21.01.2014

Beweisaufnahme mit wenigen Höhepunkten

Die Beweisaufnahme am heutigen Tag verlief insgesamt erwartet unergiebig. Susan Eminger, die Ehefrau des Angeklagten Eminger und Freundin der Angeklagten Zschäpe, die selbst im Verdacht steht den NSU mindestens unterstützt zu haben, verweigerte erwartungsgemäß die Aussage.

Ein zum Tatzeitpunkt noch jugendlicher Besucher des Internetcafés von Halit Yozgat in Kassel, der während des Mordes anwesend war, beschrieb das Auffinden des Ermordeten. Er hatte nur wenige konkrete Erinnerungen, beschrieb aber den ebenfalls anwesenden Verfassungsschutzmitarbeiter Temme, und zwar als „weiß, groß, eher fett – einfach wie ein Deutscher“ aussehend. Entgegen Temmes Behauptung habe er nicht gesehen, wie dieser mehrfach zur Türe und aus dem Laden hinausgegangen sei. Temme hatte dargestellt, er habe den toten Halit Yozgat nicht gesehen, habe mehrfach vor der Tür des Ladens und drinnen nach ihm gesehen, was ein auffälliges Verhalten gewesen wäre.

Zum Heilbronner Tatgeschehen gab ein Zeuge an, er habe zwei Fahrradfahrer gesehen, die an einer Stelle in direkter Nähe des Tatortes, von der der gesamte Platz gut zu übersehen war, laut diskutiert hätten. Von dort zu einem Parkplatz, an dem auch ein Wohnmobil unauffällig hätte parken können sei es nur eine kleine Strecke gewesen, ebenso zum Tatort. Ein weiterer Passant gab an, an der Stelle des Mordanschlags hätten oft Polizeifahrzeuge gestanden. Diese beiden Aussagen sprechen also eher dafür, dass die Opfer des Heilbronner Anschlags zufällig ausgesucht wurden, weil sie an einem Ort standen, an dem oft Polizisten parkten und von dem aus es gute Fluchtwege gab.

Dem gegenüber steht die Aussage eines Polizeibeamten über den Vorgesetzten von Kiesewetter und Arnold, der Mitglied in der Nazigruppe KuKluxKlan war. Dieser habe als Vorgesetzter Kiesewetter und Arnold Anweisungen für ihre Einsatzorte und Fahrtstrecken gegeben. Jedenfalls dieser Nazi konnte also nicht nur wissen, dass die beiden Polizisten an dem Tag im Einsatz waren, sondern hätte auch die Möglichkeit gehabt, sie an den Tatort zu beordern.

16.01.2014

Erste Zeugen zum Polizistenmord in Heilbronn

Am heutigen Verhandlungstag begann die Beweisaufnahme zu dem NSU-Anschlag in Heilbronn am 25.04.2007, bei dem die Polizistin Michèle Kiesewetter getötet und ihr Kollege Martin Arnold schwer verletzt wurde.

Diese Tat war der letzte bekannte Mordanschlag des NSU und wirft vor allem deshalb viele Fragen auf. Bis heute ist nicht klar nachvollziehbar, warum die Gruppe von ihrem bisherigen Konzept der Ermordung migrantischer Kleingewerbetreibender abwich. Ebenso unklar ist, ob die Tatopfer gezielt ausgewählt wurden oder ob es zufällig genau diese beiden Polizeibeamten traf. Die ermordete Michèle Kiesewetter stammte immerhin aus der Region, aus der auch die jetzt bekannten Mitglieder des NSU kamen, und dürfte diese jedenfalls entfernt gekannt haben. Andererseits erfolgte der Anschlag an einem Ort, an dem die beiden zufällig und relativ unvorhersehbar eine Pause machten. Die Anklage geht daher von einer zufälligen Auswahl aus.

Die bisherige Ladungsliste des Gerichts lässt vermuten, dass nur eine wenig aufwändige Beweisaufnahme zu diesem Fall geplant ist. Für eine Verurteilung nach Anklage ist nämlich – so wohl auch das Kalkül der Anklage – keine Aufklärung der oben genannten Fragen notwendig: der Fund der den beiden Polizeibeamten abgenommenen Pistolen sowie der Handschellen bei den NSU-Mitgliedern, eine Jogginghose von Böhnhardt mit Blutspritzern der Tatopfer, die Anmietung eines Wohnmobiles, das in der Region festgestellt wurde, sowie die Bekennung im NSU-Video – für eine bloße Verurteilung bietet dieser Fall die beste Beweislage. Erneut muss das Gericht zeigen, ob es neben einer Verurteilung auch eine tatsächliche Aufklärung im Auge hat.

Heute ging es im Wesentlichen um den Tatort und die Auffindesituation der beiden Tatopfer. Der damals schwerst verletzte Martin Arnold schilderte die Folgen der Kopfverletzung und den Ablauf des Tages bis kurz vor dem Anschlag. An die Tatsituation habe er keinerlei Erinnerung, eine unter Hypnose durchgeführte Vernehmung habe ihm keine Erinnerung gebracht.

Am Ende der Verhandlung schloss sich noch die Verteidigung des Angeklagten Schulze dem Beweisantrag des Nebenklägeranwalts Hoffmann an, der in dieser Woche zu Auseinandersetzungen mit der Generalbundesanwaltschaft gesorgt hatte. Das Interesse an dem Handel Wohllebens mit Waffen und Zubehör zum Autodiebstahl hat sich damit verstärkt.

15.01.2014

Abschließend zum Brand in der Frühlingsstraße 26

Heute wurde das abschließende Gutachten zum Brand in der Frühlingsstraße 26 gehört. Beide Sachverständige waren sich in Ihrer Einschätzung einig und bestätigten, was auch schon frühere Beweise gezeigt hatten: Explosion und Brand entstanden durch Ausschütten und Anzünden größerer Mengen Benzin, es bestand eine ganz erhebliche Gefahr für Personen im Haus Frühlingsstraße 26/26a und um das Haus herum.

Damit ist die Beweisaufnahme zum Brand in der Frühlingsstraße weitgehend beendet. Nebenklägervertreter Rechtsanwalt Reinicke fasste in einer Erklärung die Beweisergebnisse zusammen und kam zu dem Schluss, dass der Anklagevorwurf gegen Beate Zschäpe – dreifacher versuchter Mord – insoweit bestätigt worden ist.

Rechtsanwalt Hoffmann erwiderte kurz auf die Stellungnahme der Generalbundesanwaltschaft zum Beweisantrag aus der letzten Woche (inhaltlich vgl. den Bericht vom 14.01.2014). Er wies nochmals darauf hin, dass der Beweisantrag eine Unterstützungshandlung des Angeklagten Wohlleben im Sinne des § 129a StGB und eine zumindest versuchte Beihilfe zu den nach dem Februar 2004 erfolgten Straftaten des NSU belegen könnte und die Beweisaufnahme daher notwendig ist.

14.01.2014

Generalbundesanwaltschaft sperrt sich gegen weitere Aufklärung

Der heutige Verhandlungstag war geprägt von Auseinandersetzungen der Bundesanwaltschaft sowie der Verteidigung Zschäpe mit der Nebenklage. Ansonsten brachten die Zeugenbefragungen keine neuen Erkenntnisse.

Anlass für die erste Auseinandersetzung war der Beweisantrag der Nebenklage vom 08.01.2014. Es geht um einen in Polen inhaftierten Zeugen, der angibt, er habe im Jahr 2004 dem Angeklagten Ralf Wohlleben ein Werkzeug zur Überwindung von Wegfahrsperren von VW-Bussen gegeben im Tausch gegen eine Pistole. Dies könnte ein neues Bild der Rolle Wohllebens zeichnen, dem bislang nur die Beschaffung der Ceska-Pistole 1999/2000 vorgeworfen wird.

Der Generalbundesanwalt beantragte, den Antrag als formal unzulässig und inhaltlich bedeutungslos zurückzuweisen. Damit wird offensichtlich versucht, das Bild der nur aus drei Personen bestehenden Vereinigung NSU um jeden Preis gegen alle neuen Erkenntnisse zu verteidigen. Dass der Angeklagte Wohlleben 2004 versuchte, Werkzeug zum Diebstahl von Fahrzeugen des Typs zu erlangen, der vom NSU regelmäßig für seine Anschläge verwendet wurde, lässt nur den Schluss zu, dass er weit tiefer in die Gruppe eingebunden war, als die Anklage annimmt. Die Bundesanwaltschaft versucht aber seit Übernahme der Ermittlungen um jeden Preis, die Anzahl der Mitglieder des NSU so gering wie möglich zu halten. Sie hält an ihrer Einzeltäterthese so weit wie irgend möglich fest. Die Entscheidung über den Beweisantrag ist eine politische, bei der der Senat unter dem Vorsitzenden Götzl sich entscheiden muss, ob er an einer echten Aufklärung der Taten interessiert ist oder nur die Anklage abarbeiten will.

Die zweite Auseinandersetzung erfolgte anlässlich der Erklärung mehrerer NebenklägervertreterInnen zur Vernehmung des Zeugen Alexander Scheidemantel – dieser hatte am 08.01.2014 zur Übergabe der Krankenkassenkarte seiner Frau an den Angeklagten Gerlach ausgesagt. In der Erklärung wurde ausführlich dargestellt, dass sowohl die Eheleute Scheidemantel als auch der Angeklagte Gerlach einen Grund hatten, hierzu zu lügen – Scheidemantel deswegen, weil er und vielleicht auch seine Frau wussten, für wen die Karte bestimmt war. Soweit Gerlach hier lügt, dann deswegen, um seine Freunde zu schützen – was bedeutet, dass aus dieser Lüge nicht zu folgern ist, dass auch seine sonstigen Angaben falsch sind.

Diese Ausführungen wurden von der Verteidigung Zschäpe mit der Beanstandung unterbrochen, sie seien für eine Erklärung zu einer Zeugenvernehmung zu weitgehend. Die Verteidigung Zschäpe hatte letzte Woche noch erklärt, die gesamte Einlassung Gerlachs – die bekanntlich Zschäpe belastet – sei nicht glaubhaft, weil er zur Übergabe der Krankenkassenkarte nicht die Wahrheit gesagt habe. Nun platzte ihre Argumentation. Nachdem das Gericht entschieden hatte, dass die Erklärung der Nebenklage zulässig war, konnte sie ungestört zu Ende geführt werden.

08.01.2014

Ehepaar Scheidemantel – Lügen und Vergessen

Nachdem der Hauptverhandlungstag am 9.1. wegen der Krankmeldung eines Zeugen ausfiel, beschränkte sich der Prozess diese Woche auf den 8.1. An diesem Tag ging es erneut um die Krankenkassenkarte der Silvia Scheidemantel, die der Angeklagte Gerlach für 300 Euro von dem mit ihm befreundeten Ehepaar erhalten hatte, um Beate Zschäpe eine oder mehrere Arztbehandlungen zu ermöglichen. Die Ehefrau war hierzu bereits am 12. November vernommen worden. Nun sollte zuerst ihr Mann befragt und ihr im Anschluss weitere Fragen gestellt werden.

Alexander Scheidemantel ist ein langjähriger Freund und Kamerad des Angeklagten Holger Gerlach. Er war viele Jahre gemeinsam mit Gerlach in der Hannoveraner Naziszene aktiv und ist bis heute mit ihm befreundet. Scheidemantel bestätigte auf Nachfragen, dass er bis mindestens Ende 2004 aktiv war. Er sei damals Nationalsozialist gewesen, habe den Holocaust geleugnet, Juden abgelehnt und sei Ausländerfeind gewesen. So habe er auch Gerlach kennengelernt.

Eher aus Versehen offenbarte der Zeuge einiges zur Haltung der Neonazis zum deutschen Staat – und damit mittelbar zur Haltung des deutschen Staates zu den Neonazis –, als er bezogen auf sich und den Angeklagten Gerlach angab, sie haben (damals) die Gesellschaft so ändern wollen, dass sie eine nationalsozialistische wird, er habe sich aber nie angemaßt, den Staat ändern zu wollen. Auch wenn die letzte Äußerung sicher nur die eigene Tätigkeit verharmlosen sollte, wird dennoch deutlich, dass es der Naziszene in erster Linie darum geht, gesellschaftliche Stimmung in ihrem Sinne zu erzeugen, also beispielsweise die Ausgrenzung von Migranten voranzutreiben, und weniger darum, staatliche Institutionen, Macht gewaltsam zu übernehmen. Diese Grundhaltung führt dann auch dazu, dass militante Nazis von deutschen Sicherheitsbehörden systematisch in ihrer Gefährlichkeit unterschätzt werden, da sie gerade diese Institutionen nicht in Frage stellen.

Zur Frage der Übergabe der AOK-Karte war der Zeuge allerdings weniger gesprächig, sondern stellte sich – letztlich erfolgreich – dumm. Er habe keine Erinnerung, er habe kein Gespräch über die Verwendung der Karte gegeben, er habe sich keine Gedanken gemacht. Auf die Nachfrage des Nebenklägervertreters Rechtsanwalt Hoffmann rutsche ihm allerdings doch raus, Gerlach habe ihm nach seiner Entlassung aus der Untersuchungshaft mitgeteilt, die Karte sei für einen Arztbesuch von Beate Zschäpe gewesen. Diese Aussage versuchte er allerdings umgehend wieder zurückzunehmen, er habe sich das doch nur zusammengereimt.

Letztlich steht diese Aussage allerdings im Widerspruch zu der Tatsache, dass in der Wohnung des Trios ein Brillenpass, ein Bibliotheksausweis und weitere Unterlagen auf den Geburtsnamen der Silvia Scheidemantel – Roßberg – gefunden wurden, in denen private Daten eingetragen waren, die nur von ihr oder ihrem Ehemann stammen konnten. Es muss also ein intensiveres Gespräch gegeben haben. Der Vorsitzende Götzl nahm diese Widersprüche und das offensichtliche Vortäuschen von Erinnerungslücken allerdings hin, ohne den Druck auf den Zeugen zu erhöhen. Für Götzl scheint es ausreichend, dass nunmehr die Übergabe der Krankenkassenkarte feststeht. Die Bundesanwaltschaft drohte dem Zeugen immerhin die Einleitung eines Strafverfahrens wegen Falschaussage an.

Die weitere Vernehmung der Ehefrau verlief kurz und ebenfalls ergebnislos. Wie stark die Eheleute in die Betreuung der untergetauchten NSU-Mitglieder verstrickt waren, bleibt unklar.

Nach Abschluss der Zeugenvernehmung stellte Nebenklägervertreter Rechtsanwalt Hoffmann den Antrag, einen Zeugen zu vernehmen. Dieser gibt an, er habe im Jahr 2004 an den Angeklagten Ralf Wohlleben ein Werkzeug zur Überwindung von Wegfahrsperren von VW-Bussen beschafft und im Gegenzug eine Pistole erhalten. Die Mitglieder des NSU benutzten für ihre Straftaten u.a. VW-Busse, und bis heute sind nicht alle vom NSU genutzten Fahrzeuge ermittelt. Bisher wirft die Anklage Wohlleben nur die Beschaffung der Mordwaffe Ceska vor – das könnte sich nach der Zeugenaussage ändern. Das Gericht wird sich dabei nicht nur auf die Aussage des Zeugen verlassen müssen, denn nach seinen Angaben befindet sich die Waffe noch immer in einem Versteck, das er zeigen könnte.

20.12.2013

Der heutige Verhandlungstag war sehr kurz. Die per Videoverbindung zugeschaltete Zeugin war alters- und krankheitsbedingt nicht in der Lage auszusagen. Voraussichtlich wird sie auch weiterhin nicht zu befragen sein. Es wird dann ihre polizeiliche Vernehmung durch Verlesung des Protokolls und Vernehmung der Polizeibeamten eingeführt werden.

Die Verhandlung wird am 8. Januar 2014 fortgesetzt.

19.12.2013

Heute wurde die Vernehmung des Vaters von Uwe Mundlos fortgesetzt. Am Ende der Vernehmung gab Rechtsanwalt Hoffmann, auch im Namen der Rechtsanwälte Clemm, Dr. Elberling, Fresenius, Ilius, Kuhn, Lex, Lunnebach, Scharmer, Stolle, von der Behrens eine Erklärung dazu ab, die wir im Folgenden dokumentieren:

Die Vernehmung des Zeugen Dr. Mundlos war geprägt durch dessen Bemühen, jede Verantwortung für die Straftaten des NSU von seinem Sohn abzuwehren. Dr. Mundlos hat sich offensichtlich über die letzten Jahre in ein geschlossenes Vorstellungsbild des Geschehens hineingearbeitet, in dem sein Sohn als unschuldiges Opfer fehlgeleiteter Polizeiarbeit, verleitet von V-Leuten des Verfassungsschutz, der eigentlich nur aus Freundschaft Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe in den Untergrund begleitete, dargestellt wird.

Sein eigenes Versagen bei der Erziehung seines Sohnes, seine Unfähigkeit dessen Naziideologie adäquat zu entgegnen, seine innere Weigerung zu erkennen, dass er das Ausmaß der Gefährlichkeit seines Sohnes und dessen Ideologie unterschätzt hat, kann der Zeuge Dr. Mundlos nicht reflektieren. Wenn er von insgesamt 12 Opfern des NSU spricht, und damit offensichtlich seinen Sohn und Uwe Böhnhardt miteinbezieht, wird deutlich, dass er jeden Bezug zur Realität verloren hat und sich weigert Fakten aufzunehmen. Dies mag einem verzweifelten Vater, der seinen Sohn im doppelten Sinne verloren hat zuzugestehen sein, es muss sich allerdings unmittelbar auf die Bewertung der Zeugenaussage auswirken.

Gleichwohl darf diese Bewertung nicht dazu führen, die Aussage des Zeugen Mundlos insgesamt als nicht relevant abzuhaken. Die von dem Zeugen geschilderten Beobachtungen der Tätigkeit der Verfassungsschutzämter bzw. deren Mitarbeiter sind für dieses Strafverfahren relevant. Die geschilderte Einflussnahme von bezahlten V-Leuten, die Gründung des Thüringer Heimatschutzes durch den V-Mann Brandt, die Lieferung von Sprengstoff durch den V-Mann Starke, die Tatsache, dass selbst nach dem Abtauchen von Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt mehrere V-Leute von Verfassungsschutzbehörden im direkten Umfeld der Unterstützer aktiv waren, sind Tatsachen, die zur Beurteilung der Schuld der Angeklagten zu berücksichtigen sind.

18.12.2013

Vater Mundlos – verzweifeltes Leugnen

Die Beweisaufnahme diese Woche konzentriert sich auf den Vater von Uwe Mundlos. Darüber hinaus soll am Freitag eine Videovernehmung mit einer alten Dame stattfinden, die sich im Haus in der Frühlingsstraße befand, als Zschäpe dieses anzündete. Ursprünglich sollte am Freitag die am 22.11.2013 begonnene Vernehmung des THS-Aktivisten André Kapke fortgesetzt werden, eines der engsten Vertrauten von Zschäpe, Mundlos, Böhnhardt, Gerlach und Wohlleben. Diese Zeugenvernehmung wurde nun in das kommende Jahr verschoben

Die Vernehmung des Dr. Mundlos, der zuletzt im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss in Thüringen ausgesagt hatte, gestaltet sich äußerst schwierig. Schon früh gerät er hart mit dem Vorsitzenden Richter Götzl aneinander, weil der nur seine Fragen beantwortet haben will und versucht, vortragsähnliche Ausführungen des Zeugen abzuwürgen. Die Szene gipfelt in dem Ausruf von Vater Mundlos „Sie sind ein Klugsch…“.

Vater Mundlos bemüht sich verzweifelt, jede Schuld und Verantwortung von seinem Sohn und seiner Familie abzuwehren. Sein Sohn sei nur durch den Kontakt zu V-Leuten des Verfassungsschutzes und zu Uwe Böhnhardt nach rechts geraten. Er selbst habe alles ihm Mögliche getan, seinen Sohn von dessen Weg wegzuholen. Die Staatsanwaltschaft habe „die Drei“ zu Unrecht verfolgt, daher seien diese in den Untergrund gegangen. Auch die Verantwortung für das weitere Geschehen verortet er bei staatlichen Stellen und fordert mehrfach die Bundesanwaltschaft auf, das staatliche Handeln in die Beweisaufnahme einzubeziehen.

Nachdem Vater Mundlos gegenüber den Opfern des NSU betont, er sei ebenfalls an einer vollständigen Aufklärung „des Ganzen“ interessiert und „das deutsche Volk“ habe einen Anspruch auf vollständige Aufklärung, beendet der Vorsitzende entnervt die Befragung für den heutigen Tag.

Die Befragung wird morgen fortgesetzt.

9.-11.12.2013

Die Verhandlungswoche hat praktisch keine für das Verfahren erheblichen Ergebnisse erbracht.

Eine Polizeibeamtin berichtete über ihre Ermittlungen zu Zschäpes Aufenthalt zwischen dem Verlassen des brennenden Hauses in der Frühlingsstraße und ihrer Selbststellung bei der Polizei. Die Details dieser Tour werden noch detailliert über direkte Zeugen eingeführt werden.

Beachtenswert war allenfalls die Vernehmung einer Nachbarin aus der Zwickauer Polenzstraße und ihres Sohnes. Die Zeugin hatte in Zschäpe offensichtlich eine Freundin gefunden, die bereit war, sich ihre Sorgen anzuhören, und die auch nach dem Auszug aus der Polenzstraße regelmäßig zu Besuch kam. Zschäpe hatte diese Zeugin nicht nur als verständige Zuhörerin, sondern auch finanziell unterstützt und z.B. für sie eingekauft. Die Zeugin hatte noch bei der Polizei ihr Entsetzen darüber ausgedrückt, dass an diesem Geld ja „Blut dranhing“. In der Hauptverhandlung war hiervon nicht mehr die Rede. Vielmehr entstand eine Stimmung, in der beinahe schon eine Solidarisierung der Zeugin mit ihrer ehemaligen Freundin spürbar war.

Der Sohn der Zeugin konnte weniger über das tägliche Zusammenleben mit Zschäpe berichten, behauptete aber, wie auch seine Mutter, Zschäpe habe ihn einmal davor gewarnt, in die rechte Szene abzudriften. Allerdings wichen seine Darstellungen dieser Szene und die seine Mutter in zentralen Punkten so eindeutig voneinander ab, dass sich die Vermutung aufdrängt, dass hier Mutter und Sohn ihre gemeinsame Bekannte und Freundin Zschäpe in ein positives Licht rücken wollten.

Dies gilt umso mehr, als sich schnell herausstellte, dass der Sohn trotz seiner Beteuerung, er habe mit „rechter Politik“ nichts zu tun, ideologisch eng in neonazistischen Vorstellungen verwurzelt ist und insoweit ein Motiv hätte, Zschäpe zu helfen. Nachdem ihm ein Interview, das er anonym gegeben hatte, vorgehalten wurde, gab er an: Asylbewerber, die „nicht arbeiten“ „hasse ich ganz ehrlich“. Die Forderung nach Entschädigung von Opfern des NSU „finde ich absolut asozial. Es gibt andere Menschen, die Schlimmeres erlebet haben. … Die kriegen auch keine Entschädigung.“ Auf Vorhalt der Nebenklage gab er auch zu, bei Facebook die Kampagne gegen eine Asylbewerberunterkunft in Schneeberg und die Rechtsrock-Band Endstufe zu bewerben. Gefragt, was ihn von einem „Rechten“ unterscheide, meinte er, ein „Rechter“ trage seine Meinung äußerlich frei zur Schau, er selbst halte damit hinterm Berg. Nach dieser Definition dürften viele der rechten Zeugen aus diesem Verfahren, zumindest bei ihrer Aussage vor Gericht, als „unpolitisch“ einzustufen sein.

Die Befragung von weiteren Urlaubsbekanntschaften des „Trios“ bestätigte das bekannte Bild: im relativ kostspieligen Urlaub unter Deutschen waren die drei kinderliebe, fürsorgliche Wohnwagennachbarn, mit denen man eine schöne Zeit verbringen konnte. Beate Zschäpe war die Mütterliche, die „ihre Männer“ umsorgte und die gemeinsame Kasse verwaltete.

05.12.2013

Mehr zum hessischen Verfassungsschutz – und ein sinnloses Befangenheitsgesuch

Der Verhandlungstag begann mit einem Antrag von NebenklägervertreterInnen, den Zeugenbeistand des ehemaligen V-Mannes von Verfassungsschutz-Mitarbeiter Temme auszuschließen. Dieser Rechtsanwalt war vor der ersten Vernehmung des Zeugen beim BKA vom Verfassungsschutz beauftragt worden, als Zeugenbeistand aufzutreten. Auch in der heutigen Sitzung schien er mehr die Interessen des hessischen Verfassungsschutzes als die des Zeugen zu vertreten: Er beanstandete Fragen, die in Richtung einer Einflussnahme des Verfassungsschutzes auf die Zeugenaussage durch den Verfassungsschutz gingen, und begründete dies damit, Antworten darauf seien nicht von der Aussagegenehmigung des Zeugen gedeckt. Vorher hatte er aber eine ganze Reihe von Fragen „durchgehen“ lassen, zu denen der Zeuge nach diesem Verständnis der Aussagegenehmigung auch nichts hätte sagen dürfen – demnach hätte er sehenden Auges einen Geheimnisverrat, also eine Straftat des Zeugen zugelassen. Dies zeigt, dass der Beistand nicht die Interessen des Zeugen, sondern – jedenfalls auch –die des hessischen Verfassungsschutzes vertritt. Das sah das Gericht anders und lehnte den Antrag ab.

Die weitere Befragung des Zeugen war wieder sehr zäh – er schien viele Fragen nicht zu verstehen, ansonsten konnte oder wollte er sich nicht erinnern. Interessant war nur, dass er angab, er habe vor dem Landesamt für Verfassungsschutz auch für den Militärischen Abschirmdienst gearbeitet.

Welche Probleme dadurch entstehen, dass die Temme-Akten vom Gericht nicht beigezogen wurden, zeigte noch einmal die Befragung durch Nebenklägervertreterin Rechtsanwältin von der Behrens: sie hatte diese Akten bei der Generalbundesanwaltschaft eingesehen und machte dem Zeugen nun Vorhalte aus ihren Mitschriften. Die Verteidigung Wohlleben meinte, dies sei unzulässig. Das Gericht jedoch ließ den Vorhalt aus den Mitschriften zu.

Ausgerechnet auf diese Entscheidung stützte dann die Verteidigung Wohlleben einen Befangenheitsantrag gegen den Vorsitzenden mit der Begründung, bisher haben doch alle Befragenden bei Vorhalten das entsprechende Dokument vorlegen müssen. Aus Sicht der Nebenklage ist diese Begründung mehr als albern – ein solcher Vorhalt ist natürlich zulässig, und dass man ein Dokument nicht vorlegen kann, das man einfach nicht hat, dürfte sich auch von selbst verstehen.

Das Gericht stellte die Entscheidung zurück, so dass die Vernehmung des Zeugen zunächst zu Ende geführt werden konnte. Aufgrund eines angekündigten Antrages wurde er allerdings nicht entlassen, sondern muss wohl nochmals anreisen.