09.07.2014

Mühsame Befragung zu Böhnhardt

Zunächst sollte heute Morgen Matthias Dienelt befragt werden, der über insgesamt 7 Jahre Wohnungen für den NSU angemietet hatte, zunächst in der Polenzstraße, später in der Frühlingsstraße. Gegen Dienelt läuft immer noch ein Strafverfahren wegen Unterstützung des NSU, insofern verweigerte er erwartungsgemäß die Aussage.

Daher wurde in direktem Anschluss ein Polizeibeamter aus Chemnitz befragt, der Dienelt kurz nach dem Brand in der Frühlingsstraße vernommen hatte. Dieser hatte damals angegeben, über seinen Freund André Eminger einen Max Florian B. kennengelernt zu haben und für diesen nacheinander die beiden Wohnungen angemietet zu haben. B. habe ihm gesagt, er könne wegen Schulden keinen Mietvertrag unterschreiben. In beiden Wohnungen habe er ein Zimmer gehabt, aber nur selten dort geschlafen. Zuletzt habe er etliche Monate nicht mehr in der Frühlingsstraße geschlafen.

Zutreffend hatte Dienelt Mundlos, Zschäpe und Böhnhardt als Lise, Mac und Gerry beschrieben. Seine sonstige Geschichte ist wenig glaubhaft, so dass seine Aussageverweigerung konsequent ist. Es spricht vielmehr alles dafür, dass Dienelt sehr genau wusste, für wen und warum er die Wohnung anmietete. Dienelt war zusammen mit André Eminger in ihrer Heimatstadt Johanngeorgenstadt auch politisch in der Naziszene aktiv.

Danach wurde der Bruder von Uwe Böhnhardt vernommen. Dieser beschrieb sein nicht besonders enges Verhältnis zu seinem Bruder, dessen Identifikation mit der Naziszene und schließlich sein Abtauchen. En wirklich enges Verhältnis hatte offensichtlich nur während der Kindheit bestanden, später nahm er den Nazi-Bruder in SA-Uniform eher als Belastung für das eigene Leben wahr.

Die Nebenklage stellte anschließend einen umfangreichen Beweisantrag zur Verbindung von André Eminger zu den sogenannten Hammerskins, einer Organisation, die wie „Blood and Honour“ mittels Musik und Konzerten Naziideologie und Terrorkonzepte propagiert. Eminger hatte gemeinsam mit seinem Bruder Maik eine Gruppe „Weisse Bruderschaft Erzgebirge“ aufgebaut, die ideologisch und personell eng mit den Hammerskins verbunden war und die die von amerikanischen Naziterroristen in ihren „14 Words“ aufgestellte Forderung „We must secure the existence of our people and a future for White children.“(Wir müssen die Existenz unseres Volkes und die Zukunft für die weißen Kinder sichern.) als quasi-religiöse Losung verbreitet.

08.07.2014

Rechts-Anwalt Jauch: Mandatsverhältnisse zu allen Beteiligten?

Im ersten Teil des Verhandlungstages berichteten drei Zeugen, die das Wohnmobil, die der NSU für den Mordanschlag auf die beiden Polizisten in Heilbronn benutzt hatten, nach diesen gemietet hatten. Die Zeugen erhielten das Fahrzeug am Tag nach der Tat verspätet, weil es am Abend des Tattages erst gegen 22 Uhr zurückgegeben worden war und sich deswegen die Grundreinigung und Herausgabe verzögerte.

Eine weitere Zeugin berichtete, dass sie am Samstag oder Sonntag nach dem Überfall auf die Bank in Eisenach und dem Tod von Mundlos und Böhnhardt Beate Zschäpe in Eisenach gesehen habe. Diese sei ihr aufgefallen, weil sie „wie unter Schock“ durch die Stadt gelaufen sei.
Ansonsten setzte die Bundesanwaltschaft ihre Bestrebungen fort, alle Beweisanträge zu torpedieren, die zu weiterer Aufklärung beitragen könnten. Diesmal ging es um Beweisanträge der Nebenklagevertretung der Opfer des Bombenanschlages in der Kölner Probsteigasse, die einen Kölner Neonazi betreffen, der sehr große Ähnlichkeit mit dem Phantombild aufweist, das nach den Angaben des Ladenbesitzers gefertigt wurde. Wie so oft zuvor beantragte die GBA auch hier, den Antrag abzuweisen.

Der Antrag der Nebenklage, auf eine Herabstufung von Geheimakten des Thüringer Parlamentarischen Untersuchungsausschusses hinzuwirken mit dem Ziel, dass diese in öffentlicher Hautverhandlung vorgehalten werden können, widersprach die Generalbundesanwaltschaft ebenfalls. Die andauernden Versuche, selbst Aktenmaterial, das bereits vorliegt, aus der Hauptverhandlung herauszuhalten, belegen eine starke Verunsicherung der Bundesanwaltschaft. Dies wird auch dadurch deutlich, dass sie sich weigert, ihre schriftlich vorliegenden Stellungnahmen herauszugeben, so dass bei Entgegnungen immer nur die Mitschriften der Verfahrensbeteiligten benutzt werden können – damit wird eine Auseinandersetzung mit den Argumenten des GBA erschwert. Offensichtlich will man sich nicht an den eigenen Argumenten festhalten lassen.

Den gesamten Nachmittag über wurde der Thüringer Nazianwalt Thomas Jauch vernommen. Dieser gab an, in der Vergangenheit bereits alle Angeklagten vertreten zu haben, wobei er sich auf seins Verschwiegenheitsverpflichtung gegenüber seinen früheren Mandanten berief. Als die Angeklagten Gerlach und Schultze ihn daraufhin von dieser Verschwiegenheitsverpflichtung ihnen gegenüber befreiten, konnte er sich – natürlich – an nichts mehr erinnern. Erinnerungslücken wies er auch auf bezüglich des Mieters seines Grundstückes, auf dem in den Jahren 1998 bis 2002 Nazikonzerte durchgeführt wurden, angeblich auch um Spenden für die Untergetauchten zu sammeln.

Auf Fragen zu einem Interview mit dem Focus, in dem er angegeben haben soll, Zschäpe habe ihn beauftragt und einen Vorschuss bezahlt, verweigerte Jauch die Antwort. Zumindest an einer Stelle gab er offensichtlich wahrheitswidrig an, den Begriff Thüringer Heimatschutz erst im Jahr 2006 oder 2007 zum ersten Mal gehört zu haben. Nach Mitteilung des Thüringer Verfassungsschutzes hatten ihn die THS-Funktionäre Kapke und Brehme bereits 2000 wegen eines möglichen THS-Verbotes aufgesucht.

03.07.2014

Keine Zweifel an Schuld des Ralf Wohlleben erkennbar

Der Befangenheitsantrag der Verteidigung Wohlleben wurde mit einem Beschluss abgelehnt, der die Klarheit des Haftfortdauerbeschlusses des Senats um den Vorsitzenden Götzl noch unterstreicht: Drei weitere Richter des OLG München stellten fest, es könne keine Befangenheit darstellen, wenn der Senat nach vorläufiger Prüfung des Ermittlungsergebnisses keine Zweifel an der Schuld des Angeklagten habe und dies in einem Haftfortdauerbeschluss auch so darstelle. Und der Senat hatte eben keine Zweifel daran, dass Ralf Wohlleben bei seinen Bemühungen um die Lieferung der Ceska in dem Bewusstsein handelte, dass mit dieser Waffe Morde begangen werden sollten. Und wenn dies für Wohlleben galt, dann kann auch am Mordvorsatz von Beate Zschäpe kein Zweifel bestehen.

Als Zeugin war dann zunächst die Ehefrau des Angeklagten Wohlleben geladen. Sie verweigerte die Aussage.

Danach wurde ein weiterer Vernehmungsbeamter des Chemnitzer Blood and Honour-Aktivisten und V-Mannes Starke befragt. Eine zusammenfassende Bewertung dieser Aussage wird nach der Vernehmung des letzten Vernehmungsbeamten am 30. Juli erfolgen.

Zum Abschluss wurde ein Dortmunder Beamter des polizeilichen Staatsschutzes vernommen, der eine Tatzeugin befragt hatte. Diese hatte in ihren insgesamt etwas widersprüchlichen Angaben auch eindeutig auf „Rechtsradikale“ als mögliche Täter hingewiesen. Weil die Zeugin allerdings die Tatverdächtigen als „Nazis“ oder „Junkies“ beschrieben hatte, und auch der jetzt vernommene Polizeibeamte diese Aussage nicht hinterfragte, blieb der Hinweis unbeachtet. Der Polizeibeamte, dessen Einsatzgebiet ansonsten der „Bereich Türken/Kurden“ ist, konnte auch heute keinen beitrag zur Aufklärung leisten.

02.07.2014

„Kann ich mich nicht dran erinnern …“ – zweite Vernehmung von Enrico Theile

Fortgesetzt wurde heute die Vernehmung von Polizeibeamten, die den nunmehr die Aussage verweigernden Chemnitzer Blood and Honour-Aktivisten und V-Mann Thomas Starke befragt hatten. Der heute anwesende BKA Beamte schilderte vollständig die Befragung vom 11.4.2011. Erneut wurde deutlich, dass das Trio in erheblichem Umfang Unterstützung durch das „Blood and Honour“-Netzwerk erhielt und in der gesamten Zeit des Kontaktes zu Starke geschlossen auftrat.

Danach wurde die Vernehmung des Zeugen Enrico Theile fortgesetzt, der in den Verkauf der Ceska aus der Schweiz nach Thüringen eingebunden gewesen sein soll. Theile war und ist ein enger Freund des Schweizers Hans Peter Müller, der in der vergangenen Woche in der Schweiz vernommen wurde. Theile, der offensichtlich dem schwerkriminellen Milieu Thüringens entstammt und unter anderem zweimal wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz verurteilt wurde, war bereits durch den Vorsitzenden befragt worden. Dieser hatte heute, genau wie die Bundesanwaltschaft, zunächst kaum Interesse an der Befragung. Theile beantwortete fast alle Fragen der Nebenklage mit den Worten „Kann mich nicht daran erinnern“, wollte ganz offensichtlich die Fragen einfach nicht beantworten. Der Vorsitzende Richter und die Bundesanwaltschaft tolerierten diese Form der Aussageverweigerung, bis die Befragung durch die Nebenklage beendet war.

Danach nutzten sie allerdings ihre Chance, dafür zu sorgen, dass gegen Theile ein Strafverfahren wegen Falschaussage eingeleitet wird. Mit einem Protokollantrag der Generalbundesanwaltschaft wurden die unglaubwürdigsten Antworten Theiles festgehalten. Aus Sicht der Nebenklage ist sehr wahrscheinlich, dass er hierfür verurteilt werden wird. Alles andere als eine Haftstrafe würde bei seinen Vorbelastungen überraschen.

01.07.2014

OLG München: Beweisaufnahme hat die Vorwürfe gegen Ralf Wohlleben bestätigt

Die Hauptverhandlung begann heute erneut mit langwierigen Unterbrechungen und einem Befangenheitsantrag der Verteidigung Wohlleben gegen den gesamten Senat. Der Antrag war eine eher verzweifelte Reaktion auf einen Haftfortdauerbeschluss des Senats vom 25. Juni, der der Verteidigung am vergangenen Freitag zugestellt wurde. Die Verteidigung hatte die Aufhebung bzw. Aussetzung des Haftbefehls gegen Wohlleben beantragt. In seinem Beschluss stellt das Gericht nun ziemlich klar dar, dass sich nach vorläufiger Bewertung der bislang erfolgten Beweisaufnahme der Anklagevorwurf gegen Wohlleben – Beihilfe zu neun Fällen des Mordes – in vollem Umfang bestätigt hat. Ein Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot oder andere Umstände, die zur Aufhebung oder Aussetzung des Haftbefehls führen müssten, seien ebenfalls nicht ersichtlich.

Das Gericht entschied auch, weiter zu verhandeln und nicht zu unterbrechen, bis über den Befangenheitsantrag entschieden ist. An der Entscheidung über den Befangenheitsantrag dürfen die abgelehnten Richter nicht beteiligt sein. Insoweit könnte sich der Antrag der Verteidigung Wohlleben in einen Bumerang verwandeln: Denn es steht zu erwarten, dass das Ergebnis eine weitere Entscheidung durch weitere Richter des Oberlandesgerichts sein wird, die den Beschluss des Senats jedenfalls moralisch stärkt. Ob Wohlleben auch das ihm mögliche Rechtsmittel einer Beschwerde zum Bundesgerichtshof einlegen wird, ist bislang unklar. Immerhin birgt ein solcher Schritt die Gefahr, dass ein Senat des höchsten Strafgerichts die Bewertung des OLG bestätigt und damit endgültig festschreibt.

Der Beschluss zeigt nicht nur Wohlleben, dass die Aktivitäten seiner Verteidiger bislang keinerlei Wirkung beim Senat bewirkt haben, er macht auch deutlich, dass auch die immer wieder geäußerten Zweifel der Verteidigung Zschäpe an den gegen ihre Mandantin vorgebrachten Beweisen letztlich Schall und Rauch bleiben dürften. Der Senat geht mit leichter Hand über die von der Verteidigung Wohlleben vorgebrachten Zweifel hinweg, so dass leicht vorstellbar wird, dass auch die von ihrer Verteidigung vorgebrachten Zweifel an einer (Mit-)Täterschaft von Beate Zschäpe als wenig überzeugend verworfen werden.

Nach der Mittagspause wurde der eigentlich für den gesamten Tag eingeplante Zeuge Thomas Gerlach vernommen, eine der zentralen Figuren der Thüringer Naziszene und auch bundesweit und international bedeutsam, insbesondere wegen seiner Bedeutung im Netzwerk der Hammerskins.

Gerlach versuchte, sich nach dem hier im Prozess immer wiederkehrenden Motto „Leugnen und Verharmlosen“ herauszureden. Seit zwei Jahren sei er nicht mehr aktiv, habe aber seine Gesinnung nicht aufgegeben. Seit einer mehrjährigen Haftstrafe habe er erkannt, dass Gewalt kein Mittel im politischen Kampf sei, das habe auch die gesamte Kameradschafts- und NPD-Szene, insbesondere der Angeklagte Wohlleben, so vertreten. Mit Wohlleben und Kapke habe er seit Anfang 2000 viel zusammengearbeitet, beim Aufbau von überregionalen Netzwerken wie dem Freien Netz, bei verschiedenen Kampagnen und dem sog. „Fest der Völker“. Über dieses habe er viele internationale Kontakte aufgebaut, in der Schweiz, nach Portugal und in andere Länder. Es war deutlich spürbar, dass auch der Vorsitzende die verharmlosende Darstellung des Aufbaus bundesweiter Nazinetzwerke durchschaute.

Verräterisch war, wenn Thomas Gerlach – der übrigens mit dem Angeklagten Holger Gerlach nicht verwandt ist – von „Kameradschaften und Aktionsgruppen“ sprach, ein Begriff, der vor allem in Zusammenhang mit dem Aufbau eines „führerlosen“ militärischen Widerstandes benutzt wird, wie er von amerikanischen Nazis entwickelt und von „Blood and Honour“ und den Hammerskins verwendet wird.

Bei den Hammerskins wurde auch deutlich, dass der Zeuge Gerlach nicht nur Leugnen und Verharmlosen will: gefragt nach seiner Mitgliedschaft in dieser Organisation, wie sie von der Zeugin Mandy Struck beschrieben wurde, mit der er früher eine Beziehung hatte, teilte Gerlach mit, er werde solche Fragen nicht beantworten. Hierbei blieb er auch nach eindeutiger Belehrung durch den Vorsitzenden, dass hierfür Ordnungsgeld und Ordnungshaft verhängt werden könnten. Sein „an sich selbst gestelltes Wertegefühl“ würde ihm verbieten, zu den Hammerskins Angaben zu machen.

Der Vorsitzende Richter Götzl verzichtete an dieser Stelle darauf, Ordnungsmittel zu verhängen, und unterbrach die Vernehmung kurz nach 16 Uhr, weil noch Fragen zu anderen Themen, zu denen Gerlach bislang ausssagebereit war, offen sind. Der Zeuge „Ace“ Gerlach wird also erneut nach München reisen und dann ggf. beweisen müssen, ob er bereit ist, für sein „an sich selbst gestelltes Wertegefühl“ in Ordnungshaft zu gehen.

04.06.2014

Die Bombe in der Probsteigasse – „Jetzt erst recht!“

Heute sagte die junge Frau aus, die als 19-Jährige durch die Bombe im Lebensmittelladen in der Kölner Probsteigasse schwer verletzt wurde. Ein Polizeibeamter, der sie nach dem Anschlag im Krankenhaus gesehen hatte, erzählte, sichtlich sehr berührt, er könne immer noch nicht in Worten beschreiben, wie sie ausgesehen habe. In seinem Leben als Kriminalbeamter habe er viel Leid und Elend gesehen, dieser Anblick habe alles überstiegen.

Die junge Frau wurde in ein künstliches Koma versetzt, wochenlang künstlich beatmet. Ihre Trommelfelle sind geschädigt. Zahlreiche weitere Operationen waren notwendig, um Holzsplitter, die durch die Explosion in den Kieferbereich eingedrungen waren, zu entfernen, die Narben im Gesicht sind bis heute sichtbar.

Die Zeugin selbst hinterließ einen bleibenden Eindruck. Eine aufrechte, klare Frau, sie hat nach ihrer Genesung die Schule und ein Studium und Ausbildung als Ärztin abgeschlossen. Mit klaren Worten schilderte sie präzise den Ablauf, ihre Verletzungen, aber auch ihre Wahrnehmungen von der Polizeiarbeit vor und nach der Selbstbekennung des NSU. Sie beschrieb, wie sie die Explosion selbst und alle Details ihrer Verletzung sowie des Transportes ins Krankenhaus mitbekommen hatte, die gesamte Zeit bei vollem Bewusstsein.

Erst deutlich später bekam sie etwas von der polizeilichen Ermittlung mit. Die Polizei schloss eine politische Motivation aus, die Familie hatte ja über Nazis nachgedacht, die Polizei ging dagegen von einer unmotivierten Tat eines Einzeltäters aus. Die Familie sei damals naiv gewesen und habe leider keine Anwälte eingeschaltet, deshalb auch keine Einsicht in die Ermittlungsakten erhalten. Sie sei geschockt darüber, wie sich aus heutiger Sicht die polizeiliche Arbeit darstellt.

Nach der Selbstbekennung des NSU wurde sie erneut polizeilich vernommen, äußerte Befürchtungen einer Bedrohung durch Nazis – die Antwort der Polizei beschränkte sich darauf, dafür gäbe es „keine Anhaltspunkte“. Daraufhin hatte sie kein Vertrauen mehr und beauftragte eine Rechtsanwältin.

Die Zeugin zeigte sich schockiert, durch diese Tat „zu wissen, es gibt Menschen, die dich wegen deiner Herkunft so angreifen, obwohl wir ja alle akademische Abschlüsse haben, und dann zu erleben, was denen der Erhalt der deutschen Nation wert ist“.

Auf die Frage, ob sie überlegt hätte, als Konsequenz des Bombenanschlages Deutschland zu verlassen, antwortete die Zeugin: „Als das Bekennervideo veröffentlicht wurde und klar wurde, dass ich wegen meiner Herkunft so angegriffen wurde, war natürlich die erste Frage, ‚was soll ich hier noch?‘ Ich bin ja ein Muster an Integration, und wenn man sogar Leute wie mich so bekämpft… Andererseits war das ja das, was die wollten, und ich dachte, ‚jetzt erst recht!‘“

03.06.2014

Beginn der Beweisaufnahme zum Bombenanschlag in der Kölner Probsteigasse

Am 19. Januar 2001 öffnete die Tochter des Inhabers eines iranischen Lebensmittelgeschäfts in der Kölner Probsteigasse eine Christstollendose, die in einem Einkaufskorb etwa einen Monat zuvor im Laden zurückgelassen worden war. Die Dose enthielt einen Sprengsatz, der so konstruiert war, dass er beim Öffnen detonierte. Die damals 19-jährige junge Frau wurde durch die nachfolgende Explosion schwer verletzt.

Am heutigen Verhandlungstag begann die Beweisaufnahme zu diesem Bombenanschlag. Ein Polizeibeamter beschrieb den völlig zerstörten Laden, anhand von Lichtbildern wurde deutlich, dass die Bombe in einem Umkreis von mindestens 7 Metern lebensgefährlich wirkte und darauf ausgerichtet sein musste, Menschen zu töten. Ein weiterer Polizeibeamter beschrieb die Konstruktion der Bombe als Sprengfalle, die zünden sollte, sobald die Dose geöffnet wurde. In der Christstollendose befand sich eine Gasdruckflasche, die mit Schwarzpulver gefüllt war. Der damalige Ermittlungsleiter beschrieb, dass (mal wieder) keinerlei Erkenntnisse zum Tatmotiv ermittelt wurden. Die absolute Planlosigkeit der damaligen Ermittler reproduzierte er mit der Formulierung: „Der Mann war Ausländer, das hätte von Rechts kommen können, das hätte auch von Links kommen können, der Mann war Iraner, das hätte auch von dieser Seite kommen können.“

In den nächsten Verhandlungstagen sollen die verletzte junge Frau und ihre Familie sowie weitere Ermittlungsbeamte befragt werden.

28.05.2014

Fluchthilfe durch die Eheleute Eminger

Nachdem der gestrige Hauptverhandlungstag wegen der Erkrankung des Zeugen abgesagt wurde, wurden heute zunächst Polizeibeamte befragt, die Telefone des Angeklagten Eminger und seiner Frau ausgewertet hatten. Danach hatte Susann Eminger ihrem Mann mehrfach SMS geschickt, in denen sie von gemeinsamen Aktivitäten mit „Lise und Gerry“ berichtete. Mit diesen Aliasnamen waren Beate Zschäpe und Uwe Böhnhardt jahrelang aufgetreten.

Am 4.11.2011 um 15.19 Uhr wurde von der von Zschäpe genutzten Mobilfunknummer auf André Emingers Handy angerufen, um 15.30 wurde eine SMS von seinem Telefon an seine Frau geschickt – also direkt nach dem Banküberfall in Eisenach, dem Tod von Mundlos und Böhnhardt und der Inbrandsetzung des Hauses in der Zwickauer Frühlingstraße durch Beate Zschäpe. Dies ist ein starkes Indiz dafür, dass Zschäpe Eminger um Hilfe bei ihrer Flucht gebeten hat. Am 5.11.2011 wurden dann zwei Anrufe von einer öffentlichen Telefonzelle auf dem Anschluss der Familie Eminger festgestellt.

Die Beweisaufnahme zu den Tatvorwürfen gegen André Eminger beginnt damit erst nach einem Jahr Hauptverhandlung. Bereits die ersten Details zeigen allerdings, wie eng sein Kontakt, der ja schon direkt nach dem Untertauchen des Trios 1998 begonnen hatte, bis zur Festnahme Zschäpes war. Ziel der Beweisaufnahme wird sein, darzulegen, dass Eminger und seine Frau über den gesamten Zeitraum ihrer Beziehung die terroristische Vereinigung NSU nicht nur unterstützt haben, sondern möglicherweise selbst Teil der Gruppe waren.

26.05.2014

Auf einen Beweisantrag der Nebenklage (wir berichteten am 8.1. und 14.1.2014) wurde heute ein ehemaliger Mittäter des in Polen inhaftierten Mannes vernommen, der angibt, er habe im Jahr 2004 dem Angeklagten Ralf Wohlleben ein Werkzeug zur Überwindung von Wegfahrsperren von VW-Bussen gegeben und im Tausch eine Pistole erhalten.

Da der in Polen inhaftierte Zeuge nicht ohne weiteres zum Prozess kommen wird, versucht das Gericht durch Vernehmung des heutigen und eines weiteren Zeugen, zunächst die Plausibilität seiner Angaben zu überprüfen, die er in einem polnischen Gefängnis gegenüber einer Mitarbeiterin des Generalbundesanwaltschaft gemacht hat.

Der heutige Zeuge nahm zwar an, sein ehemaliger Mittäter „sucht irgendeinen Weg, nach Deutschland zu kommen“. Aber er bestätigte auch viele Punkte aus dessen Aussage, so die Angabe, dass es einen enormen Waffenbestand gab, dass ständig Waffen dazugekauft und manchmal auch abgegeben wurden, dass mit „Wegfahrsperrenüberwindern“ gearbeitet wurde und dass es einmal ein „Gemauschel“ wegen einer Waffe oder einem technischen Gerät gegeben habe, von der er aber nichts weiter mitbekommen habe. Er habe damals angenommen, dass ein dritter Mittäter einen Handel mit einer kriminellen Gruppe von Russen aus Thüringen habe anbahnen wollen.

Die Verhandlung für den morgigen Tag, den 27.05.2014 wurde abgesetzt, weil der Zeuge sich krank gemeldet hat, am Mittwoch wird die Verhandlung stattfinden.

21.05.2014

Zum Tod im Wohnmobil und Provokation des Angeklagten Eminger mit Nazi-T-Shirt

Am heutigen Tage sollte die Beweisaufnahme zu den Ereignissen in Eisenach fortgesetzt werden. Als Zeugen waren ein Sachverständiger, der die Obduktion von Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos durchgeführt hatte, die zwei Polizeibeamten, die als erste am Wohnmobil eingetroffen sind und der Waffensachverständige Nennstiel zu den Waffen Bruni und Ceska geladen.

Überschattet wurde der Vormittag allerdings durch eine Auseinandersetzung über einen Kapuzenpullover des Angeklagten Eminger, auf dem vorne eine vermummte Person mit zwei Sturmgewehren in den Händen abgedruckt war.

Die Nebenklage beantragte daher die Sicherstellung des Pullovers, weil dieses Motiv in Zusammenhang mit der Teilnahme des Angeklagten am NSU-Prozess eine inhaltliche Stellungnahme darstellt und deutlich macht, dass der Angeklagte Eminger bewaffnete Aktionen verherrlicht. Dass sich Eminger in dieser Art im Prozess präsentiert, zeigt, dass er die Morde des NSU gut heißt und weiterhin Morde als Mittel des politischen Kampfes für richtig und legitim hält. Das T-Shirt-Motiv stammt von einem CD-Cover einer finnischen Black-Metal-Band, die mit ihren Texten nationalsozialistische Propaganda betreibt.

Die Vertreter des Generalbundesanwalts wollte dies so nicht erkennen und sah eine Sicherstellung des Pullovers nicht als notwendig an. Der Vorsitzende ließ immerhin zur Beweissicherung Fotos des Pullovers erstellen. Es wird zu prüfen sein, ob das öffentliche Tragen des Pullovers auch einen Straftatbestand erfüllt.

Der Sachverständige beschrieb die von ihm durchgeführte Obduktion und stellte neben der genauen Todesursache dar, dass in den Atemwegen und Lungen der beiden Toten keine Rauchpartikel und in der chemisch-toxischen Untersuchung keine Hinweise für das Einatmen von Rauch festgestellt werden konnte. Nach der Erfahrung des Sachverständigen wären solche Spuren dann zu erwarten gewesen, wenn die beiden Toten noch eingeatmet hätten, als das Wohnmobil in Flammen stand.

Die beiden Polizeizeugen gaben an, dass sie sich dem Wohnmobil genähert hätten und zunächst zwei Knallgeräusche in kurzer Folge und einige Sekunden später ein weiteres Knallgeräusch, insgesamt also drei Knallgeräusche gehört hätten. Danach hätten sie durch ein Fenster im Wohnmobil eine Stichflamme gesehen. Beide Zeugen beharrten darauf, dass keine dritte Person das Wohnmobil verlassen hätte. Tatsächlich liegen auch keine Hinweise für die Anwesenheit einer dritten Person im Wohnmobil vor, trotzdem ist beim Studium der Vernehmungen der beiden Beamten deutlich zu spüren, dass sie durch die Vernehmungsbeamten des BKA immer wieder hierauf gedrillt wurden, Tatsächlich hatten die beiden Polizisten die Eingangstür des Wohnmobils nicht im Auge, weil sich diese aus ihrer Sicht auf der Rückseite des Fahrzeuges befand. Ausserdem hatten sie sich nach dem ersten Knallgeräusch zu Boden geworfen und hatten das Wohnmobil also keineswegs durchgehend im Auge.

Der Waffensachverständige stellte nochmal klar, wie vor Aufdeckung der NSU-Täterschaft festgestellt wurde, dass bei den Morden dieselbe Pistole Marke Ceska mit Schalldämpfer verwendet wurde.