22.01.2015

Weitere Geschädigte aus der Keupstraße

Heute sagten weitere Verletzte des Anschlags in der Keupstraße aus. Den Anfang machte ein Gastwirt aus der Keupstraße, der während der Explosion als Kunde im Friseurladen war. Er trug heute ein T-Shirt der Initiative „Keupstraße ist überall“.

Der Zeuge hatte verhältnismäßiges Glück und erlitt „nur“ eine Verletzung am Trommelfell, auch die psychischen Folgen hatte er nach einiger Zeit weitgehend überwunden. Dafür litt er wirtschaftlich ganz erheblich an den Verdächtigungen von Polizei und Presse gegen die Keupstraße – v.a. die deutschstämmigen KundInnen seines Restaurants trauten sich einfach nicht mehr dorthin.

Auch er hatte aber den rassistischen Hintergrund der Tat gleich erkannt und dies auch der Polizei mitgeteilt: Behauptungen, es seien „die Türsteher“ gewesen, glaube er nicht. „Ich denke, es hat eher einen rechtsradikalen Hintergrund. Man will das Zusammenleben der Türken dort stören.“ Hieran knüpfte der Zeuge heute an und drückte seine Hoffnung aus, dass deutsch- und türkeistämmige Menschen wieder zu einem vertrauensvollen Miteinander zurückfinden.
Es folgte eine damals hochschwangere junge Frau, die sich bei der Explosion zusammen mit Weiterlesen

21.01.2015

„Die Solidarität hat gefehlt“:
Weitere Verletzte des Nagelbombenanschlags in der Keupstraße

Heute sagten eine Reihe weiterer Verletzter des Nagelbombenanschlags in der Keupstraße aus.

Merklich war vor allem, dass alle Verletzten noch stark mit den psychischen Folgen des Anschlags zu kämpfen haben. So sagte etwa der Besitzer des Ladens auf der anderen Straßenseite, der glücklicherweise durch ein geparktes Auto geschützt war und daher von „nur“ drei Nägeln getroffen und nicht schwer verletzt wurde: „Wenn ich heute auf der Keupstraße sitze und ein Fahrrad vorbeifahren sehe, dann denke ich, es könnte wieder passieren.“

Am Schicksal einer Frau, die sich im Laden neben dem Frisörgeschäft befunden hatte, zeigt sich ein weiteres Mal, dass die Behörden die BewohnerInnen der Keupstraße nicht wie „normale“ Geschädigte behandelt haben: Die Zeugin hatte unmittelbar nach der Explosion einen der schwerverletzten jungen Männer gesehen, hatte die noch lodernden Flammen an dessen Bein gelöscht, wenig später das Bewusstsein verloren – sie war also augenscheinlich schwer traumatisiert. Bei jedem größeren Unglücksfall, erst recht bei einem Verbrechen, wäre die übliche Reaktion, Betroffenen wie ihr eine sofortige und umfassende traumatheurapeutische Weiterlesen

20.01.2015

Erste Zeugenaussagen zum Nagelbombenanschlag in der Keupstraße – und zur „Bombe nach der Bombe“.

Heute sagten die ersten Geschädigten des Nagelbombenanschlags am 9. Juni 2004 in der Keupstraße in Köln aus – jeweils gefolgt von den Ärzten, die ihre Verletzungen behandelt hatten.
Den Anfang machten zwei junge Männer, die während der Explosion auf dem Gehweg in der Nähe der Bombe vorbeigegangen waren und die sehr gefasst, aber sichtlich mitgenommen berichteten. Beiden wurden mehrere Nägel entfernt, die tief in den Beinen und im Rücken steckten, sie erlitten Brüche, erhebliche Verbrennungen, Trommelfellverletzungen und weitere Verletzungen, an deren Spätfolgen beide noch heute leiden. Von den psychischen Folgen ganz zu schweigen: beide schilderten anschaulich, dass sie lange brauchten, um wieder „ihren Alltag zu finden“, dass sie noch heute in psychotherapeutischer Behandlung sind.

Ihre Aussagen bestätigten den Eindruck, der bereits letzte Woche bei der Vernehmung der Sprengstoffermittler entstanden war: dass keiner der beiden lebensgefährliche Verletzungen erlitt, war pures Glück. Einem von ihnen sagten die behandelnden Ärzte, hätte er etwas weiter weg von der Bombe gestanden, hätten ihn die Nägel wahrscheinlich nicht an den Beinen und Weiterlesen

Vorankündigung 20.-22.01.2015

NSU-Prozess: Die Keupstraße ergreift das Wort

Köln/München, 19.01.2015 – Ab Dienstag sagen Betroffene des neonazistischen Nagelbombenanschlages vom 9. Juni 2004 auf der Kölner Keupstraße als Zeugen im NSU-Prozess aus. Die Initiative „Keupstraße ist überall“ ruft für den ersten Verhandlungstag ab 9 Uhr zu einer Kundgebung vor dem Gerichtsgebäude auf, um ein Zeichen der Solidarität zu setzen und die Betroffenen zu stärken. Unter dem Motto „Für eine Gesellschaft ohne Rassismus – Keupstraße ist überall“ macht sich ab 17.30h ein Demonstrationszug zum Sendlinger Tor auf. Weiterlesen

13.01.2015

Weitere Vernehmung des Ex-V-Mannes Carsten Szczepanski.
Und: Die Front bröckelt – Beweisanträge der Verteidigung Wohlleben

Heute wurde zunächst die Befragung des Bombenermittlers beendet, der die Auswirkungen der Nagelbombe in der Kölner Keupstraße untersucht hatte.
Danach wurde die Vernehmung des ehemaligen V-Mannes Carsten Szczepanski fortgesetzt (zum Beginn seiner Vernehmung vgl. den Bericht vom 03.12.2014).

Die Befragung war wie zu erwarten zäh und schleppend, seine Erinnerung (oder sein Wille zur Erinnerung) an ehemalige Kameraden, Namen und Daten schlecht. Immerhin berichtete er relativ offen zur ideologischen Ausrichtung und Gewaltbereitschaft der Szene. Die Nebenklage fasste die Ergebnisse der Befragung des Zeugen in einer mündlichen Erklärung zusammen, die wir hier sinngemäß zusammenfassen. Deutlich wurde nicht nur die offene Werbung für rassistische Gewalttaten und den bewaffneten Kampf, die die gesamte Naziszene der 90er Jahre maßgeblich bestimmte. Vor allem lässt einen die Tatsache erschrecken, dass der Zeuge während seiner V-Mann-Tätigkeit genau diese politische Tätigkeit fortsetzte, ein extrem Weiterlesen

12.01.2015

12. Januar 2015

Beginn der Beweisaufnahme zum Bombenanschlag in der Keupstraße

Heute wurden die ersten Zeugen zum NSU-Nagelbombenanschlag in der Keupstraße in Köln vernommen. Den Beginn machten zwei Sprengstoffermittler vom LKA Nordrhein-Westfalen, die eindrücklich von der extremen Zerstörungswirkung der Nagelbombe berichteten: Diese enthielt über 5kg Schwarzpulver und über 700 Zimmermannsnägel zur Verstärkung der Verletzungswirkung, durch die Detonation und die umherfliegenden Nägel waren noch in 150 m Entfernung Scheiben geborsten. Die Bombe wurde mit Bauteilen aus dem Flugzeug-Modellbau ferngezündet.

Dass durch die Nagelbombe entgegen der Pläne der NSU-Mörder niemand getötet wurde, erscheint als großes Glück. Die zum Teil lebensgefährlichen Verletzungen zahlreicher Personen in der Keupstraße werden in den nächsten Wochen thematisiert werden – ab dem 20.01.2015 sind die Verletzten als Zeuginnen und Zeugen geladen.

17.12.2014

Zum wohl ersten Bombenanschlag des NSU in Nürnberg – und zu theoretischen Grundlagen für das Vorgehen des NSU.

Heute sagte ein Kriminalbeamter des LKA Bayern zu einem Sprengstoffanschlag in Nürnberg im Juni 1999 aus. Dort hatte der türkeistämmige Betreiber einer Gaststätte beim Saubermachen eine Taschenlampe gefunden, die in seinen Händen explodiert war. In der Lampe befand sich ein mit Schwarzpulver gefülltes Metallrohr, das eingesägt worden war, um bei der Explosion zu zersplittern und so besonders schwere Verletzungen zu verursachen – dass solche schweren Verletzungen nicht eintraten, dürfte nur der Tatsache geschuldet sein, dass bei der Explosion die Verschlussstopfen abgesprengt wurden.

Die Polizei hatte sich auch bei diesem Anschlag von der ersten Meldung an darauf festgelegt, ein politischer Hintergrund sei nicht erkennbar. Der Beamte berichtete heute zwar, der Staatsschutz sei eingeschaltet worden, er konnte aber keinerlei Informationen dazu mitteilen, welche Ermittlungen dieser denn angestellt habe. Zudem wurde die Tat als fahrlässige Körperverletzung eingestuft – wie man fahrlässig eine Bombe in eine Taschenlampenattrappe Weiterlesen

16.12.2014

Lügen und Verharmlosen, Teil XII – weitere Vernehmung von Michael Probst

Heute wurde die Vernehmung von Michael Probst, Ex-Ehemann des ehemaligen „Blood & Honour“-Sachsen-Mitglieds Antje Probst, fortgesetzt. Er hatte bei seiner letzten Vernehmung gesagt, er wolle Fragen zu seiner Ex-Frau nicht beantworten, um sie nicht zu belasten – „könnte ja sein, dass sie damit was zu tun hatte“ (s. den Bericht vom 03.12.2014). Heute erschien er mit einem Zeugenbeistand – und beantwortete Fragen zu seiner Frau, versuchte dabei aber, ihre Rolle kleinzureden. Sie habe eine „weibliche Rolle“ gespielt, sei aus „romantischer Verklärtheit“ bei „B&H“ gewesen und habe da wenig zu sagen gehabt. Dass das in Meldungen des V-Mannes Szczepanski ganz anders klang, dass danach Antje Probst die „B&H“-Szene in Richtung Anschläge pushen wollte, wurde Probst vorgehalten – er blieb bei seinen verharmlosenden Behauptungen. Auf Vorhalt musste er diese Aussage allerdings wieder relativieren, gab an, dass seine Ex mindestens einmal Spendengelder weitergeleitet hatte, dass sie ihm gegenüber bei Interna von „B&H“ sehr verschwiegen gewesen sei, dass sie in der Gruppe konspirativ gehandelt habe. Weiterlesen

11.12.2014

Wie der NSU Anschlagsziele ausspähte

Heute wurden zwei Polizeibeamte vernommen. Der erste hatte eine CD mit Bildern, die im Brandschutt der NSU-Wohnung in der Frühlingstraße in Zwickau gefunden wurde, ausgewertet. Darauf war eine Person (sehr wahrscheinlich Uwe Böhnhardt) zu sehen, der mit Fahrrad vor zwei möglichen Anschlagsobjekten in Stuttgart – einem türkischen Grillimbiss und einem Lebensmittelgeschäft – steht. Für einen Beobachter muss das Ganze so ausgesehen haben, als werden hier Urlaubs-Schnappschüsse gemacht, tatsächlich handelte es sich aber augenscheinlich um den Versuch, diese Objekte samt Anfahrts- und Fluchtwegen festzuhalten. Beide Ziele passen genau in das Muster der NSU-Anschläge – kleine, von türkeistämmigen Menschen betriebene Geschäfte und Imbisse in der Nähe von Bahnhöfen bzw. Ausfallstraßen.

Auf den folgenden Fotos ist das Klingelschild der SPD-Geschäftsstelle in Hof/Bayern zu sehen, gefolgt von einem etwa 2 Stunden später aufgenommenen Bild, das Böhnhardt und Zschäpe in einer Wohnung zeigt. Wie die Nebenklage richtig anmerkte, handelt es sich hierbei jedenfalls um ein gewichtiges Indiz für eine Beteiligung Zschäpes an der Ausspähung von Anschlagszielen. Weiterlesen

10.12.2014

Lügen und Verharmlosen XI, mit tatkräftiger Unterstützung der Verteidigung Zschäpe – Weitere Vernehmung von Antje Probst

Heute wurde die Vernehmung des ehemaligen „Blood & Honour“-Mitglieds Antje Probst fortgesetzt. (Zu ihrer ersten Vernehmung s. den Bericht vom 20.11.2014). Sie setzte ihre unerträgliche Verharmlosungsstrategie fort, wollte von den politischen Aktivitäten von „Blood & Honour“ nichts mitbekommen haben, wollte die Vorzeige-Naziband „Skrewdriver“ nur musikalisch und wegen der schönen Balladen verehrt haben, usw. Dabei blieb sie auch auf diverse Nachfragen und Vorhalte aus Publikationen, Zeugenvernehmungen usw., die anderes aussagten.

Insgesamt hat sich die Zeugin das zu erwartende Strafverfahren wegen Falschaussage redlich verdient. Höhepunkt war, dass sie zu Beginn der Vernehmung selbst noch einmal kurz das Thema André Eminger ansprach (s. den Bericht vom 20.11.2014) – aber auch diese Gelegenheit nicht nutzte, ihre offensichtliche Falschaussage vom letzten Mal inhaltlich zu korrigieren.
Die Verteidigung Zschäpe löste dann eine längere Diskussion aus, indem sie eine Frage von Nebenklägervertreter RA Hoffmann beanstandete: Die Zeugin hatte gesagt, die Band „AEG“, in Weiterlesen