlangt. In zwei Versionen des NSU-Bekennervideos, die auf den Computern in der Frühlingsstraße gefundenen wurden, wird Musik von dieser Band Weiterlesen

04.02.2015

Vermessung der Keupstraße

Weil ein Zeuge – ein Jugendfreund von Uwe Mundlos – nicht erschien, beschränkte sich die Verhandlung heute im wesentlichen auf die Vernehmung eines Polizeibeamten, der anhand verschiedener Tatortskizzen angeben sollte, wie weit bestimmte Häuser in der Keupstraße von der Nagelbombe entfernt sind. Der Zeuge hatte einen Auszug aus dem Liegenschaftsregister und eine Spezialaufnahme zur Hand, die aus verschiedenen von einem Hubschrauber aus gemachten Bildern zusammengefügt war. Die mit größtem Aufwand erstellte Aufnahme machte allerdings Schwierigkeiten, so dass er erst nach einigen Unterbrechungen in der Lage war, die Entfernung der Nachbarhäuser vom Standort des Fahrrads mit der Nagelbombe anzugeben.

Die vergangene Woche angekündigten Anträge der Verteidigung wurden nicht gestellt.

03.02.2015

Zeugen der Verteidigung Wohlleben – keine Entlastung in Sicht

Heute wurden die ersten beiden Zeugen aus dem Umfeld von „Blood & Honour“ Sachsen gehört, die die Verteidigung Wohlleben in ihren Anträgen vom 13.01.2015 benannt hat. Diese Zeugen sollen aussagen, dass in Sachsen und speziell in Chemnitz in den 90er-Jahren Waffen verfügbar waren, dass Zschäpe, Böhnhardt und Mundlos sich frei in der Szene bewegten und an Treffen teilnahmen und dass die drei erst unter Einfluss von „B&H“ Sachsen ihre Radikalisierung zum NSU durchgemacht haben. Sie sollen weiter aussagen, dass der Angeklagte Wohlleben keinerlei Bezug zu „B&H“ Sachsen und daher keine zentrale Stellung im Unterstützerkreis des NSU innehatte.

Die beiden heutigen Zeugen haben diese Behauptung nicht untermauert, im Gegenteil: Der erste Zeuge, der auf seinem Facebook-Profil unter einem Spruch „Saufen macht frei“ seine innere Einstellung nach außen trägt, gab zwar an, vor allem Zschäpe bereits Anfang der 90er-Jahre kennengelernt und nach dem Abtauchen mehrfach in Chemnitz getroffen zu haben. Viel mehr war aber nicht zu erfahren, der Zeuge berief sich wie viele Nazi-Zeugen vor ihm auf Weiterlesen

29.01.2015

Verteidigung Zschäpe will Nebenklägervertreter rausschießen – und damit von der Beweisaufnahme zum „asservierten Geständnis“ Zschäpes ablenken.

Die Beweisaufnahme am heutigen Tag war überschattet von Auseinandersetzungen über die Nebenklageberechtigung einzelner Betroffener des Bombenanschlages in der Keupstraße. Seinen Anfang genommen hatte dies bereits gestern, als deutlich geworden war, dass einzelne Nebenklägervertreter sehr aggressiv Mandate bei KeupstraßenbewohnerInnen angeworben hatten und teilweise wohl ohne klare Absprache und mit unklarer Behauptung von Verletzungen Anträge auf Zulassung der Nebenklage gestellt hatten. Die Verteidigung Zschäpe sah dies offensichtlich als Chance, nicht nur von der ihre Mandantin dramatisch belastenden Beweisaufnahme abzulenken, sondern auch unliebsame Nebenklägervertreter anzugreifen.

Am Nachmittag saß der Therapeut einer Nebenklägerin, die vergangene Woche schon selbst befragt worden war, im Zeugenstand. Die Zschäpe-Verteidigung startete zunächst eine intensive Befragung und wollte von dem Zeugen hören, dass die Nebenklägerin keine psychischen Folgen des Bombenanschlags erlitten habe, sondern dass ihre eindeutig vorhanden Panikattacken von Ereignissen aus ihrer Kindheit herrührten. Der Therapeut bestätigte dies nicht – die Erlebnisse aus der Kindheit haben zu einer Depression geführt, diese hat aber völlig andere Symptome bewirkt als die Panikattacken. Die Zeugin habe ihm berichtet, dass diese in der Zeit nach dem Weiterlesen

28.01.2015

Keupstraße: wer war gefährdet?
Und: Angeklagter Schultze: Aussteiger oder „Umsteiger“?

Drei Mitglieder einer Familie schilderten ihr Erleben des Anschlages in der Keupstraße. Die Mutter hatte sich in weniger als 30 Metern Luftlinie zur Bombe aufgehalten und im Wesentlichen den Schrecken und die Erschütterung erlebt. Körperlich hatte sie Probleme mit den Ohren erlitten. Sie schilderte, dass laute Geräusche, etwa Silvesterraketen, sie in die Situation der Bombenexplosion zurückversetzen und wieder Ängste auslösen. Noch heute könne sie gerade mal zwei Nächte die Woche richtig schlafen, ansonsten leide sie unter Schlafstörungen und Ängsten.

Der Sohn sorgte zunächst für Irritationen und – vor allem bei einem Teil der anwesenden JournalistInnen – für Empörung, weil er schilderte, er habe sich im Moment der Explosion im Auto in der schräg zur Keupstraße verlaufenden Schanzenstraße befunden. Der Vorsitzende Richter Götzl hielt ihm relativ scharf vor, sein Rechtsanwalt habe im Antrag auf Zulassung der Nebenklage angegeben, er sei im Wirkungsbereich der Bombe in der Keupstraße gewesen. Erst Weiterlesen

27.01.2015

Betroffene der Nagelbombe in der Keupstraße: wie beweist man Angst und Leid?

Am heutigen Tag wurden mehrere ZeugInnen befragt, die sich zum Zeitpunkt der Bombenexplosion zwar in deren Wirkungsbereich befanden, aber keine erheblichen körperlichen Verletzungen erlitten. Die Schilderungen dieser Zeugen waren naturgemäß weniger spektakulär als die der Schwerverletzten in der vergangenen Woche. Dies führte leider auch dazu, dass der Vorsitzende Richter ungeduldig, drängend und ungnädig sein Frageprogramm abarbeitete. Obwohl diese Zeugen teilweise als Opfer eines versuchten Mordes als NebenklägerInnen zugelassen wurden, hat das Gericht Schwierigkeiten, sich den nur schwer zu beschreibenden Angstzuständen und psychischen Problemen dieser Betroffenen zu nähern und diese ausreichend ernst zu nehmen.

Spannenderweise schilderten diese Zeugen sehr ähnliche Empfindungen auf sehr unterschiedliche Weise. Alle hatten die Bombe gehört, gespürt, hatten teilweise Hörprobleme und schilderten ihre Ängste, die insbesondere ausgelöst wurden durch die Nägel, die selbst in einen 100 Meter entfernt liegenden Laden prasselten. Weiterlesen